Читать книгу Nomade - Youssouf Amine Elalamy - Страница 5

Kapitel 1

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Hier kommt eine Geschichte, die wurde mit blankem Wasser geschrieben. Mit dem Wasser, das vom Himmel fällt, wenn man nur in die Hände klatscht, und aus dem die Winde, vom Winde gepeitscht, Wippschaukeln machen. Sie stammt von einem, der zufällig hörte, wie ein anderer sie im Schlaf erzählte. Man muss sie so lesen, wie man Minztee trinkt, in winzigen Schlucken, damit ihr Aroma sich voll entfalten kann, und damit man sich nicht die Zunge verbrennt.

Einer anderen Lesart zufolge hätte sie einer in einem weißen Buch entdeckt. Weiß die Seiten, eine wie die andere. Wohl versuchte er sie zu lesen, doch gelang ihm das nicht. Nicht, dass nicht genügend Licht da war, es gelang ihm einfach nicht. Er ließ seinen Blick über die Seiten schweifen: weiß die Schrift, weiß die Seiten, weiß der Einband, sorgsam mit weißem Faden geheftet. Hätte es in diesen Breiten Schnee gegeben, man hätte an Flocken gedacht, vom Himmel gefallen, kleine Tanzschritte nach der Windmusik. Hätte man ihn in jenem Moment gefragt, er hätte erklärt, das Buch, das er in Händen hielt, sei leer. Doch hätte man ihn, Taschfin, danach gefragt, so hätte der erklärt, es sei doch einfach weiß.

Die Hauptperson, soviel wäre nun klar, heißt also Taschfin. Er ist nicht wirklich der Held der Geschichte, doch er bringt sie voran. Er musste das ganze Land durchqueren, um in diese Kammer zu gelangen, wo er seine Zeit damit zubringt, in tiefer Dunkelheit zu lesen und zu schreiben. Mit weißer Tinte. Genau der, die er zum Schreiben gewählt hat, der und keiner anderen. Und der Schwung seiner Tintenlinien verdankt nichts dem Zufall. Mit etwas Glück erfährt man noch vor Ausgang der Geschichte, warum.

Auch eine Frau kommt darin vor, mit langem Haar und einem Namen wie ein Duft, welche bei Nacht ihre seidenen Strähnen bürstet, damit die Dunkelheit sie durchdringt. Bei Tag lebt sie hinter einem Schleier aus Farbe, der ist ihr Gesicht. Man erahnt sie allenfalls, wie sie durchs Fenster blickt, aber man sieht sie nicht. Sie ist leicht und zerbrechlich, zärtlich und sanft und, man wird es bald sehen, noch vieles mehr. Alles und jedes könnte sie verletzen, sogar ein Blick. Man wird verstehen, dass sie noch nie die Welt gesehen hat, höchstens einmal in den Augen dessen, der sie für sie durchquert hat.

Und ein Haus kommt in dieser Geschichte vor, ein großes Haus, und mittendrin ein merkwürdiger Baum, der am Ende eines natürlichen Todes stirbt. Er wechselt beständig seine Farbe und trägt nie dieselben Früchte. Freitags verfärbt er sich weiß – und schwarz, wenn sich ein Fremder nähert. Wenn aber ein Fremder an einem Freitag auftaucht, so verfärbt er sich naturgemäß grau. Und wenn man ihm nicht von Zeit zu Zeit ein Liedchen singt, so verliert der Baum sein Laub. Man sagt, er sei alt und krank, damit sich niemandes Hand allzu weit in sein Geäst vorwagt. Die Sterne, die über ihn wachen, wissen alle, dass in Wahrheit er über diese Stätte wacht. Und wenn man genauer hinsieht, entdeckt man zwischen den Zweigen, hoch oben und stumm, einen kleinen Vogel. Immer denselben, der auf zierlichen Füßen wippt und nicht bis zur Morgendämmerung wartet, um zu tanzen. Auch er hat eine Geschichte, die wohl komisch, aber nicht zum Lachen ist.

Doch das ist längst nicht alles. Da ist auch noch ein Greis, der niemals stirbt, nicht einmal am Ende, als ihm die Worte ausgehen. Man merkt an seiner Sprache, dass er einer anderen Epoche entstammt. Welcher Epoche, das tut nichts zur Sache. Nur eines ist gewiss: Das Leben klammert sich an ihn, wie andere sich ans Leben klammern. Im Haus stellt sich kein Mensch mehr die Frage, wer wohl als Erster zu Fall kommen wird, er oder der Baum. Dem ist nun fast nichts mehr hinzuzufügen, außer dass niemand den Titel dieser Geschichte kennt. Nennen wir sie fürs Erste »Nomade« – die Geschichte vom Nomaden.

Nomade

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