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Wer hat denn nun die Zeitmaschine erfunden?

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Konrad saß nun schon seit Stunden in der Werkstatt und bastelte. Das tat er gerne, denn dabei konnte er sich so schön entspannen. Es waren nie große Dinge, die er herstellte, doch es machte ihm Spaß, mit den verschiedenen Materialien zu arbeiten, sie zu formen, sie in seinen Händen zu spüren und sich an dem fertigen Ergebnis zu freuen. Häufig arbeitete er mit Holz, aus dem er Spiele herstellte, die er sich mitunter selbst ausgedacht hatte. Dann spielte er später mit seiner Petra oder mit Freunden oder in größerer Runde.

Lange Zeit hatte er auch mit Leder gearbeitet. Es waren derbe Bekleidungsstücke entstanden, die ein Leben lang halten würden, oder gepunzter Lederschmuck oder Bucheinbände für die alten Folianten, die langsam auseinanderfielen.

Ein seltsamer Widerspruch war es eigentlich, dass er gerne alte Bücher las und sich trotzdem vor einiger Zeit einen Computer angeschafft hatte. Das änderte einiges in seinem Leben, denn die Auseinandersetzung mit dem Gerät, das ein eigenes Leben zu haben schien, wurde zu einer ständigen Herausforderung. Manchmal saß er nächtelang an seinem Schreibtisch und ver­suchte, ein spezielles Programm zu entwickeln, das nur für ihn Bedeutung hatte. Die Nacht begann erst, wenn das Problem, das sich ihm wiedersetzt hatte, gelöst war. Dann konnte er beruhigt einschlafen, doch nicht selten geisterte das Problem noch in abstrakter Form in seinen Träumen herum.

Vor einiger Zeit hatte er angefangen, sich mit elektronischen Schaltungen zu beschäftigen. Das hatte seine Ausbildung als Schmied bisher nicht mit sich gebracht. Der Umgang mit Leitern und Halbleitern, Dioden und Transistoren, Melonaren und Trikorenten war ihm ein ewiges Rätsel, bis er damit herumexperimentierte. Es waren sicherlich nur harmlose Sachen, die ihn zunächst beschäftigten, aber es machte ihm Spaß, aus einigen Drähten das Gezwitscher eines Vogels herauszulocken oder scheinbar aus dem Nichts Licht zu erzeugen. Er hatte auch selten begriffen, wie etwas funktionierte, denn er baute nur die Beispiele aus seinem elektronischen Bastelbuch nach.

Manchmal träumte er davon, ein großer Erfinder zu werden, doch wie erfindet man etwas? Wahrscheinlich entstanden die meisten Erfindungen durch Zufall.

Heute saß er lediglich in seiner Werkstatt und polierte mehrere Blöcke aus verschiedenen Holzsorten, die er später zu einer praktischen Gedächtnisstütze zusammensetzen wollte.

Während er gerade ein Holzklötzchen in die Hobelbank einspannen wollte, lag dort plötzlich ein Gerät.

Konrad starrte ungläubig auf die dicke Holzplatte der Hobelbank. Er konnte beim besten Wil­len nicht sagen, wie das Gerät dort hingekommen war. Eben war die Platte noch leer, im näch­sten Moment lag nur wenige Zentimeter neben seiner Hand ein merkwürdiges Gerät. Er meinte sogar, erkannt zu haben, dass es mit einem leichten Flimmern aus dem Nichts erschienen war. Er konnte auch nicht erkennen, welche Funktion dieses Gerät hatte. Es bestand aus einer Holz­platte, auf der sich eine Anzahl von Drähten, Spulen, Trafos und anderen Bauteilen befand. Er nahm das Brettchen in die Hand und spürte ein leichtes Vibrieren. Eine kleine Batterie schien als Energieversorgung zu dienen. Auf der Unterseite des Holzbrettchens klebte ein mehrfach zusammengefaltetes Blatt Papier, das sich beim Entfalten als primitiver Schaltplan her­ausstellte. Das „primitiv“ bezog sich auf die Art der Linienführung. Es war keine sauber gedruckte Schaltung, sondern ein Gewirr von handgezeichneten Linien und Symbolen auf einem mit Kaffeeflecken beschmutzten Blatt Papier. Irgendwie kam Konrad diese Zeichnung bekannt vor, obwohl er sicher war, sie noch nie gesehen zu haben. Er legte das Blatt Papier beiseite und betrachtete das Gerät genauer. Auf dem Holzbrettchen war mit vier Schrauben eine gedruckte Platine befestigt. An einem der Schraublöcher war die Ecke ausgebrochen, was aber keine Auswirkung auf die Schaltung hatte. Es gelang Konrad jedoch nicht, in dem Gewirr von Drähten und Lötungen einen Sinn zu erkennen, doch das war ihm mit anderen Schaltplä­nen auch schon so gegangen.

