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Wohnung zu vermieten

Von Schweizer Tugenden

So stand es im Inserat: «Wohnung zu vermieten an Schweizer, Nichtraucher, ruhiger Mensch, arbeitstätig, Einzelperson, keine Haustiere, keine Kinder, der Parkplatz vor dem Zweifamilienhaus kann separat gemietet werden, gedeckter Velostand neben dem Haus, Gartenmitbenutzung nur mittwochs.»

Da das Inserat sehr gut gestaltet war, vermutete ich die Handschrift einer Person mit hervorragenden Grafikkenntnissen dahinter. Beispielsweise war das Wort «Schweizer» fett und in grösserer Schrift gedruckt, Velostand kleiner und kursiv und Gartenmitbenutzung in hellgrüner Farbe.

Dieser Anschlag in einem Einkaufszentrum, den ich im Vorbeigehen zufällig sah, machte mich an jenem Samstagmorgen neugierig, sodass ich mich auf der Stelle entschied, mit dem Inserenten Kontakt aufzunehmen, obwohl ich keine Wohnung suchte. Noch bevor ich meine Einkäufe ausgepackt hatte, schrieb ich zu Hause dem Inserenten eine Mail, dass ich als ein gut verdienender (das war die erste Lüge des Tages, weitere sollten folgen) und alleinstehender Mann eine Wohnung suche. Ich sei ruhig, tagsüber berufshalber unterwegs, abends ginge ich früh zu Bett, da mein Arbeitstag immer früh beginne. Ich gab mich als nichts anderes als ein Herr von Salis aus.

Nach einer Stunde war die Antwort von Frau Huber in meiner Mailbox: Man erwarte mich um 13.00 Uhr, und da meine Eigenbeschreibung viel verspreche, habe man an dem Tag nur mich zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen.

Bis in die Nähe des gelben Hauses mit einem eingezäunten grünen Garten radelte ich. Aus einer Entfernung von zwanzig Metern bemerkte ich an diesem sonnigen Tag ein Paar, je eine Hacke in der Hand, ein Beet jätend. Beide sahen ergraut aus, ich schätzte sie Mitte sechzig.

Vor dem Eingangstor blieb ich stehen und fragte, ob ich hier bei Hubers sei. Die Frau hob den Kopf. Ja, sagte sie mit einer angenehmen Stimme, wie sie mir helfen könne.

Ich sei mit ihnen für die Wohnungsbesichtigung verabredet.

Die Frau schaute mich verdutzt an, als habe sie gerade ein Krokodil vor sich liegen. Mit stotternder Stimme antwortete sie, man habe doch mit einem Herrn von Salis abgemacht.

«Herr von Salis steht höchstpersönlich vor Ihnen!», sagte ich mit einem gezwungenen Lächeln.

Ob ich das Inserat nicht richtig gelesen habe, fragte sie und warf die Hacke auf das Beet. Das schon, was jetzt falsch sei, fragte ich sie.

Sie müsse sich entschuldigen, sie habe im Inserat extra und deutlich schreiben lassen, dass sie die Wohnung nur einem Schweizer vermieten wolle.

Ich sei doch auch Schweizer, sagte ich und streckte ihr meinen Schweizer Identitätsausweis, den ich in der Brusttasche bereithielt, entgegen.

Ohne auf meine ID zu schauen, flüsterte Frau Huber, sie meinten eben einen richtigen Schweizer. Und meinem Aussehen nach zu urteilen, sei ich eben kein richtiger. Sie müsse aber unmissverständlich betonen, dass sie nichts gegen Ausländer habe. Es tue ihr leid, sie wolle mir die Wohnung nicht zeigen.

Ich sagte ihr, dass ich bereit sei zu gehen, aber ob sie mir wenigstens erklären könne, was einen richtigen Schweizer ausmache.

Sie sei zwar nicht verpflichtet, auf ein Gespräch einzugehen, bemerkte sie, aber da sie irgendwelche unschöne Auseinandersetzungen mit ihren Mietern vermeiden wolle, müssten diese Schweizer Werte pflegen.

Welche Werte denn?

An der Hand zählte sie auf: Sauberkeit, Fleiss, Respekt vor den anderen, nicht stehlen, leise sein, höflich und ehrlich und so weiter.

Warum sie denn meine, dass dies nur Schweizer Werte seien, wollte ich wissen.

Sie lachte gezwungen, nach diesen Werten lebe sie.

Die Werte, die sie aufgezählt habe, sagte ich, der ich provozieren wollte, listig, seien auch muslimische Werte, wie ich es in der Türkei im Religionsunterricht der Grundstufe gelernt hätte.

Da blieb Frau Huber stehen, so steif, als habe ich ihr das Knochenmark ausgesaugt. Sie wandte sich zu ihrem Mann, der weiterhin mit Jäten beschäftigt war: «Ueli, de da verzellt denn en Seich.»

«Was verzellt de Maa?», fragte Ueli zurück.

Die Frau diesmal mit einer lauten Stimme: «Er verzellt, dass Schwiizer Wert au mohammedanischi Wert seget!»

«De Maa verzellt würkli en Seich!», bemerkte Ueli, ohne seinen Kopf zu heben.

Frau Huber näherte sich mir, ohne das Gartentor zu öffnen. Die Wohnung sei für mich nicht geeignet, sie sei zu klein für meine vielen Gäste, aber sie wolle eines wissen, nämlich wie ich zu diesem edlen Schweizer Namen gekommen sei.

Kebab zum Bankgeheimnis

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