Читать книгу I#mNotAWitch - Yuna Stern - Страница 5

Kapitel 3

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Ich wachte in einem Nebenzimmer auf, aufgeschreckt durch Jacks laute Stimme, die aus dem Flur zu mir hereindrang. Er diskutierte mit Francis und Felicia darüber, dass sie mir ohne meine Einwilligung Medikamente verabreicht hatten.

Sie stritten das selbstverständlich ab.

Mit klarerem Kopf richtete ich mich auf, schlich zur Tür und lugte hinaus. Dort draußen stand er, mit fuchtelnden Armen und Flüchen auf den Lippen, die ich so nie bei ihm erwartet hätte. Sein Beschützerinstinkt machte ihn mal wieder zu meinem Verteidiger, ohne dass ich ihn darum gebeten hatte.

»Hör auf«, rief ich.

Er stockte und drehte sich zu mir um.

Hinter seinem Rücken trat Felicia hervor und marschierte auf mich zu. Mit in den Hüften gestemmten Händen blieb sie vor mir stehen. »Ich hoffe, dass es dir besser geht, Quinn.« Ihre Stimme klang kalt. Mit ihrem intensiven Blick fixierte sie mich, betrachtete mich von Kopf bis Fuß.

»Ja«, sagte ich. »Vielleicht.«

»Aus dem Weg.« Jack schob Felicias abgezehrten Körper mit der Hand zur Seite, drängte sich an ihr vorbei und kam zu mir ins Zimmer. Bevor er die Tür zuschlug, fauchte er den Vampirärzten zu: »Ihr bleibt draußen.«

Hier drinnen war es hell und sauber, im Gegensatz zu den restlichen Zimmern, die wir bisher in der Hospizanlage gesehen hatten. Ein Hochbett stand an der Wand, die Bettlaken darauf wirkten frisch bezogen. Auf der anderen Seite hing ein Bild, was Corks historische Gebäude in der Nacht darstellte. Es war nur in Blautönen gehalten, schien mit Aquarell gemalt worden zu sein. An der Decke hing eine Leuchtstoffröhre, die surrte. Einige Minuten lang war dies das einzige Geräusch im Zimmer.

Jack schlang seine Arme um mich, hielt mich so fest er konnte, ohne irgendwelche Worte über die letzten Stunden zu verlieren.

Ich ließ ihn gewähren, platzierte meine linke Wange auf seiner Schulter.

Ich lauschte auf die Schritte von Francis und Felicia, die sich allmählich entfernten. Nur ihr Wispern konnte ich hören, die ausgesprochenen Worte jedoch nicht näher identifizieren. Waren sie wütend?

Irgendwann, ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, löste Jack sich von mir, strich mir über den Haaransatz und murmelte: »Verdammt, Quinn. Du hattest von Anfang an recht. Das sind ... Spinner. Ich glaube nicht, dass sie dir helfen können.« Er trat zurück mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck.

»Du brauchst dir nicht so viele Sorgen zu machen«, begann ich leise, »wirklich, Jack. Du wirst mich nicht ewig beschützen können.« Ich musste es schließlich selbst lernen, wie ich mich verteidigen konnte.

Er stöhnte, wandte seinen Blick von mir ab. »Ich habe alles gehört«, sagte er und rieb sich über die Stirn, »was du über ihn erzählt hast.« Fassungslos schüttelte er den Kopf. »Quinn, nach alldem, was er dir angetan hat. Wie kannst du nur?«

Schuldbewusst zuckte ich zusammen. Öffnete den Mund, um zu antworten. Doch keinerlei Worte gelangten über meine Lippen. Ich zögerte, bevor ich zugab: »Ich kann es dir nicht erklären. Er ist einfach irgendwie ... immer noch da. Ich merke es hier.« Ich zeigte auf mein Herz. »Verstehst du das?« Gleichzeitig dachte ich nur: Was für ein romantischer Unsinn. Warum verletze ich ihn immer wieder?

»Nein. Nein, Quinn. Das tue ich nicht.«

Ich konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen, senkte den Blick. Schämte mich so unendlich. Jack wirkte: Getroffen, wie von einem Pfeil. Mit schmerzverzerrter Miene huschte er vor mir davon, so als ob ich gefährlich war. Blieb vor einer Kommode stehen, die mit einem Schloss versehen war, drehte sein Gesicht weg. Verbarg seine Emotionen vor mir, leider nicht geschickt.