An einer Seite der Platte befand sich ein kleiner Hebelschalter. Er überlegte, ob er ihn benutzen sollte. Nach einigem Zögern legte er das Gerät auf die Platte der Hobelbank und entfernte sich zur anderen Wandseite, um einen Schraubenzieher zu holen. Das hätte er lieber nicht machen sollen, denn im nächsten Moment war das Gerät verschwunden. Genauso wie es aufgetaucht war, verschwand es plötzlich mit einem leichten Flimmern.

Konrad ärgerte sich mächtig. Jetzt hatte er die Gelegenheit verpatzt, herauszubekommen, was das für ein geheimnisvolles Gerät war.

Sein Blick fiel auf den Schaltplan, den er achtlos hingeworfen hatte. Er nahm ihn wieder auf und versuchte, sich in dem Gewirr der vielen Linien zurechtzufinden. Er erkannte nur einige Details, wie zum Beispiel die Batterie und den Schalter, der offensichtlich den Hauptstrom­kreis unterbrach. Er vermutete stark, dass er hier einen Schaltplan des verschwundenen Gerä­tes in der Hand hielt. Also musste es möglich sein, das Gerät nachzubauen.

Konrad wurde von einem Eifer gepackt, der bei ihm selten war und verbrachte in der folgen­den Zeit einen großen Teil seiner Freizeit in der Werkstatt. Er erzählte niemanden von seiner Entdeckung, denn er wollte erst allein herauskriegen, was er gefunden hatte.

Zunächst suchte er sich eine geeignete Holzplatte, die er unter den Holzresten in der Werkstatt entdeckte. Sie sah merkwürdigerweise genauso aus, wie die, auf der das Gerät montiert war. Doch er machte sich keine Gedanken darüber. Holz sah immer ähnlich aus.

Auf einem Teil der Zeichnung waren vermutlich die Leiterbahnen der geätzten Platine aufge­zeichnet.

Er kaufte sich eine Rohplatine und begann, mit dem Spezialschreiber die Leiterbahnen aufzu­tragen und den Rest wegzuätzen. Das Ergebnis war etwas unbeholfen aber ausreichend. Dann legte er die Lötpunkte fest, machte kleine Bohrungen und verzinnte sie mit Lötzinn. Er hatte einige Mühe, die verschiedenen Bauteile zu bekommen. Zum Glück wurde er von einem jun­gen Mann in dem Electronic-Geschäft gut beraten. Der kannte sich in den Symbolen des Schaltplans viel besser aus und suchte ihm das Sortiment zusammen. Die Bohrungen in der Platine mussten genau mit den verschiedenen Kontakten der Bauteile übereinstimmen. Konrad hatte nur wenig Übung im Umgang mit feinen Lötstellen, doch je mehr er davon anfertigte, desto leichter wurde es. Trotzdem benötigte er Wochen, bis er die Platine fertiggestellt hatte. Vorsichtig bohrte er kleine Löcher in die Ecken und schraubte sie mit kurzen Distanzstücken auf das Brett. An einer Ecke drehte er die Schraube etwas zu fest an. Erstaunt schaute Konrad auf die dabei ausgeplatzte Ecke, die er sofort wiedererkannte. Er hatte die gleiche Platine in der Hand, die sich an dem verschwundenen Gerät befunden hatte. Es dämmerte ihm, dass er dabei war, genau das Gerät zu bauen, das vor einigen Wochen in seiner Werkstatt aufgetaucht war, nicht nur ein Nachbau, nein, exakt dasselbe Gerät mit allen Einzelheiten.

