Читать книгу I#mNotAWitch - Yuna Stern - Страница 7
Kapitel 5
ОглавлениеEin Anblick der Zerstörung lieferte sich mir, sobald ich die Eingangstür aufgestoßen hatte. Durch das Foyer eilte ich zur Treppe, nahm mehrere Stufen auf einmal, bis ich ihn erreichte. Ihn, der wie eine leblose Statue auf dem Fliesenboden im Flur hockte, mit blutverschmiertem Gesicht gegen die Wand lehnte, sich nicht bewegte.
»Jack.« Mehr brachte ich im ersten Moment nicht über die Lippen, so geschockt war ich.
Mit seiner linken Hand umklammerte er einen der Pflöcke, die wir sicherheitshalber in unserem Koffer mitgebracht hatten. Mit der Hoffnung: Sie nicht zu benötigen. Jetzt war alles anders, ich nahm ihm die Waffe ab, steckte sie in meine Hosentasche. Er zuckte dabei zusammen. Seine Fingerknöchel waren gebrochen, wie ich an der grau angelaufenen Haut erkennen konnte, die wie Stein aussah.
»Was ist passiert?«, flüsterte ich und beugte mich über seinen Körper. Er atmete noch schwach, seine Lider flatterten. »Was haben sie dir angetan?«
Beim Klang meiner Stimme schien ihm jegliche Anspannung abzufallen, er rutschte die Wand entlang, konnte sich nicht mehr aufrecht halten. Und mir offenbar nicht richtig antworten, denn er hauchte nur: »Du lebst.«
Ja, natürlich lebte ich noch! Hatte er etwa befürchtet, dass sie mich ebenfalls angegriffen hatten? Ich strich ihm über die Wange, die eiskalt war. Unterdrückte meine Tränen, die seit meiner Verwandlung sowieso nicht mehr existent waren. Er schien meine Traurigkeit zu spüren, denn er öffnete die Augen. Blutige Flächen unterhalb seiner Bindehaut benebelten anscheinend seinen Blick. Dennoch lächelte er mich flüchtig an, nahm mich wahr, betrachtete mich mit solch einer Intensität, dass ich selbst wegschauen musste, um nicht aufzuschreien, weil sie ihm so wehgetan hatten. Einige Sekunden lang sagte er gar nichts, bis er bat: »Geh.« Nur damit ich mich in Sicherheit brachte?
»Es wird dir wieder besser gehen«, versprach ich, obwohl ich mir nicht sicher war, da ich nicht wusste, was seinen Zustand hervorgerufen hatte. Was war nur vorgefallen?
Sein Blick löste sich von mir, bewusstlos sackte er nach hinten. Ich zog meine regennasse Jacke aus, legte sie ihm wie ein Kissen unter den Kopf. Gab ihm einen hastigen Kuss auf die Stirn, verdrängte den aufkeimenden Gedanken in mir, dass das der letzte Kuss war, den ich mit ihm teilte. Das war nicht unser letztes Gespräch gewesen. Er musste es schaffen.
Dann stand ich auf mit wackeligen Beinen, spürte meine eigene Hilflosigkeit. Rief dennoch so laut ich konnte: »Wo seid ihr?«
Ich marschierte durch den Flur, trat die Tür zum Untersuchungszimmer auf, doch dort regte sich niemand. Auch im Raum daneben befanden sich nur eine Gefriertruhe sowie Regale mit Pappkartons. In der Ecke türmte sich der Müll auf: Leere Whiskeyflaschen, Scherben, Papiertaschentücher und Zeitschriften aus dem vergangenen Jahrhundert.
Nachdem ich die letzte Tür aufgerissen hatte, die zum Zimmer mit den Hochbetten führte, erstarrte ich. Aus diesem Raum war ich vor einigen Stunden geflohen, hier hatte ich mich mit Jack unterhalten und ihn im Anschluss daran im Stich gelassen. Jetzt bekam ich die Abrechnung dafür. Wütend auf mich selbst schlug ich mit meiner Hand gegen den Türrahmen, Schutt bröckelte auf mich nieder.
Aus meiner Hosentasche zog ich den Pflock, den ich Jack abgenommen hatte, krallte mich daran fest zur Beruhigung. Trat rückwärts aus der Tür, bog in den angrenzenden Gang ein, in dem kein Licht brannte. Dort führte eine Treppe in den nächsten Stock. Ob sie sich dort aufhielten? Und wer waren sie überhaupt? Was hatten sie mit den O'Donoghues angestellt? So viele Fragen prasselten auf mich ein. Doch letztendlich war all das überhaupt nicht wichtig, außer dass ich sie bekämpfen musste: Für Jack. Ich schlich die Stufen hinauf, auch wenn mich die Vampire wahrscheinlich längst gehört hatten.