»Es tut mir leid«, sagte ich zum gefühlt hundertsten Mal. »Ich wünschte, es wäre anders.«

Vermutlich hatte ich diese Worte zu oft gesagt, denn sie schmeckten bitter, abgestanden. »Doch dagegen kann ich nichts tun, dass Aiden ...«

Jäh unterbrach er mich: »Bitte, sag seinen Namen nicht mehr ...« Und dann schlug Jack die Hände über dem Kopf zusammen und sank auf den Fliesenboden, mit dem Rücken zu mir. So als ob er sich nicht länger aufrecht halten konnte. »Er hat es schon immer gewusst«, raunte er, »von Anfang an, da hat er es mir angedroht, Quinn. Dass du irgendwann zu ihm zurückkehren wirst, weil er anders ist, nicht ... schwach ist. So hat er es ausgedrückt. Er hat es mit solcher Sicherheit gesagt, dass ich ihn ausgelacht habe. Wie dumm von mir.«

Ich eilte zu ihm und fiel ebenfalls auf die Knie. Hob mit meiner Hand sein Kinn an, damit er mich direkt ansah. Eindringlich sagte ich ihm: »Du bist nicht schwach, Jack. Er hat gelogen. Ich ... ich verdiene dich überhaupt nicht. Noch nicht einmal als Freund, du bist so wertvoll.« Ich tröstete ihn mit einfallslosen Worten, die er sowieso nicht mehr hörte. Er war irgendwo anders, nicht präsent, starrte mich mit leeren Augen an, die mir vorkamen wie: Mit Regentropfen beschlagene Scheiben.

»Du wirst ihn nie vergessen«, sprach er mit gebrochener Stimme und stieß mich sanft weg. Das schien die Erkenntnis zu sein, die ihn von mir forttrieb, denn im nächsten Moment stand er ruckartig auf und wanderte zur Tür.

Dort blieb er noch einmal stehen und drehte sich zu mir um, ohne mich wirklich anzusehen. Er schien noch etwas sagen zu wollen. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, er überlegte es sich offenbar anders und verließ das Zimmer mit seinen letzten unausgesprochenen Worten noch in der Luft. Greifbar.

Ich blickte ihm hinterher und hasste mich dafür, dass ich alles zwischen uns zerstört hatte. Innerhalb weniger Minuten. Gab es überhaupt noch ein: uns?

Ich konnte nicht alleine bleiben, die Stille, wie sie mich mit einem Mal überfiel, ließ mich ungeduldig von einer Seite des Zimmers zur anderen wandern. Bis ich mich irgendwann dazu entschloss, einen Blick auf Cork zu werfen. Ja, ich wusste, dass das gefährlich war. Aber ich wollte nicht mehr eingesperrt sein. Mit meinen Gedanken und Jacks Enttäuschung, die innerhalb dieser vier Wände noch immer spürbar nachhallte.

Vermutlich war es keine gute Idee von mir: Doch ich öffnete das Fenster, montierte die Bretter ab, die eine Sicht nach draußen unmöglich machten.

All das, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, um einen Streit zwischen Jack und mir zu verhindern. Nach meiner Rückkehr wollte ich in Ruhe mit ihm reden. Ihn erneut um Entschuldigung bitten.

In diesem Moment jedoch wollte ich unbedingt nach draußen. Hinaus. Ich streckte den Kopf durch das Fenster, betrachtete die Umgebung.

Regenwolken hatten sich über Corks Himmel zusammengebraut. Es war kurz vor Sonnenaufgang, doch das störte mich nicht. Es versprach, ein düsterer Tag zu werden, da konnte ich mich in den Schatten verbergen.

Sobald ich mit einem sicheren Sprung auf dem Hof gelandet war, atmete ich erleichtert auf. Ich durchquerte den Hinterhof der Hospizanlage, kletterte über den Maschendrahtzaun. Zum ersten Mal seit meiner Verwandlung war ich alleine, ohne Jack, unterwegs.

Auf dem Bürgersteig sah ich noch einmal zurück, nur flüchtig, um mich nicht im letzten Moment anders zu entscheiden.

Und dann ging es los.

Wie im Rausch flog ich durch die Straßen, während mir die Regentropfen die Sicht benebelten. An Autos vorbei, deren Fahrer mich vermutlich für ein wildgewordenes Reh oder eine Illusion ihrer morgendlichen Müdigkeit hielten.