Nachdenklich baute er weiter. Als er schließlich alle weiteren Bauteile mit der Platine verbun­den hatte, sah das Gerät tatsächlich so aus, wie das damals vorübergehend aufgetauchte. Trotz­dem wusste er immer noch nicht, welchem Zweck es dienen konnte.

Er durfte jetzt nicht durch vorschnelle Versuche etwas falsch machen. Beim letzten Mal war das Gerät ohne erkennbaren Anlass einfach verschwunden. Damals war es eingeschaltet gewe­sen, was er an der leichten Vibration gespürt hatte. Heute war es noch abgeschaltet. Was würde passieren, wenn er es einschaltete. Es gab keinerlei weitere Schalter oder Regler außer dem Hauptschalter. Eigentlich konnte mit der relativ schwachen Stromquelle nichts Gefährliches passieren.

Er musste das Risiko eingehen.

Damit das Gerät nicht wieder plötzlich verschwand, behielt er es diesmal in der Hand und betätigte den Schalter. Das Gerät fing leise an zu vibrieren. Das war alles. Konrad lauschte an der Anlage und hörte einen leisen Brummton. Das war zu erwarten, denn er hatte einen Zer­hacker und mehrere Kleintransformatoren eingebaut, die den Gleichstrom der Batterie in ver­schiedene Spannungen umwandelten.

Konrad war enttäuscht. Er hatte irgendeine Reaktion erwartet, doch es passierte nicht das Geringste. Er wartete einige Minuten und schaute auf seine Armbanduhr. Auch nach fünf Minuten zeigte das Gerät keinerlei Anzeichen einer bestimmten Funktion.

Sein Blick fiel auf die Werkstattuhr, die auf einem Brett über der Hobelbank stand. Die ging etwa 10 Minuten nach. Das war merkwürdig, denn normalerweise lief sie sehr genau. Er wollte sie nach seiner Armbanduhr stellen, als er plötzlich bemerkte, dass sich der Sekundenzeiger der Uhr rückwärts bewegte. Er schaute nochmals auf die Armbanduhr, deren digitale Sekun­denanzeige jedoch richtig ging. Hier schien also doch ein Prozess abzulaufen.

Konrad beobachtete die beiden Uhren weiter. Nach einer weiteren Minute auf der Armband­uhr, ging die Kelleruhr bereits zwölf Minuten nach, fünf Minuten später waren es schon 20 Minuten. Es war offensichtlich: Die Kelleruhr ging rückwärts.

Konrad sah sich um, um noch andere Dinge zu entdecken, die vielleicht rückwärts liefen, doch er war nur von statischen Gegenständen umgeben. Der Wasserhahn fiel ihm plötzlich ein. Er ging zu dem Waschbecken in der Ecke und drehte den Hahn auf. Einen winzig kleinen Moment dachte er, es passiert nichts, dann sprang ein Wasserplatsch – er wusste nicht, wie er es anders bezeichnen sollte – aus dem Abfluss und bildete einen dünnen Strahl, der nach oben in dem Wasserhahn verschwand. Schnell drehte Konrad den Hahn wieder zu. Augenblicklich sammelte sich der Rest des Wassers im Becken zu einem Strahl und verschwand völlig nach oben. Der Boden des Beckens war anschließend trocken, als wäre er tagelang nicht benutzt worden. Das war ein weiterer Beweis, dass die Zeit in diesem Keller rückwärts lief. Doch wie sah es außerhalb des Kellers aus?

Konrad fiel der alte Radioapparat ein, der etwas verstaubt auf einem Wandbrett stand. Er schaltete ihn an und hörte eine Sprache, die wie russisch klang. Bei genauerem Hinhören erwies es sich als rückwärts gesprochene Nachrichten. Andere Sender brachten merkwürdige Musik, bei der die Takte eine ungewöhnliche Betonung hatten. Es hörte sich an, als würde sich jeder Ton erst sammeln, um dann abrupt in sich zusammenzufallen. Auch andere Radiosen­dungen kamen rückwärts an. Das bewies, dass die Zeit auch außerhalb des Kellers rückwärts lief.

