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ERFOLGREICHER FAKE HEISST NICHT ERFOLG AUF DAUER

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Die hochbetagte Elsa Schiaparelli soll jeden Abend in ihrem Pariser Appartement voll geschminkt und im Tigerpyjama vor dem Fernseher gesessen haben. Doch bei ihrem Ableben im November 1973 kannte schon fast niemand mehr den Namen der einst so berühmten Italienerin. Im Gegensatz zu Chanel, dem Markennamen ihrer früheren Erzrivalin. Ganz zu schweigen von den Modeschöpfern, die seit dem Zweiten Weltkrieg mit ihrer „Haute Couture“ (wie die tonangebende Schneiderkunst nun hieß) Furore gemacht hatten: Christian Dior, Yves Saint Laurent und Pierre Cardin vor allem – interessanterweise ausschließlich Männer, so wie auch Stars der nächsten Generation: Armani, Versace, Lagerfeld. Dabei hatten einst zwei Frauen die Welt der Mode für die oberen Zehntausend allein beherrscht: eben Coco Chanel und Elsa Schiaparelli. Sicher, der Zweite Weltkrieg und die deutsche Besatzung weiter Teile Frankreichs, einschließlich Paris, beendeten die „Années Folles“ endgültig. Doch der Krieg, nicht ohne Grund „der große Gleichmacher“ genannt, warf immerhin alle gleich weit zurück. Und wurde abgelöst von einer Nachkriegszeit, in der dann alle wieder mehr oder weniger bei null anfangen mussten.

Kurz nachdem Paris am 14. Juni 1940 gefallen und von der Wehrmacht besetzt worden war, reiste Schiaparelli nach New York und verbrachte dort – abgesehen von ein paar Monaten an der Seine im Jahr 1941 – die Zeit bis Kriegsende. Als sie zurückkehrte, hatte Christian Dior bereits seinen „New Look“ auf den Laufsteg gebracht, der sich von allem abgrenzte, was die Mode der Vorkriegszeit ausgemacht hatte. Im Jahr 1954 feierte Coco Chanel die Wiedereröffnung ihres Modehauses. Chanel sollte es gelingen, das Etikett des Gestrigen abzustreifen und ihre Mode als klassisch und zeitlos zu präsentieren. Elsa Schiaparelli fand keine stimmige Marktpositionierung mehr. Im Dezember desselben Jahres musste sie die Tore ihres Hauses endgültig schließen. Zu seinen besten Zeiten hatte es allein in Paris mehr als 4.000 Mitarbeiter beschäftigt. Nun war Schluss.

Über die Ursachen für dieses Aus lässt sich nur spekulieren. Zwei Gedanken drängen sich mir jedoch geradezu auf. Der erste: Ein gelungener Fake ist noch lange keine Garantie für dauerhaften Erfolg. Und der zweite: Wer seine Persönlichkeit zur Marke macht, der muss irgendwann lernen, über seinen Schatten zu springen. Elsa Schiaparelli hatte sich mit geschickter Selbstinszenierung und kalkulierter Provokation selbst in den Olymp der Mode katapultiert. Dabei hatte sie durchaus etwas zu bieten. Über ihre Bedeutung in der Geschichte der Mode gibt es keine zwei Meinungen. Mittlerweile haben einige der berühmtesten Museen der Welt ihrem Schaffen umfangreiche Retrospektiven gewidmet.

Doch Schiaparelli hat selbst einmal gesagt: „Sobald ein Kleid geboren ist, ist es auch schon Teil der Vergangenheit.“ Mode ist per Definition ephemeral – sie entsteht für den Augenblick und ist im nächsten Moment vergangen. Das heißt für Modeschöpfer: Es muss immer weitergehen, der Fluss der Ideen darf nie abreißen. Und bei allen von genialen Individuen gegründeten Marken in sämtlichen Branchen entsteht Konstanz eigentlich nur, wenn man irgendwann ein Team bildet. Um den Erfolg zu sichern, muss man bereit sein, ihn zu teilen; man muss delegieren, Dinge abgeben, viele andere einbinden. Gut möglich, dass einer Exzentrikerin und Egozentrikerin wie Elsa Schiaparelli dieser Schritt nie gelungen ist.

So machte es sich schließlich eine viel jüngere Generation zur Aufgabe, die Marke Schiaparelli am Leben zu erhalten. Im Jahr 2006 erwarb der italienische Unternehmer Diego Della Valle die Rechte. Sechs Jahre später begann Della Valle, der bereits die Marken Tod’s, Hogan und Fay aufgebaut hatte, mit dem Relaunch. 2015 wurde Bertrand Guyon zum Design Director ernannt, ein Mann Anfang 50 mit Halbglatze, gepflegtem Vollbart und zurückhaltendem Auftreten. Er arbeitet im selben Haus, in dem sich einst das Modehaus Schiaparelli befand. Und zwar in einem Studio, in dem „Shocking Pink“ und ähnlich indiskrete Farben um die Wette leuchten wie auf einem Rummelplatz. Seine Modenschauen inszeniert er gern in den prunkvollen Gängen der Opéra Garnier, die dafür in grellrosa Licht getaucht werden. Ob all dieses Rosarot wirklich reicht, um die Legende aufleben zu lassen, bleibt abzuwarten. Schockiert von der Signaturfarbe der Schiaparelli dürfte heute jedenfalls niemand mehr sein.

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