Ich kostete meine Kräfte aus, sprang auf Dächer, raste durch Vorgärten, erklomm Hochhäuser, wie eine Spinne, die ihr Netz durch die gesamte Stadt fädelte. Ich war so unvorsichtig, dass ich mir Jacks Predigt schon Wort für Wort ausmalen konnte. Sie beinhaltete die Worte: Falsch. Nicht richtig. Fehler. Und so weiter und so fort.

Doch gegen einen selbstständigen Ausflug von mir konnte selbst er nichts haben. Ach, was spielte ich mir vor ...

Einzig die Müdigkeit und der Durst, meine Blutarmut sozusagen, brachte mich irgendwann dazu: Anzuhalten.

Direkt vor einem irischen Pub, der »The Circle« hieß.

Davor tummelte sich eine Gruppe junger Leute, die sich gerade voneinander verabschiedeten. Sie bemerkten mich nicht, winkten einander zu, umarmten sich gegenseitig und riefen: »Bis dann.« Auf ihren Fahrrädern fuhren sie nacheinander davon.

Nur ein Junge blieb zurück, dessen Haare ungekämmt waren, mit einem Kaugummi im Mund und offensichtlich schmerzenden Schläfen, die er mit den Fingern massierte.

Sein Herz pochte so rasant, wie ein Kolibri, der mit den Flügeln schlug. Und er wirkte so ... unschuldig.

Als er mich bemerkte, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem schüchternen Lächeln. Auf seiner Wange bildete sich ein Grübchen. Er wirkte ausgesprochen süß, ja, das Wort war wie für ihn geschaffen. Ich vermutete, dass er noch bei seinen Eltern wohnte. Und vielleicht gerade mit dem Studium begonnen hatte. Was wohl seine Fächer waren? Kunst? Philosophie?

Er grüßte mich mit einem knappen: »Hi.«

Sollte ich umkehren?

Ob es mein Jagdtrieb war, der mich so zu ihm führte? Meine Bedürfnisse ließen sich nicht länger unterdrücken. »Hi.«

In seinen blauen Augen leuchtete die Aufregung. Er schien von meinem Anblick fasziniert zu sein. Auch das war wohl meinen Kräften geschuldet. Ich fragte mich, was er sah? Eine jüngere Frau, mit leichenblasser Haut und feurigen Haaren, die sich zu einer Zeit an ihn drängte, in der seine Stadt noch schlief? Es schien ihm jedenfalls zu gefallen, dass ich mich zu ihm gesellt hatte.

»Ich heiße ...«

Ich unterbrach ihn schnell. Seinen Namen wollte ich nicht wissen. Sonst traute ich mich nicht, ihm ein wenig Blut abzuzapfen. »Du heißt ... Liam«, schlug ich vor. Dass meine Stimme dabei verführerisch klang, war nicht meine Absicht.

Er runzelte die Stirn und wirkte im ersten Moment verwirrt. Dann schien er zu begreifen. »Oh.« Die Verblüffung dauerte nicht lange. Er grinste und nickte. »Meinetwegen.« Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: »Und du bist ... Rose?«

»Ganz genau.« Ich tanzte auf ihn zu. Von meinem Durst dazu verleitet, griff ich nach seiner warmen Hand und führte sie an meine Wange.

Vermutlich würde ich all das aufgenommene Blut wieder ausspeien, doch ich wollte die Erfahrung machen, meine Grenzen austesten. Und selbst wenn es wie Gift auf mich wirkte, so konnte ich mich in der Gegenwart des Jungen nicht länger kontrollieren.

»Möchtest du etwas trinken?«

Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich dachte: ja.

Ich dirigierte ihn in eine Seitengasse, direkt neben dem Pub, wo wir unter einem Vordach aus Holz Schutz vor dem Regen suchten. Daneben standen die Mülltonnen, die zur Gaststätte gehörten. Dem falschen Liam schien das nicht so angenehm zu sein. Er drehte sich mehrfach um, als ob er irgendetwas befürchtete, fragte mich leise: »Wirklich? Hier?«

Ich zuckte mit den Schultern. Hier würden keine Passanten vorbeikommen. Es war der perfekte Ort für einige Sekunden Zweisamkeit.

