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DER SCHWARZE PULLOVER MIT DER WEISSEN SCHLEIFE

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Irgendwann hatte Elsa Schiaparelli eine kleine Kollektion. Doch wen interessierte das? Frauen, die Kleider nähten oder Pullover strickten und ihre Freundinnen damit beglückten, gab es viele. Keine davon war berühmt. Modeschöpfer? Das war, wer Filmdiven und Fürstinnen mit seinen Roben ausstattete und seine aktuelle Kollektion in der Zeitschrift „Vogue“ abgebildet sah. Elsa Schiaparellis Bekanntenkreis mag illustrer gewesen sein als der einer strickenden Oma. Schließlich bewegte sie sich in der Pariser Avantgarde. Doch für einen Durchbruch als Modeschöpferin brauchte es mehr als eine Gabrielle Picabia in einem von Sciaparelli gestrickten Schal. Die „Vogue“ entschied, wer dazugehörte und wer nicht. Schiaparelli zeigte sich in ihren Kreationen regelmäßig am Rande von Modenschauen. Doch niemand tat ihr dort den Gefallen, sie zu entdecken. In ihrer großbürgerlichen Wohnung hätte sie nur zu gern die Damen der Gesellschaft empfangen. Doch keine erschien. Da schmiedete sie im November 1927 einen verwegenen Plan. Sie beabsichtigte, dort einen krachenden Auftritt hinzulegen, wo die Meinungsmacher der Modewelt samt einiger der besten Kundinnen der großen Modehäuser versammelt waren: beim legendären Diner des Chefredakteurs der „Vogue“. Wie sie an die Einladung gekommen ist oder ob sie überhaupt eine hatte, ist nicht überliefert.

Elsa Schiaparelli kam jedenfalls absichtlich zu spät. Die Herrschaften saßen bereits an der festlich gedeckten Tafel und speisten. Plötzlich flog die Tür auf. Mit entschuldigender Miene blickte ein Diener noch kurz in Richtung des Gastgebers. Da betrat Elsa Schiaparelli auch schon den Raum. Nein, sie betrat eine Bühne. Doch nicht sie war die Hauptdarstellerin, sondern ihr Pullover. Es war ein schwarzer Pullover mit einer eingestrickten weißen Schleife. So einen Pullover hatte Paris noch nicht gesehen: Er war frech und doch elegant. Ein Blickfang und gleichzeitig ein Augenschmeichler. Vor allem aber ließ er einen Stil erkennen, der sich von der gepflegten Langeweile der Coco Chanel mehr als deutlich unterschied. Ich gebe zu: Bei den Details dieser Szene spekuliere ich ein wenig. Ich war natürlich nicht dabei und es gibt auch keine Bild- oder Tondokumente. Wenn wir uns allerdings vor Augen führen, dass allein dieser Auftritt für die Schiaparelli den Durchbruch zur zweiten maßgeblichen Größe der damaligen Modewelt bedeutete, dann kann es nur ein gigantischer Fake gewesen sein. Elsa Schiaparelli muss mit einem Selbstbewusstsein in die Dinnerparty geplatzt sein, als sei sie bereits ein Star der Schneiderkunst.

Anders sind die Folgen dieses Abends jedenfalls kaum erklärbar. Die anwesenden Damen waren nämlich derart enthusiasmiert, dass fast alle so schnell wie möglich einen dieser Pullover haben wollten. In den nächsten Tagen telefonierten sie aufgeregt mit ihren Freundinnen und Bekannten, um von dem Pullover zu berichten. Es war die amerikanische Schriftstellerin und Drehbuchautorin Anita Loos, die schließlich Hollywoods Filmdiven zu Schiaparelli schickte. Loos war der Szene expatriierter amerikanischer Schriftsteller eng verbunden und pendelte regelmäßig zwischen Los Angeles und Paris. Auf ihre Empfehlung ließen sich unter anderem Greta Garbo, Joan Crawford, Gloria Swanson und Mae West von Schiaparelli einkleiden. Selbstverständlich befeuerte auch die „Vogue“ den Hype. Elsa Schiaparellis geschäftlicher Erfolg war sensationell. Nur drei Wochen nach ihrem Auftritt bei der Dinnerparty konnte sie ein eigenes Atelier eröffnen – in bester Lage und mit riesigen, opulent ausstaffierten Räumen. Um 1932 besaß das Haus Schiaparelli neben diesem Flaggschiff bereits zehn weitere Ateliers. Eine Dependance befand sich in London, jener Stadt also, aus der Schiaparelli einst mit ihrem Mann fliehen musste, um einer Verurteilung wegen illegaler Geschäfte zu entgehen.

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