»Ich fürchte mich nicht vor euch«, flüsterte ich, nur um mir selbst ein Gefühl von Sicherheit zu verschaffen. Ob das stimmte? Wohl eher nicht.
Auf der Türschwelle blieb ich stehen, umklammerte den Pflock noch etwas fester, bevor ich eintrat in die leergeräumte Dachkammer. Am hinteren Ende des Raums befand sich ein Käfig mit Gitterstäben aus Silber, darin kauerte jemand, der mir bekannt vorkam. Das war doch ... einer der Brüder von der Ärztefamilie? Der mit dem Kotelettenbart, den er sich vermutlich im Laufe der Jahre abrasiert hatte. In einem aufgeknöpften Hemd, der seinen Oberkörper offenbarte, saß er im Schneidersitz in dem Käfig. Mit geschlossenen Augen, so als ob er meditierte. An seinem Arm hing eine Nadel, die zu einem Infusionsschlauch führte, der an einem Beutel mit rötlicher Flüssigkeit angebracht war. Sobald er mich bemerkte, zuckte - Finley, so hatte ihn Jack zuvor genannt, richtig? - er zusammen. »Hinter dir«, warnte er mich mit heiserer Stimme rechtzeitig.
Ich wirbelte herum, aus der Dunkelheit trat Francis ... nein, so hieß er gar nicht, dachte ich ... der Vampir und griff mich mit solcher Schnelligkeit an, dass ich nicht mehr zurückweichen konnte. Er traf mich auf meinem Brustkorb, stieß mich davon, sodass ich gegen die Wand krachte. Ein Schmerzenslaut entwich meiner Kehle.
Doch der Gedanke an Jack, dem dieser Widerling irgendetwas angetan hatte, gab mir Kraft. Was nur? Ich musste ihm doch irgendwie helfen können.
»Wer bist du?«, fauchte ich, sobald ich mich wieder aufgerichtet hatte.
Er zog die Augenbrauen hoch und grinste. »Ah, da begreift ja jemand sehr schnell.«
»Spar dir dein Getue.« Ich nahm Anlauf, sprang auf und rammte ihm mein Knie ins Gesicht. Er taumelte zurück, wirkte jedoch unbeeindruckt, denn er lachte noch immer. »Was ist mit Jack?«
»Frag doch den Typen da hinten«, grunzte er. »Trixie hat einfach die Beutel benutzt, die seine Spinnerfamilie im Gefrierfach aufbewahrt hat. Darauf stand: Tödliches Gift konzipiert für Vampire.« Er legte den Kopf schief. »Hat sie dir auch in die Blutkonserve gemischt, wieso stehst du eigentlich noch hier?« Dann gab er ein weiteres wieherndes Lachen von sich. »Und dein Kollege, der hat sich das Zeug reingezogen, weil er gehofft hat, dass sie ihm das Blutersatzzeugs oder so spendiert. Sooo dumm von ihm. Die O'Donoghues haben jedenfalls interessante Sachen kreiert. Teilweise sogar Rauschmittel, die uns Trips ermöglichen, so wie LSD. Hammerhart, glaub mir.«
»Darum ging es uns nicht«, hörte ich die verzweifelte Stimme von Finley O'Donoghue aus dem Käfig. »Es ging um die Wissenschaft.«
»Klar doch.« Der Vampir tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe, als ob er ihn für verrückt hielt.
Was hatte er gesagt? Tödliches Gift hatte seine Freundin Jack verabreicht? Das konnte nicht sein. Irgendeinen Ausweg musste es doch geben.
Als er gerade weiterprahlen wollte und nicht aufpasste, stürzte ich mich auf ihn und riss ihn zu Boden. Dort prügelte ich mit meinen Fäusten auf ihn ein, bis sich tatsächlich eine Schramme auf seiner Wange bildete. Er warf mich von sich, fluchte. »Weißt du, Teufelsmädchen, meine Verletzung wird wieder heilen! Dein Kumpel hingegen ... der wird es nicht mehr schaffen.«
Erneut prallte ich mit voller Absicht gegen ihn, diesmal knackten seine Rippen. »WER BIST DU?«, brüllte ich.
Er hatte mich Teufelsmädchen genannt. Also musste er meine Vergangenheit kennen. Es war nicht nur Zufall, dass ich hier auf ihn stieß. Es war von Anfang an geplant gewesen. Wer steckte dahinter?