»Okay.« Mit entschlossener Miene, so als ob er sich selbst im Stillen Mut zugesprochen hatte, packte er meine Taille und hob mich hoch, drückte mich gegen die unverputzte Ziegelwand. Er schmiegte sich an mich, kam mit seinem Gesicht so nah heran, dass der Minzgeruch des Kaugummis den Gestank des Alkohols kaum noch übertünchte.

Wie musste ich weitermachen? Sollte ich ihn gewähren lassen? Oder direkt einen Biss in seinen Nacken wagen? Plötzlich fühlte ich mich wie ein unbedarftes Schulmädchen, das seine Unsicherheit zu überspielen versuchte.

Sobald ich seine Lippen spürte, so weich, als ob er sie regelmäßig mit Honig bestrich, war ich wie elektrisiert. Sein Kuss dauerte länger, als ich es geplant hatte. Ich ließ mich treiben, bis seine Hände zu meiner Hose wanderten. Da fiel es mir wieder ein. Mein hastig in den letzten Minuten zurechtgelegter Plan.

Ich musste ihn, so hatte ich durch Jacks Erzählungen gelernt, in dem Moment tiefster Ekstase erwischen. Damit sein fiebriges Verlangen ihn dazu veranlasste, nicht vor mir zu flüchten, wenn ich ihm meine wahre Gestalt offenbarte. Letztendlich ging es nur darum, ihn von mir abhängig zu machen, so dass er sich nach mehr Stunden mit mir verzehrte, danach wortwörtlich bettelte.

Auch wenn ich nicht vorhatte, ihn zu meinem persönlichen Blutlieferanten zu formen, so schoss mir dieser Gedanke kurz durch den Kopf. Doch natürlich musste das hier eine einmalige Sache bleiben, da ich seinen Lebenssaft ja nicht vertrug.

Er keuchte, knöpfte mir mit zittrigen Händen die Bluse auf, brauchte mehrere Anläufe, bis er es geschafft hatte. Teilweise wirkte er wirklich überfordert, so als ob er nicht genügend Erfahrung besaß. Wie auch ich, dachte ich.

Ich beugte mich über seine Schulter, mit meinem Mund streifte ich testweise seinen Nacken, suchte nach einer besonders passenden Stelle, wo es ihm hoffentlich nicht allzu wehtat. Er stöhnte, als ich ihn dort liebkoste. Seine Kräfte gaben nach. Er ließ mich auf den Backsteinboden sinken, interessierte sich nicht für den Regenschauer, der uns trotz unserer überdachten Ecke erreichte, fuhr sich durch die klatschnassen kurzgeschnittenen Haare, lächelte mit hellglänzenden Augen, in denen ich glaubte, ganz kurz mein Spiegelbild zu erkennen.

»Du bist so ... surreal«, flüsterte er.

Ich schlang meine Arme um seinen Nacken und zerrte ihn zu mir. Jetzt musste ich es tun. Es war der perfekte Moment: Seine Haut schmeckte nach Männerparfüm, ich tauchte meine Fangzähne darin ein, spürte wie das Hämmern seines Herzens unter meinen Fingerspitzen schneller wurde. Er verharrte einen Moment lang, so als ob er noch nicht verstand, was vor sich ging. Sobald sein Blut strömte, nahm ich einen langen, gierigen Schluck, sog es ein, obwohl der Geschmack abscheulich war, bis sein Körper sich entkrampfte.

Was ich tat, schien ihm Lust zu bereiten, denn er ließ sich davon nicht beirren. Im Gegenteil, seine Bewegungen wurden fahriger, seine Berührungen wurden fordernder.

Doch sobald mein Durst gestillt war, schob ich ihn sanft von mir.

Ich sah ihm an, dass es ihm anders ging, ungläubig blinzelte er mich an, flüsterte: »Bitte.«

»Vielleicht irgendwann anders«, log ich. Oder nie.

»Wann?« Seine Hände umfassten mein Gesicht. Er gab mir einen leidenschaftlichen Kuss, den ich ihm nicht verwehren konnte. »Ich brauche ...«, sagte er. Das Dich verflog mit dem Wind.

Ich antwortete ihm nicht und löste seine Finger vorsichtig, ließ ihn los.

»Ich muss gehen«, erklärte ich.

Er nickte und senkte den Kopf, wirkte so verwundet wie eine Möwe, auf die mitten im Flug geschossen worden war. Um ihn zu trösten, dafür hatte ich keine Zeit mehr. Sonst würden mich meine Schuldgefühle sicherlich wieder einholen.

