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EIN ROSA SCHOCK FÜRS LEBEN

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Die Kunst der Pariser Avantgarde, insbesondere der Surrealismus, brachte Elsa Schiaparelli auf die verrücktesten Ideen für ihre Mode. Als besonders fruchtbar erwies sich dabei ihre Freundschaft zu Salvador Dalí. Im Jahr 1936 schuf Dalí für einen englischen Kunstsammler sein berühmtes „Hummertelefon“. Es besteht aus einem funktionsfähigen Telefon mit Wählscheibe aus dem zeittypischen schwarzen Bakelit, wobei der Hörer die naturgetreue Form und Farbe eines Hummers besitzt. Schiaparelli war so begeistert von dem Objekt, dass sie gemeinsam mit Dalí das „Hummerkleid“ entwarf. Es war ein im Grunde klassisch-elegantes Kleid mit nur einem einzigen bewussten Stilbruch, nämlich einem riesigen Hummer als Dekor auf der Vorderseite. Dalís Vorschlag, bei der Präsentation des Kleids echte Mayonnaise darauf zu verteilen, lehnte Schiaparelli allerdings ab. Das Kleid war auch so schon provokativ genug, schließlich befinden wir uns Jahrzehnte vor dem Siegeszug schrill-bunter T-Shirts und anderer bedruckter Klamotten mit allen möglichen und unmöglichen Motiven. Wer trug ein solches surrealistisches Kleid? Beispielsweise Wallis Simpson kurz vor ihrer Hochzeit mit dem Duke of Windsor, zu dem Zeitpunkt britischer Thronfolger. (Er verzichtete später lieber auf die Königskrone.) Ein Foto der angehenden Duchess of Windsor in diesem Kleid, veröffentlicht in der amerikanischen „Vogue“, löste in England einen ordentlichen Skandal aus.

Elsa Schiaparelli konnten Skandale nur recht sein. Der Motor ihres Geschäftserfolgs waren Methoden, die erst Jahrzehnte später – genauer gesagt ab den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts – zu festen Bestandteilen der Modeszene werden sollten: bewusste Inszenierung von Stilbrüchen, demonstrative Abkehr von Traditionen (oder im Gegenteil ironisches Spiel damit) und nicht zuletzt erbitterter Kampf um Aufmerksamkeit. Letzteres inklusive Provokation und Skandal als Teil des Kalküls. Zu Schiaparellis Signatur wurden jedoch weder Dalís Hummermotive noch die nicht minder irritierenden „Skelettkleider“ und „Skelettpullover“, die ihre Trägerinnen wie wandelnde Röntgenbilder aussehen ließen. Es wurden auch nicht die aberwitzigen „Spiralbrillen“, die Man Ray für Schiaparellis Modenschauen schuf. Nein, emblematisch für das Haus Schiaparelli wurde eine einzige Farbe: „Shocking Pink“. Dieses kreischende Rosa, hart an der Grenze zum Rot, beschrieb Schiaparelli selbst einmal als „so lebensspendend, als ob alles Licht und alle Vögel und alle Fische der Welt sich darin vereinigt hätten.“

Der kritische Betrachter könnte es auch so ausdrücken: Diese Farbe tut weh. Doch so wollte es Elsa Schiaparelli. Genau das war ihr Erfolgsrezept: Exzess und Provokation bis zur Schmerzgrenze. „Sie ohrfeigte Paris, sie peitschte, sie folterte es – und Paris liebte sie dafür“, schrieb Yves Saint Laurent 1986 in seinem Vorwort zu einer Biografie über Schiaparelli. Die naheliegende Frage, wo bei Schiaparelli die Leidenschaft für die Kunst aufhörte und wo das Kalkül begann – oder umgekehrt – muss wohl unbeantwortet bleiben. Ohne jeden Zweifel war sie eine geniale Geschäftsfrau. Es beginnt bereits bei der Marktlücke, die sie für sich erkannte: Die „Années Folles“ mit ihrer subversiven Gegenkultur des Dadaismus und Surrealismus fanden in der Mode zunächst überhaupt keinen Widerhall, was rückblickend durchaus erstaunlich ist. Stattdessen galt das minimalistische „kleine Schwarze“ der Coco Chanel als Inbegriff des modischen Stils dieser Zeit. Wenn es Schiaparelli nicht gewesen wäre, die der Mode den surrealen Zeitgeist jener Jahre eingehaucht hätte, dann wäre wahrscheinlich jemand anderes gekommen.

Doch eine Marktlücke zu sehen und zu besetzen ist nur das eine. Das andere ist konsequente Markenbildung. Hier agierte Schiaparelli wie aus dem Lehrbuch des „Branding“, lange vor der Erfindung dieses Begriffs. In der Markenführung war sie ihrer Zeit weit voraus. So erkannte sie glasklar die Bedeutung einer Farbe als Markensignatur. „Shocking Pink“ war alles andere als ein Zufall – Schiaparelli war gezielt auf der Suche nach einer solchen „Signature Colour“ gewesen und hatte vorher unter anderem mit einem intensiven Blauton experimentiert. Noch moderner war die Art, wie sie die Markenidentität des Hauses Schiaparelli auf ein breites Portefeuille von Produkten übertrug. Bestes Beispiel ist ein Parfum mit dem Namen „Shocking“, welches das Haus Schiaparelli 1937 auf den Markt brachte. Der Karton war – selbstverständlich – in „Shocking Pink“ gehalten. Der Flakon hatte die Form eines weiblichen Torsos. Eine Sensation! Als Jean-Paul Gaultier in den 1990er-Jahren diese Art von Flakon für seine Parfüms kopierte, konnte er sich dies nur erlauben, weil Schiaparelli da schon vollständig in Vergessenheit geraten war.

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