Konrad grübelte. Es schien ihm unmöglich, dass dieses kleine Gerät, das er gebastelt hatte, die ganze Welt beeinflussen konnte. Er beobachtete seine Armbanduhr, die weiterhin vorwärts lief. Wahrscheinlich, schloss er, lief die Zeit nur in einer kleinen „Zeitblase“ um das Gerät herum, rückwärts. Da das auch seine Uhr beeinflusste, erweckte das den Anschein, als würde er sich als einziger vorwärts in einer Rückwärtszeit bewegen. In Wirklichkeit bewegte er sich Rückwärts in einer realen Vorwärtszeit.

Es wurde langsam kompliziert, das zu begreifen. Wenn er alles richtig deutete, hatte er eine Zeitmaschine gebaut, mit der man in einem begrenzten räumlichen Umfang die Zeit umkehren konnte. Er hatte die Maschine während der ganzen Zeit in der Hand gehalten. Wenn er sie los­ließ, würde sie sich vermutlich in die eine Zeitrichtung entfernen, während er normal weiter ging. Dann würde sie scheinbar wieder verschwinden, während sie tatsächlich noch vorhanden war, jedoch in einer früheren Zeit.

Konrad schaltete das Gerät wieder ab, um etwas mehr Zeit zum Überlegen zu bekommen. Im gleichen Moment hörte er die Radiomusik wieder richtig, und der Sekundenzeiger der Keller­uhr lief rechts herum. Seine Armbanduhr ging inzwischen mehr als eine halbe Stunde vor. Er musste sich also etwa 15 Minuten rückwärts bewegt haben, während die Realzeit weiterlief. Das addierte sich dann zu 30 Minuten. Es fiel ihm schwer, die Zusammenhänge tatsächlich zu begreifen. Wie kam es, dass seine Armbanduhr jetzt vorging, obwohl er selbst in der Zeit rück­wärtsgegangen war? Die Antwort bereitete ihm einige Schwierigkeiten. Da die Armbanduhr sich in der Zeitblase befand, verhielt sie sich darin normal. Sie lief also vorwärts, während scheinbar um ihn herum alles rückwärts lief. Dadurch gewann sie einen zeitlichen Vorsprung, der auch erhalten blieb, wenn er das Gerät wieder abschaltete. Das bedeutete aber auch, dass Konrad 30 Minuten mehr gealtert war, als seine Umgebung.

Den weiteren Nachmittag verbrachte Konrad mit Experimenten. Er schaltete das Gerät erneut ein und überzeugte sich, dass Kelleruhr und Radio rückwärts liefen. Dann näherte er sich lang­sam der Kelleruhr, bis diese plötzlich ebenso vorwärts lief, wie seine Armbanduhr. Vermutlich war sie in diesem Moment in das Kraftfeld der Maschine eingetaucht und lief ebenfalls rück­wärts, für ihn aber scheinbar vorwärts. Er entfernte sich wieder von der Uhr, bis sie sich erwartungsgemäß in die falsche Richtung bewegte. Dafür näherte sich Konrad dem Radioap­parat, der jedoch unbeeinflussbar die Musik rückwärts laufen ließ. Nur einen Augenblick war Konrad überrascht, bis ihm auch dieses Verhalten logisch erschien. Das begrenzte Kraftfeld seiner Maschine konnte zwar die Gegenstände in der Nähe beeinflussen, nicht aber den weit entfernten Sender. So kam es, dass die Musik auch in der Zeitblase für ihn nur rückwärts zu hören war.

Mit einigen Versuchen ermittelte er die Größe des Kraftfeldes. Es erstreckte sich in einem kugelförmigen Raum mit einem Radius von etwa einem Meter um das Gerät herum. Wenn er es ungefähr in Nabelhöhe trug, war Konrad völlig von der Zeitblase umgeben.

Es schien, als hätte er eine Zeitmaschine gebaut.