Der Vampir krümmte sich und schoss mit schmerzverzerrter Miene davon, in die andere Ecke, in der sich eine Stehlampe mit einer zerbrochenen Glühbirne befand. »Du bist nicht stärker als ich«, meinte er mit leicht gekränktem Unterton. »Ich verhalte mich nur wie ein Gentleman. Trixie kann dich erledigen, wenn sie will.«
»Trixie ist tot«, log ich plötzlich. »Ich bin ihr begegnet, vorhin. Es ist ganz schnell gegangen.«
»Was?!« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht möglich. Als sie nach dem Gespräch mit Jack gemerkt hat, dass du fort bist, ist sie dir hinterher gejagt, um dich zu finden. Sie ist viel zu geübt, als dass du Frischling sie ...« Er kaute auf seiner Unterlippe herum. Schien sich nicht mehr ganz so sicher zu sein.
»Also«, meinte ich, »sag mir, wer du bist und wer dich geschickt hat. Sofort.« Ich zeigte auf den Pflock in meiner Hand. »Sonst wird dich dasselbe Schicksal ereilen wie Trixie.«
»Nein«, murmelte er, »nein. Sie ist meine ...«
»Geliebte gewesen?«, ergänzte ich mit einem gespielten Lächeln. »Das hab ich gemerkt.«
Statt ihn zum Aufgeben zu bewegen, provozierte ich ihn dadurch noch mehr. »Nimm ihren Namen nicht in deinen dreckigen Hexenmund«, bellte er und preschte in meine Richtung. Mit seinen Fingernägeln erwischte er mich an dem Augenlid. Ich riss meinen Kopf zur Seite, boxte ihn zurück in seinen Magen, woraufhin er gegen den Käfig von Finley knallte. Das Schloss fiel ab, doch der Gefangene bewegte sich nicht von der Stelle.
»Hau ab«, schrie ich ihm zu. Doch er ignorierte mich und blickte stattdessen auf den Vampir, der ihm zu Füßen lag. Der sprang zurück auf die Beine, mit schief gewordener Nase, die er sich an den Gitterstäben aufgestoßen hatte.
»Er bewegt sich nicht, weil er süchtig ist«, erklärte er mir. »Siehst du diese Flüssigkeit, die in seinen Körper läuft? Das braucht er, sonst dreht er durch. Du denkst ... wir haben ihm das angetan? Weit gefehlt. Seine eigene Schwester hat ihn dort eingesperrt, weil sie seine Abhängigkeit für zu riskant hielt. Mit dem Stoff ... damit haben wir ihn versorgt. Und dafür hat er uns nicht verraten, als ihr auf unserer Türschwelle aufgetaucht seid.«
»Das interessiert mich alles nicht«, zischte ich. »Sag mir einfach endlich, was du hier verloren hast.«
»Du weißt es noch nicht, was?«
Ich runzelte die Stirn. »Was?«
Er richtete sich seine Nase, die gräulich angelaufen war. Dann verschränkte er die Arme und lehnte sich zurück. Mit dem Hinterkopf stieß er gegen die schräge Decke. »Es hat alles angefangen, nachdem du dich verwandelt hast, Quinn Donovan.«
Hinter seinem Rücken riss sich Finley die Nadel aus dem Arm, legte seinen Zeigefinger an die Lippen, damit ich nichts sagte. Wollte er mir etwa helfen?
»Du bist weit weggezogen, hast nicht mehr mitbekommen, wie unser Herr deine Familie malträtiert hat. Und sich neue Diener gesucht hat, denen er Versprechungen gemacht hat.« Er stockte und zog sich eine Zigarre aus der Hosentasche, deren Oberfläche er zärtlich mit seinen Fingern berührte. »Sein Ziel ist es, dich zu bestrafen. Alles auszulöschen, was du liebst. Deine gesamte Rasse. Deine Verwandten. Deine Freunde. Und sämtliche Vampire noch dazu.«
»Vampire?« Er kämpfte gegen seine eigene Spezies? Wie krank war das denn bitte schön?
