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Als Bernd von Franziska erfuhr, dass bei Franz Obowsky noch nie ein Einbruchsversuch unternommen worden war, wusste er, dass die beiden Leibwächter einen anderen Grund haben mussten. Obowsky stand also unter Druck. Oder er hatte Angst vor Entdeckung! Oder war da noch etwas Anderes? Etwas, bei dem ein Detektiv nützlich gewesen wäre?

Bernd hatte zwar nichts gegen diesen Mann in der Hand, aber er war entschlossen, ihn bei einem neuerlichen Gespräch das Fürchten zu lehren. Er oder einer seiner beiden Gorillas musste mit der Wahrheit herausrücken. Eine andere Chance besaß er nicht.

Er wollte gerade losfahren, als er die Augen zusammenkniff. War das nicht ...? Natürlich, die kleine, wieselflinke Gestalt mit der Dauerwellenmähne und der abgeschabten Lederjacke, die gerade hinter einem Bus verschwand, war kein anderer als Peter Grunow.

Grunow hatte ihn mit einer Information versorgen wollen, war dann aber doch nicht gekommen. Jetzt hatte Bernd den Eindruck, dass er regelrecht vor ihm davonlief.

Es gab jetzt zwar wichtigere Dinge zu tun, doch er wurde das Gefühl nicht los, dass Grunow, der immer das Gras wachsen hörte, ihm aus gutem Grund aus dem Wege ging. Franz Obowsky lief ihm nicht davon.

Bernd ließ den Wagen stehen und sprintete los. Er schlängelte sich zwischen Passanten hindurch. Zur Ladenschlusszeit waren die Straßen verstopft. Jeder wollte nach Hause. Niemand hatte Zeit.

Bernd hatte seinen Mann für kurze Zeit aus den Augen verloren. Doch plötzlich tauchte er hinter einem Opel wieder auf. Er überquerte in beängstigender Manier die Straße und löste ein wütendes Hupkonzert aus.

Da der Verkehr ohnehin für einen Moment stockte, kreuzte auch Bernd die Fahrbahn und setzte auf der anderen Straßenseite die Verfolgung fort. Er forcierte das Tempo, und als Peter Grunow langsamer wurde und sich suchend umdrehte, befand er sich fast unmittelbar hinter ihm.

„Hallo, Grunow!“, rief er außer Atem. „Wolltest du im Krantzler zwei Plätze für uns freihalten, oder warum hattest du es so eilig?“

Grunow war sichtlich durcheinander. Er trat von einem Fuß auf den anderen und murmelte etwas davon, sehr wenig Zeit zu haben.

Er wollte seinen Weg fortsetzen, aber Bernd hielt ihn am Kragen seiner speckigen Jacke fest. „Hier geblieben! Wir haben noch ein Rendezvous nachzuholen. Hast du das vergessen?“

„Hat sich erledigt, Schuster“, beteuerte der Kleinere. „Tut mir wirklich leid. Aber manchmal sind die Ereignisse sogar schneller als ich. Ein andermal vielleicht wieder. Ich melde mich dann bei dir.“

Bernd grinste. „Grunow, alter Junge! Was hast du mit deinen Nerven gemacht? Du zitterst ja. Du wirst doch nicht das Saufen anfangen? Oder sollte das ganz ordinäres Fracksausen sein? Vor mir brauchst du keine Angst zu haben. Wir verstehen uns doch blendend. Jedenfalls dann, wenn du mich nicht anlügst. Also sag mir ruhig, was sich erledigt hat. Vielleicht kenne ich die Neuheit noch gar nicht.“

„Die kennst du, Schuster. Schließlich hat Karsten ausgerechnet bei dir den Geist aufgegeben.“

Bernd wurde hellhörig. „Karsten Gerber? Was wolltest du mir von ihm erzählen?“

Peter Grunow sah den Detektiv unglücklich an. „Ist doch Schnee von gestern. Ich hatte nur gehört, dass Karsten aus dem Knast war und getönt hatte, dass er lange genug stillgehalten habe. Er wisse jetzt einiges, was einem gewissen Mann sehr unangenehm sein würde. Das ist alles. Karsten ist tot.“