Er wartete die 19-Uhr-Nachrichten ab und schaltete das Gerät anschließend ein. Geduldig hörte er sich die Nachrichten noch einmal rückwärts an und schaltete wieder aus. Dieselben Nachrichten, die er eben gehört hatte, ertönten erneut aus dem Lautsprecher. Er konnte also einen Zeitablauf beliebig wiederholen.

Jetzt war er aber doch gespannt, wie sich die Anlage außerhalb seines Kellers auswirkte. Er verließ das Haus und schaute sich um. Auf der belebten Straße hatte es offensichtlich gerade einen Unfall gegeben. Einige Fußgänger standen um zwei Autos herum, von denen das hintere auf ein anderes aufgefahren war. Die beiden Fahrer waren ausgestiegen und besahen sich den leichten Blechschaden.

Konrad stellte sich einige Meter neben der Haustür an die Hauswand. Als er dort die mitge­brachte Maschine wieder einschaltete, liefen plötzlich alle Menschen auf der dichtbelebten Straße rückwärts, ebenso wie die Autos auf der Fahrbahn. Es sah komisch aus, wie alle Men­schen mit merkwürdigen Schritten rückwärtsgingen und gleichzeitig in die andere Richtung schauten, als hätten sie Augen im Hinterkopf. Ein Hausbewohner kam rückwärts aus der Haus­tür, ging an ihm vorbei und begrüßte ihn mit einigen unverständlichen Worten, nachdem er ihn passiert hatte. Konrad machte eine unbestimmte Handbewegung und versuchte, sich den richti­gen Ablauf aus der Sicht des Mannes vorzustellen. Der Mann hatte sich offenbar gerade dem Haus genähert, als Konrad ihn mit der Handbewegung grüßte. Der Mann erwiderte den Gruß mit einigen Worten und ging danach ins Haus.

Es bedurfte schon einiger Konzentration, das Verhalten der Passanten richtig zu beurteilen. Wenn Konrad sich unter sie gemischt hätte, würde er als komischer Rückwärtsläufer etwas Aufsehen erregt haben. Deshalb blieb er lieber an der Hauswand stehen und vermied jede Bewegung, die ihn verraten konnte. Er schaute zur nächsten Straßenkreuzung, wo gerade zwei Gruppen Passanten von verschiedenen Seiten an der Ampel rückwärts über die Fahrbahn gin­gen und sich problemlos auswichen. Obwohl sie unterschiedlich schnell über die Straße gin­gen, kamen sie alle zur gleichen Zeit auf der gegenüberliegenden Seite an und blieben dort zunächst stehen, bis sie sich in unterschiedliche Richtungen entfernten. Ähnlich komisch waren die scheinbar unsinnigen Bewegungen der Autos, die zügig rückwärts in die Kreuzung einbogen, mitten auf der Kreuzung eine Zeitlang anhielten, ehe sie langsam weiterfuhren. Es waren alles Linksabbieger.

Plötzlich hörte er aus der anderen Richtung ein merkwürdiges Geräusch, das mit einem langsa­men Geschepper begann und mit einem harten Knall endete. Als er sich nach der Ursache umblickte, sah er gerade noch, wie sich das hintere Unfallauto rückwärts entfernte, während das vordere ebenso wie die ganze Reihe von hintereinander stehenden Fahrzeugen einige Sekunden später anfuhr und zurückfuhr. Als Konrad die Zeitmaschine abstellte, kamen alle Autos wieder an und bremsten vor der Kreuzung, bis auf den hinteren, der mit einem hässli­chen Knall auf den letzten auffuhr.

Konrad wiederholte den Vorgang einige Male und überlegte, welche Möglichkeiten er zum Eingreifen hätte. Konnte er den Fahrer des Unfallwagens warnen? Das müsste er später aus­probieren.

Er schaute auf seine Armbanduhr. Inzwischen war es schon später als 20.00 Uhr. Er schaltete seine Zeitmaschine wieder ab und ging zurück ins Haus. Sorgfältig stellte er die Maschine im Keller ab und begab sich in seine Wohnung.