»Lucien ...«, bei der Erwähnung seines Namens formte er seine Hände zu einem Dreieck, »hat uns versprochen, einer Reihe von uns den ewigen Tod zu ersparen. Und uns zu Königen der Welt zu machen. Im nächsten Jahr werden wir die Menschen beherrschen. Und sie werden unsere Sklaven sein, diese Nichtsnutze.« Er verstellte seine Stimme, ließ sie tiefer klingen, als hätte er Halsschmerzen. »Zach, hat er zu mir gesagt. Ich werde dir die Krone überreichen. Und Trixie als deine Königin einsetzen.« Die Erinnerung an diese Worte schmerzte ihn offensichtlich, denn er schluchzte. »Und du«, sein irrer Blick wanderte zu mir, »hast alles kaputt gemacht.«
Bevor er sich auf mich stürzen konnte, warf sich Finley von hinten auf ihn. Doch er war zu schwach. Der Vampir, dessen Namen ich nun erfahren hatte, Zach, schüttelte ihn von sich und trat ihm in die Eingeweide. Er fiel rücklings auf den Boden, heulte vor Schmerz.
Ich spannte meinen Körper an, wappnete mich vor seinem nächsten Angriff, der mich jedoch letztendlich viel heftiger traf, als ich es erwartet hatte. Er schleuderte mich durch die Hinterwand des Gebäudes, das Mauerwerk zerbarst durch die Wucht, sodass ich auf dem Hof landete. Auf dem taufeuchten Gras.
Wie ein Vogel folgte er mir durch die Luft, landete neben mir. In seinen Augen funkelte der pure Hass. Er war bereit, alles zu tun, um den möglichen Tod seiner Geliebten zu vergelten.
Ich wollte aufspringen, doch er hinderte mich daran. Presste meine Schultern gegen den Erdboden. Drückte mir mit seinem Arm gegen die Kehle, wie um mir die Luft abzuschnüren. Ich stöhnte, war kurz davor, ihm die Wahrheit zu sagen. Dass ich Trixie nicht getroffen hatte.
Doch dann ... tauchte jemand in der Dunkelheit auf. Die Gestalt eines Mannes. Ich nahm an, dass es Finley war, der sich wieder erholt hatte.
Er trat näher, seine Silhouette wirkte mit einem Mal so vertraut. Trotz meiner vor Schmerzen zusammengekniffenen Augen konnte ich die Lederjacke erkennen. Er ... war es. Natürlich. Hatte ich es nicht wenige Stunden vorher gesagt? Er war immer da gewesen, ich hatte es irgendwo tief in meinem Inneren gewusst.
Aiden trat ins Sonnenlicht, das sich plötzlich einen Weg durch die Wolken bahnte. Er ließ sich nicht davon erschrecken. Es nieselte nur noch, die Regentropfen benetzten seine Wangen. Ohne dass er etwas sagen musste, bemerkte mein Angreifer von selbst, dass sich jemand hinter ihm befand, der meine Aufmerksamkeit für sich beanspruchte.
Zach wandte sein Gesicht um, zischte beim Anblick des Neuankömmlings: »Wer bist du?!«
»Der Mörder deiner Trixie«, entgegnete Aiden und zog aus seiner Jackentasche eine Kette mit einem Medaillon, die zuvor um den Hals der Vampirin gehangen hatte. »Wenn du willst, vereine ich dich mit ihr.«
Einen Moment lang wirkte Zach, der mich noch immer festhielt, perplex. Diesen Moment machte ich mir zunutze. Ich nahm all meine Kraft zusammen, stützte mich mit meinen Fäusten auf dem Gras ab, bevor ich seinen Körper mit einem ruckartigen Salto von mir schmetterte. Rasch hob ich den Pflock, den ich bei meinem Sturz aus der Dachkammer verloren hatte, wieder auf. Und bevor Zach aufstehen konnte, warf ich mich mit der Waffe auf seine Brust, traf ihn, bohrte die Spitze des Pflocks durch seinen Oberkörper.
Er erstarrte und versteinerte unter meinen Händen, ohne sich fortbewegen zu können, ohne flüchten zu können. Und ohne dass ich Aiden darum bat, zog er aus seinem Rucksack eine Axt, um ... Ich wandte das Gesicht ab, um es nicht sehen zu müssen. Dennoch hörte ich das kratzende Geräusch, das die Axt beim Abtrennen des Kopfes vom Rumpf verursachte.
Nach einigen Minuten war es vorbei, geschafft. Wir hatten sie besiegt. Der Kampf war zu Ende.
»Geht es dir gut?«, fragte Aiden, ohne mich anzusehen.
»Ja«, antwortete ich, »danke.«
Und dann dachte ich nur, dass ich zurück zu Jack musste. Ihm ein Heilmittel beschaffen musste, um ihn zu retten, wiederzubeleben. Ich hatte es ihm versprochen.
