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Modernes Leben

Über eine «ekstatische» Zeitschrift

Die folgende Geschichte trug ich längere Zeit mit mir herum, und als ich dann von der jungen Frau träumte, die sie mir anvertraut hatte, entschloss ich mich, sie aufzuschreiben.

Nennen wir die junge Frau Ayla. Sie ging in einer aargauischen Kleinstadt zur Schule, und in jenem Sommer freute sie sich über den Beginn der Sommerferien. Am letzten Schultag kam ihre Busenfreundin Nadia nicht mehr zur Schule, weil sie schon in den Urlaub gefahren war.

Ayla hatte nicht nur das Mathebuch der Freundin in ihrem Schulsack, sondern auch ihre Schminktasche und eine Aufklärungszeitschrift für Mädchen. Ayla rief Nadia aufs Handy an, um zu fragen, wo sie ihre Sachen deponieren solle. Nadia lag schon am Strand und liess Ayla durch das Telefon das Meeresplätschern hören. Dieser blieb nichts anderes übrig, als auch die Zeitschrift nach Hause mitzunehmen.

Zu Hause musste Ayla ihren Koffer packen für die jährliche Reise ins anatolische Dorf in der Türkei. Sie warf alle wichtigen Sachen in den Koffer, darunter unzählige Geschenke für die vielen Cousinen. Mit Mühe und Not schloss sie ihr übervolles Gepäckstück, während ihr Vater daneben stand und das Reglement der Fluggesellschaft so gewissenhaft vorlas, als würde er aus den heiligen Schriften rezitieren: «Jeder Passagier darf nur zwanzig Kilo Reisegepäck mitnehmen!» Er hob Aylas Koffer in die Luft und seufzte: «Tochter, das sind mindestens dreissig Kilo!»

Ayla musste ihren Koffer um zehn Kilo erleichtern. Aber wie sollte sie das bewerkstelligen? Sie hatte ja nur Wichtiges eingepackt.

Der über den Koffer gebeugte Vater beäugte alles, was da wieder zum Vorschein kam, mit kritischer Miene. Plötzlich – «schnell wie ein Adler», wie Ayla sagte – griff er zu und schnappte sich die Zeitschrift, auf deren Frontseite zwei sich auf die Lippen küssende Teenager im Alter von Ayla abgebildet waren.

«Was ist denn das? Welche unverschämte Person liest sowas?», fragte er laut und vorwurfsvoll, als hätte Ayla Drogen in ihren Koffer gepackt.

Ayla sagte mit zitternder Stimme, dass diese Zeitschrift Nadia gehöre.

Der Vater war beruhigt. Es war zum Glück nicht seine gut erzogene Tochter, die ihr Taschengeld «für so etwas Ekstatisches» ausgab. Er wickelte die Zeitschrift zuerst mit spitzen Fingern in ein Papier ein und steckte sie so in eine Plastiktüte. Er fuhr zu Nadias Eltern, wo er das gefährliche Presseerzeugnis in den Briefkasten warf.

Die Ankunft der Familie im anatolischen Heimatdorf war wie immer mit schönen Begegnungen verbunden. Nach der Begrüssungszeremonie, bei der die Tränen des Wiedersehensglücks flossen, wurde Ayla von ihrer Cousine, die ungefähr gleich alt war, in ihr Zimmer eingeladen. In diesem Zimmer war inzwischen eine kleine Bibliothek eingerichtet worden, und zu Aylas Überraschung lagen da auch mehrere türkische Versionen jener Zeitschrift, die Aylas Vater im aargauischen Städtchen als «ekstatisch» bezeichnet hatte.

Diesmal war es Ayla, die aufgeregt war. Sie empfahl ihrer Cousine, die Zeitschriften so schnell wie möglich zu verstecken, bevor ihr Vater diese Gefahr entdeckte. Die Cousine konnte die Angst Aylas überhaupt nicht verstehen. Es war ihr Vater, der die Zeitschriften in der Kreisstadt für sie kaufte, wenn er jeweils donnerstags auf den Markt ging.

Da erinnerte sich Ayla, dass ihr Vater seinen jüngeren Bruder, der im Dorf geblieben war, einmal als einen bezeichnet hatte, der das moderne Leben nicht kannte, weil er nie weit gereist war.

Kebab zum Bankgeheimnis

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