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Last Call

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Neulich einen Anruf von Marcel bekommen, von drüben, Sie wissen schon, er: Startet voll durch, ist sofort in seinem Element, Sie glauben doch nicht den Quatsch von der braven jungen deutschen Literatur, der in den letzten Wochen in allen Feuilletons diskutiert wurde – alles verwöhnte Bürgerkinder, ein blühender Unsinn, mein Lieber, wenn die Kollegen von ZEIT, FAZ und SZ sich auf dieses unterste soziologische Niveau nicht mit mir, unter uns gesagt: das FAZ-Feuilleton, seit ich weg bin von dort, Mittelmaß, wenn überhaupt! Die junge deutsche Literatur, wenn ich ehrlich sein darf, war immer brav – mit wenigen Ausnahmen, Büchner vielleicht, Schillers Räuber, kurzfristig, ein klein bisschen der Brecht – aber wir nehmen ihn nur noch als braven Lyriker wahr. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass eine Lulu den Wedekind schon zum wilden Buben gemacht hat – gut sprechen wir über die Preise, deshalb rufe ich Sie ja an. Hoferichter, Lieber, wenn ich die Wahrheit sagen darf: Dieser Ernst-Hoferichter-Preis 2014, typische Münchner Provinzfarce; ich kann das nicht ganz einsehen: Eine Kabarettistin und ein erfolgreicher Jungfilmer – wo bleiben die Autoren, seit wann ist ein Jungfilmer ein Autor? Rosenmüller: Er hätte ablehnen müssen! Nur so wirst du heute noch etwas, durch Preisablehnung! Karasek wollte mir immer das Drehbuch als »Literatur« verkaufen, aber das ist Quatsch, Blödsinn! Er liebt seinen Billy Wilder, soll er. Aber: Das Drehbuch wartet auf die Umsetzung ins Visuelle, der Roman wirkt nach innen, sehr einfach. Lassen Sie sich in München nicht diesen Drehbuch-Unsinn verkaufen. Überhaupt die Preisvergabe, seit ich nicht mehr dabei bin, der Börne-Preis zum Beispiel an diesen Florian Illies – sein »1913« ist ja eine ganz nette Collage, aber unter uns gesagt: 1913 war doch nichts Besonderes. Nur weil Freud damals den Jung schikanierte oder Kafka an Felice vorbeiliebte, weil diese ganzen Maler sich trafen, mein Gott, das haben die immer gemacht. 1914 war wichtiger. Illies, ein ganz ordentlicher Journalist, nicht kritisch, nicht witzig. Effektsicher, das ja. Es gibt mehr Preise als Autoren heute, zählen Sie mal die Literaturpreise! Sie können jeden dritten Tag einen Preis verleihen, ein Stipendium, einen Stadtschreiber ernennen.

Zurück zur braven Literatur: Die wirklich Wilden sind doch wir Alten heute – habe ich recht? Als ich 2008 diesen lumpigen TV-Preis abgelehnt habe, diesen hässlichen Obelisken, vor versammelter TV-Hautevolee – wer von den Jungen wagt heute noch den Skandal? Duckmäuser! Er denkt doch sofort: Da bin ich unten durch, die Arrivierten sind alle vernetzt, das Internet vergisst nichts, da läuft nix mehr! Deswegen macht doch keiner den Mund auf, alles Duckmäuser, natürlich. Mein Gott, ist doch nix Neues, Preise wollen sie. Absahnen, kurzsichtig. Alles ablehnen sollten sie, alles!

Dezember 2014

SPOTTLICHTER

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