Durch den Hof hastete ich zurück zum Eingang des Gebäudes, nahm erneut die Treppe, blieb im ersten Stock stehen. Panisch stellte ich fest: Da war er nicht mehr. War er aufgestanden? Oder ...?
»Jack?!«, schrie ich.
Konnte es sein, dass das Gift nicht gewirkt hatte? So wie bei mir? Dass er aufgestanden war und ... sich irgendwo ein sicheres Versteck gesucht hatte? »Jack?!«
»Er ist bei mir«, hörte ich die Stimme von Finley aus einem Raum in der Nähe, den ich bei meiner Suche nach den Vampiren schon entdeckt hatte. Sofort eilte ich dorthin, stieß die angelehnte Tür auf. Ganz hinten befand sich immer noch die Gefriertruhe, deren Klappe jetzt geöffnet war. Ihr Inhalt war leergeräumt. Auf dem Boden lag ... Jack. Der Vampir schüttete ihm Tropfen aus einer Porzellanflasche in den grau angelaufenen Mund.
»Was tust du mit ihm?«, rief ich wütend.
Er hob abwehrend die Hände, ließ die Flasche fallen, sie zersplitterte. Ihre Flüssigkeit verteilte sich auf dem Boden. »Ich habe ihm nur helfen wollen«, erklärte er. »Aber es ist ... zu spät.«
»Nein«, rief ich. Ich sauste zu dem leblosen Körper von Jack, der sich nicht rührte. Kein bisschen. »Wach auf.« Mit beiden Händen schlug ich auf seine Brust ein, die sich nicht hob und senkte. Als würde ich Reanimationsversuche machen, versuchte ich ihm Luft einzuhauchen. Oder das Gift irgendwie aus seinem Körper zu saugen. Ich biss ihm in den Nacken. Doch seine Haut zerbarst wie Pulver unter meinen Fangzähnen. »Nein. Nein.« Ich warf dem fassungslosen Finley neben mir einen flehenden Blick zu. »Tu doch etwas«, bat ich ihn.
»Es ist nicht möglich«, entschuldigte er sich. »Er ist ... weg. Für immer.«
»Doch er ist nicht ...« Ich wollte es nicht glauben. Er war nicht geköpft worden! Konnte es denn nicht noch eine letzte Möglichkeit geben, ihn zu erwecken? Ich betrachtete seine reglosen Lider, die nicht vibrierten, wie sonst, wenn er schlief oder entspannte. Und seinen Mund, auf dem zwar noch ein Lächeln haftete, das jedoch so maskenhaft wirkte, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.
Ich legte meine Arme um ihn, presste mein Gesicht gegen seine Brust, lauschte auf sein Herz, das vor allzu vielen Jahren zu schlagen aufgehört hatte.
»Lass ihn los«, erklang Aidens Stimme. Er stand an der Tür und sah mich stirnrunzelnd an. »Hör auf damit.«
Wie meinte er das? Ich sollte aufhören? Er war doch selbst sein Freund gewesen? Verspürte er denn gar keine Trauer?!
»Nein, er wird aufwachen«, flüsterte ich. »Es muss eine Möglichkeit geben. Es muss einfach.«
»Nein«, erwiderte Aiden. Er marschierte auf mich zu und packte meine Schultern, riss mich von Jacks Leichnam zurück. Ich kämpfte gegen ihn an, doch meine Kraft war aufgebraucht. »Du machst dich lächerlich«, gab er mir mit verärgerter Stimme zu verstehen. »Hör auf, dich wie eine Wahnsinnige aufzuführen. Er ist tot. Jetzt lass ihn in Frieden.«
»Wie kannst du das sagen?« Dennoch gehorchte ich ihm und weinte stumm.
»Quinn«, sagte er. »Jack hat ein langes, erfülltes Leben hinter sich. Sieh ihn dir an. Wirkt er traurig auf dich? Nein, er lächelt. Weil ... du bei ihm warst. Verstehst du denn nicht? Sein Leben hat im richtigen Moment aufgehört. Wer kann das schon von sich behaupten?« Aiden seufzte. »Und glaub mir, er hat länger durchgehalten als so mancher Sterblicher. Also hör auf, ihn zu bemitleiden. Seinen Tod zu betrauern. Das würde er ... und da bin ich mir sicher ... wirklich nicht wollen.«
Ich wischte mir mit meinem Ärmel über die Augen, wohl eine alte Angewohnheit von früher, als ich noch echte Tränen vergießen konnte, und schniefte. Dann blickte ich auf Jack, der seelenruhig dalag und lächelte. Er hatte recht. Jack schien seinen Frieden gefunden zu haben. Ohne mich.