Als ich mit zugeknöpfter Kleidung und zusammengebundenen Haaren aus der Seitengasse treten wollte, hielt er mich noch einmal auf. »Warte, bitte. Ich will dir noch sagen, wie ich wirklich heiße. Mein Name ist ...«

Ich hörte ihn nicht mehr und rannte davon.

Was hatte ich getan? All meine, so wie es Felicia ausgedrückt hatte, Moralvorstellungen über den Haufen geworfen. Ohne Begleitung losgezogen. Mit einem Fremden in der Seitengasse eines Pubs herumgemacht. Sein Blut(!!!) getrunken. Ich hoffte, dass Liam, nein, der Junge, mich wieder vergaß. Oder sich einbildete, dass er zu viel getrunken hatte.

Eine von Jacks Standpauken ... die hatte ich heute wahrlich verdient.

Als ich an einer Weggabelung vorbeikam, fiel mir ein Straßenschild auf: Victoria Street. Lebte dort nicht diese Hexe Murdock, von der Francis erzählt hatte?

Neugierde durchströmte meinen Körper. Also beschloss ich, einen Umweg zu nehmen.

Ich bremste meine Geschwindigkeit und passte sie den Fußgängern an. An den Autos wanderte ich vorbei, in denen die Fahrer darauf warteten, dass die Ampel für sie wieder auf Grün schaltete. Nachdem ich die Hauptstraße überquert hatte, hörte ich, wie mir der Schäferhund einer Passantin hinterherbellte. Er zerrte wohl an der Leine, denn ich hörte, wie sie ihn verärgert zurechtwies. Spürte er etwa, dass ich anders war?

Auf dem Bürgersteig blieb ich einen Moment lang stehen, ließ meinen Blick über die Läden wandern.

Der Kiosk, von dem Francis gesprochen hatte, fiel überhaupt nicht auf, wirkte wie ein schattiger Fleck im Straßengebilde. Einzig das braun lackierte Aushängeschild aus Schmiedeeisen, was an der Mauerwand befestigt war, wies auf den Laden hin. Ich steuerte direkt darauf zu. Auf der Fußmatte vor dem Eingang stand in geschnörkelter Schrift: »Welcome«.

Sobald ich eintrat, klingelte ein Glöckchen, das an einem Faden am Türrahmen befestigt war.

Der Ladenbesitzer schien indischer Herkunft zu sein. Um seinen Kopf hatte er einen Turban gebunden, so stramm, dass seine Wangen dadurch aufgeplustert wirkten. Er grüßte mich mit einem höflichen: »Guten Morgen.« Und widmete sich wieder den Räucherstäbchen, die er gerade anzündete.

»Murdock?«, fragte ich, da ich annahm, dass er seine Nachbarin kannte.

Er nickte und zeigte mit dem Ringfinger zur Decke. »Durch die Hintertür«, erklärte er mir, »die Treppe hinauf, erster Stock, da ist ihre Wohnung.«

Ich bedankte mich für die Auskunft, hastete die Regale entlang, die mit exotischen Lebensmitteln vollbepackt waren. Durch die Hintertür gelangte ich zu einer Treppe, die ins erste Stock führte.

Oben im Flur schob ich einen Kinderwagen beiseite, der den Weg versperrte. Darin häuften sich leere Plastiktüten und zerknüllte Taschentücher. Vor einem Fenster lagen drei verrostete Fahrräder, deren Körbe ebenso mit Müll gefüllt waren.

Ich las mir die Klingelschilder aufmerksam durch, verharrte vor der dritten Tür links. Da war ihr Name, verblasst auf dem Papier, wohl vor langer Zeit mit einem tintenblauen Füller ausgefüllt. Auf dem Steinboden davor befand sich eine vertrocknete Dattelpalme, an ihren Blättern hingen Spinnfäden.

Ich hob die Hand, um zu klingeln. Und zögerte. Was würde sie sagen, wenn sie mich sah? Ich war schließlich keine Hexe mehr. Viel schlimmer: Jetzt gehörte ich gewissermaßen ihren Feinden an.

Doch bevor ich mich umentscheiden konnte, öffnete sich die Tür wie von selbst. Langsam und verzagt streckte die Hexe ihren Kopf heraus und musterte mich erst einmal. Dann rief sie: »Na, beiß mich der Teufel, wenn das nicht eine Donovan ist.«

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