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Birgit Schwarz und ihr Busen
ОглавлениеEine Geschichte mit Turbulenzen, die in meinem Besprechungszimmer begann und an einer Tankstelle an der Donau ihr Happy End fand.
Sie weiß genau, was sie will«, stand auf dem Zettel, den die Schwestern für mich vorbereitet hatten. Ich betrachtete die Buchstaben länger, als ich zum Lesen brauchte. Ich war mir da nicht so sicher. Irgendetwas an der Dame im Wartezimmer machte mich stutzig. Ich hätte nicht sagen können, was.
Birgit Schwarz. Den Namen hatte ich noch nie gehört. Unternehmensberaterin. Das konnte alles Mögliche bedeuten. Sie war 42 Jahre alt.
Ich begrüßte sie und zeigte auf den Sessel für Besucher. Sie musterte ihn kurz, dann nahm sie Platz.
In den ersten Jahren meiner Laufbahn als Schönheitschirurg empfing ich meine Patienten zum Erstgespräch noch in einem gemütlichen Raum mit Sofas und servierte ihnen Kaffee. Das sollte eine möglichst entspannte Atmosphäre schaffen.
Vor etwa zehn Jahren änderte ich das Ambiente. Seither finden Erstgespräche wie auch das mit Birgit Schwarz in einem Zimmer mit Besprechungstisch und einfachen Stühlen statt. Kaffee servieren wir nur noch, wenn die Patienten warten müssen. Ich mache das nicht, um mir die Kaffeekosten zu sparen. Ich mache das, weil es für alle Beteiligten am besten so ist. Denn in diesem nüchternen Rahmen verlaufen Gespräche besonders effizient. Die Schlichtheit fördert die Achtsamkeit und die Konzentration auf das Wesentliche. Wer immer hier sitzt, hat meine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Die Patienten kommen ja nicht zum Kaffeeklatsch, sondern, weil sie Informationen wollen.
Noch bevor ich meine Patienten zum ersten Mal selbst treffe, nehmen die Damen am Empfang meiner Klinik schon alle relevanten Daten auf und plaudern dabei ein wenig mit ihnen. Persönliche Eindrücke von diesen Gesprächen und von den Telefonaten davor schreiben sie mir auf altmodische Notizzettel, wie in den Zeiten vor der digitalen Revolution.
Diese persönlichen Eindrücke sind hilfreich, mitunter sogar wertvoller als meine eigenen. Denn vor allem weibliche Patienten sind am Empfang und bei den unprätentiösen Erstkontakten meist offener als in der Unterredung mit dem Arzt, die zunächst doch immer etwas Förmlicheres, Offizielles hat. Während sie sich mir gegenüber gerne von ihrer besten Seite präsentieren, zeigen sie beim Personal eher ihr wahres Ich und sind, zum Beispiel nach längeren Wartezeiten, auch einmal ungehalten oder unfreundlich.
Zudem lehne ich das Friseurgetue, das in der Schönheitschirurgie Einzug gehalten hat, insgesamt ab. Immerhin behübschen wir Schönheitschirurgen das aktuelle Aussehen eines Menschen nicht bloß. Wir leisten medizinische Präzisionsarbeit und führen teils schwierige Eingriffe durch, die meist irreversibel sind. Wir verändern das Erscheinungsbild eines Menschen, also seinen körperlichen und damit auch seinen psychischen und seelischen Zustand. Und wir verändern das für den Rest seines Lebens.
Birgit Schwarz schlug die Beine übereinander. Ihre Handtasche stellte sie neben sich auf den Boden.
»Es wäre Ihre erste Schönheitsoperation«, sagte ich.
Sie nickte.
In meiner Branche ist das nicht immer so. Für einen Gutteil der Patienten ist so ein Besuch keine Premiere. Wer einmal damit angefangen hat, gefühlte Makel an sich selbst beheben zu lassen, hat eine Tendenz, es wieder zu tun.
Nach Erkenntnissen einer Fünf-Jahres-Studie, die Langzeitverbesserungen nach kosmetischen Operationen untersuchte, gibt es dabei interessante Unterschiede. Menschen, die vor dem Eingriff verheiratet waren oder in einer Beziehung lebten, sind demnach eher bereit, sich einer weiteren Operation zu unterziehen, als Singles. Ältere Patienten bereuen ihre Operation weniger oft als junge und würden es deshalb eher wieder tun.
Manche Patienten können gar nicht mehr damit aufhören. Es ist wie beim Tätowieren. Sie wollen immer mehr. Ich möchte fast sagen, dass es manchmal wie mit einer Droge ist. Manche Patienten entwickeln eine regelrechte Sucht danach, und wenn ein Schönheitschirurg aus Verantwortungsbewusstsein darauf hinweist und sie davon abzuhalten versucht, verabschieden sie sich meist höflich, oft aber auch unhöflich, und gehen zum nächsten.