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2. Kapitel August 1998: Der erste Bypassverschluss

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Bereits ein Vierteljahr nach der „gründlichen“ Nachuntersuchung bekam ich wieder Probleme mit dem linken Bein. Zunächst denkt man an eine mentale Überlagerung, weil alle Sinne ständig auf die geringsten Veränderungen an dem kranken Bein gerichtet sind. Diese Phase der Bagatellisierung dauerte nicht lange. Die Schmerzen in der Wade, die Gefühllosigkeit und das Kältegefühl der Zehen und des Vorfußes wurden immer stärker. Schließlich hatte ich mich entschlossen, diese Beschwerden abklären zu lassen. Da „mein“ Operateur von damals im Urlaub war, stellte ich mich in einer anderen großen Klinik vor.


Die Schmerzen in der Wade … (S. 22)

Nach kurzen ambulanten Tests bestand der Verdacht, dass der Bypass, also das Kunststoffgefäß, mit Blutgerinnseln verstopft war. Damit waren die Weichen zur stationären Behandlung gestellt.

Wieder kam ich, in guter Absicht der Kollegen, in ein Einzelzimmer. Hier hatte jede Station zwei solche Zimmer, die natürlich – das war mir klar – bei Bedarf auch als Sterbezimmer genutzt werden würden. Obwohl in dieser Klinik und in einem solchen Zimmer vor elf Jahren mein Vater verstorben war, zog ich diesmal die Gemeinschaft mit den Seelen der Verstorbenen einem Mehrbettzimmer vor.

Noch am Aufnahmetag erfolgte nach Absetzen des gerinnungshemmenden Medikamentes die Gefäßdarstellung mit einem Kontrastmittel. Der Bypassverschluss wurde bestätigt, und die Blutgerinnsel konnten gleich anschließend mit einem Aspirationsverfahren entfernt werden. Der freie Blutdurchfluss war wieder hergestellt. Danach musste ich vierundzwanzig Stunden Bettruhe einhalten und davon die ersten zwölf – wegen der Gefahr der Nachblutung aus der Punktionsstelle – mit einem Druckverband auf dem Rücken liegend verbringen.

Bei einer Wiederholung nach zwei Tagen kam es vor allem darauf an, eine Unebenheit im Bereich der Verbindungsstelle zwischen Gefäß und Kunststoffprothese (Anastomose) zu glätten. Auch danach gab es wieder den Druckverband und die Bettruhe. Diese Unebenheit der Anastomose wurde als Ursache der Gerinnselbildung verantwortlich gemacht.

Ein weiterer Eingriff war nicht erforderlich, sodass ich wieder auf das blutverdünnende Medikament eingestellt werden konnte. Dafür war am nächsten Tag eine Blutentnahme erforderlich.

Dass man sich nun gerade bei mir der Pflichtassistenten erinnerte, welche das Punktieren eines Gefäßes einmal am Patienten üben müssen, war weniger schön.

Eine junge Ärztin kam und sagte: „Guten Morgen, Herr Doktor, ich soll bei Ihnen Blut abnehmen, haben Sie gute Venen?“

„Aber ja doch, schauen Sie, diese hier am rechten Arm wird immer wieder gern genommen; Sie werden das schaffen.“

Zunächst war ich wirklich geduldig, aber nach dem dritten Fehlversuch sagte ich: „Mehr als drei Mal sollte man es nicht versuchen; schicken Sie doch bitte jemanden, der heute besser in Form ist als Sie.“

Das war der Kollegin so peinlich, dass sie auch noch vergaß, den Stauschlauch am Oberarm zu lösen. Kurz darauf, noch vor der Visite, kam der Stationsarzt und führte mühelos die Blutentnahme durch.

Zur Visite wurde zu meiner Freude schon über die Entlassung gesprochen, und die Stationsschwester erhielt den Auftrag, mein Schmerzmittel um die Hälfte zu reduzieren. Natürlich bekam ich am nächsten Tag wieder die volle Dosis ans Bett gestellt. Mit Unverständnis im Gesichtsausdruck ließ ich es korrigieren. Einem Nichtmediziner wäre das nicht aufgefallen. Bei diesem Medikament konnte zwar nichts passieren, aber dieser am häufigsten vorkommende Irrtum kann bei anderen Medikamenten ernste Folgen haben.

Am Vortag der Entlassung bat ich darum, mir noch einmal den Blutdruck zu messen. Es kam eine Schwester und wickelte mir eine Blutdruckmanschette um den rechten Oberarm. Diese roch so stark nach Schweiß, dass ich am liebsten auf die Messung verzichtet hätte, aber ich wollte nicht abermals Kritik anbringen, da ich als Gefäßpatient damit rechnen musste, hier noch mehrmals „Gast“ sein zu dürfen.

Es ist schon verwunderlich, dass noch nicht alle die dafür vorgesehenen Einmalmanschettenbezüge verwenden, werden doch die Unterlagen auf den Untersuchungsliegen für den nächsten Patienten stets auch erneuert.

Jetzt, zwölf Jahre später, wurde bei mir in einer Praxis für Kardiologie mit einem solchen personengebundenen Manschettenüberzug der Blutdruck gemessen, damit kein direkter Kontakt zur Haut anderer Kranker besteht. Na bitte, es geht doch!

Am Folgetag, dem fünften September, verließ ich die Klinik, und noch am Entlassungstag ging ich wieder in meine Praxis.

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