„Nanu, hast Du heute keine Lust zum Basteln? Du bist doch gerade erst nach unten gegangen!“ begrüßte ihn Petra. Die Küchenuhr zeigte kurz nach 18.00 Uhr.

Nachts konnte Konrad kaum schlafen. Die Zeitmaschine geisterte durch seine Träume. Sie eröffnete völlig neue Perspektiven. Theoretisch hatte er in Zukunft unbegrenzte Zeit, denn er konnte sich beliebig zeitlich vor und zurück bewegen und in dieser Zeit seinen Hobbys nach­gehen. Das hatte er gestern bewiesen. Obwohl er mehr als zwei Stunden experimentiert hatte, waren für Petra nur wenige Minuten vergangen. Während der Arbeit musste er ständig an diese neuen Möglichkeiten denken und konnte kaum den Feierabend abwarten.

Als er nach Hause kam, war Petra noch nicht da. Es war 17.00 Uhr, und sie würde erst eine Stunde später kommen. Schnell eilte er in den Keller und holte die Zeitmaschine in die Woh­nung. Diesmal konnte er ebenso gut dort experimentieren. Er suchte den Zettel mit dem Schalt­plan, konnte ihn aber nirgendwo finden. Er wusste immer noch nicht, wer ihm die Zeitmaschine zugespielt hatte. Vielleicht war sie aber auch zufällig bei ihm gelandet, so wie er sie auch zufällig wieder verloren hatte. Aus dem Schaltplan hätte er vielleicht einige Schlüsse ziehen können, doch er fand ihn nicht wieder. Sollte er auch in den Wirren der Zeit verschwun­den sein?

Sicherheitshalber wollte er eine Kopie anfertigen.

Er hatte sich gerade ein Blatt Papier gesucht, als er Schlüssel im Schloss der Wohnungstür klappern hörte. Das musste Petra sein, die nach Hause kam. Mit einer Handbewegung schaltete er die vor ihm liegende Zeitmaschine an und hörte, wie das Klappern aufhörte und Petra sich wieder nach unten entfernte. Irgendwie hatte er ein schlechtes Gewissen, sie wieder zurückzu­schicken, als wollte er sie nicht hierhaben. Doch er machte sich klar, dass sie von alledem gar nichts merkte. Er wollte einfach Zeit gewinnen.

Mühsam vollzog er an der Maschine einen Stromkreis nach dem anderen nach und zeichnete ihn auf. So entstand nach und nach ein Schaltplan, der genauso aussah, wie der, nach der er die Maschine gebaut hatte. Jetzt begriff er auch, warum ihm die Zeichnung so bekannt vorgekom­men war. Es war seine „Handschrift“, die er erkannt hatte.

Die Erkenntnis traf ihn, als hätte ihn jemand vor den Kopf geschlagen. Vor Aufregung stieß er die Kaffeetasse an, und ein Kaffeefleck beschmutzte den Schaltplan. Den Fleck hatte er schon gestern gesehen.

Sein Gehirn weigerte sich, die Logik zu erkennen. Er fasste seine Gedanken zusammen und kam zu folgenden Erkenntnissen:

 Er, Konrad, hatte eine funktionstüchtige Zeitmaschine nach einem gefundenen Schalt­plan gebaut.

 Er, Konrad, hatte einen Schaltplan nach einer funktionstüchtigen Zeitmaschine, die er selbst gebaut hatte, gezeichnet.

Schaltplan und Maschine stammten ohne Zweifel von ihm. Doch wer hatte sie denn nun tat­sächlich erfunden?

Konrad schaltete die Maschine wieder ab und schaute auf die Küchenuhr, die inzwischen auf 15.00 Uhr stand. Er hatte also noch genügend Zeit, bis Petra kam.

Er ging in den Keller, klebte den Schaltplan an die Unterseite der Zeitmaschine und legte diese auf die Hobelbank. Dann legte er bedächtig den Schalter um und trat einen Schritt zurück.

Mit einem kurzen Flimmern verschwand sie in der Vergangenheit. Gestern würde er sie wieder finden. Doch das betraf nur den Konrad von gestern. Er selbst war dann bereits zwei Tage von ihr entfernt.

Unendliche Zukunft

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