„Ja, jetzt, aber vor drei Tagen war er es noch nicht, und du hast mich trotzdem versetzt. Warum? Hast du keinen halben Riesen mehr gebraucht?“

„Du musst das verstehen, Schuster. Ein paar Freunde sagten mir, dass ich Karsten mit Sicherheit das Genick brechen würde, wenn ich das herumerzählte. Glaubst du, ich wollte schuld an seinem Tod sein?“

„Aber er ist trotzdem tot, Grunow. Vielleicht hättest du das gerade verhindern können.“

„Glaube ich nicht. Mehr habe ich ja nicht gewusst. Was hättest du damit anfangen wollen?“

Bernd überlegte. Grunow hatte recht. Die Information wäre zwar interessant, aber dürftig gewesen.

„Wo hast du denn diese Geschichte aufgeschnappt?“, wollte er noch wissen.

„Im Goldstübchen. Das ist ’ne kleine Kneipe in Schöneberg. Ich bin manchmal dort. Unsereins hat nicht überall Kredit.“

Bernd war drauf und dran, den Burschen laufenzulassen, da schlug bei ihm plötzlich der Blitz ein. „Wo, hast du gesagt, ist die Kneipe?“, brach es aus ihm heraus.

Peter Grunow betrachtete ihn kopfschüttelnd. Er konnte nichts Aufregendes an seiner Mitteilung feststellen. „In Schöneberg, unweit der Yorkstraße.“

Bernd fingerte eine Fünfzig-Mark-Note aus der Tasche und schob sie dem fassungslosen Grunow zu. „Danke“, sagte er.

„Wofür?“

„Das erzähle ich dir später. Ich erwarte ab jetzt stündlich deinen Anruf. Ist das klar?“

„Aber ich weiß weiter nichts.“

„Es ist ja auch nur, weil ich vielleicht das Bedürfnis habe, an diesen Schein noch eine Null zu hängen. Jetzt kapiert?“

Solche Sachen kapierte Peter Grunow schnell. Er wusste zwar nicht, aus welchem Grund er zu dem unerwarteten Geldsegen kommen sollte, aber die Hauptsache war schließlich, dass Bernd Schuster das wusste.

Bernd Schuster rannte zu seinem Mercedes zurück. Die heiße Spur, auf die er so lange gewartet hatte, schien endlich gefunden zu sein. Herbert 6 Gold, das hatte der sterbende Karsten Gerber auf einem Zettel hinterlassen. Er war nicht ganz fertig geworden mit seiner Nachricht, sonst hätte er Goldstübchen geschrieben. Er hatte ihn, Bernd Schuster, zu einem Mann namens Herbert schicken wollen, der im Goldstübchen in Schöneberg zu finden war. Das musste des Rätsels Lösung sein.

Er fand das Lokal ohne Mühe, parkte seinen Wagen in der Nähe und betrat den Dämmerschuppen, in dem er ein buntes Menschengemisch antraf. Seriös gekleidete Pärchen hatten hier genauso ihren Spaß wie Künstler, Touristen, aber auch Angehörige der Halb und Unterwelt.

Bernd Schuster fragte ein blasses Bürschchen, das mit einem Tablett voller Gläser an ihm vorbei jonglierte, nach Herbert und bekam ein ratloses Kopfschütteln zur Antwort. Das Bürschchen verteilte die Gläser und kehrte hinter den Tresen zurück. Dort tuschelte es mit dem Barmann, und dieser betrachtete den Detektiv Misstrauisch. Dann schob er sich auf Bernd zu und fragte ihn direkt: „Wer sind Sie, und was wollen Sie von Herbert?“

Bernd zeigte seine Karte und antwortete: „Karsten Gerber war bei Herbert, und danach wurde er ermordet. Ich suche seinen Mörder. Ich weiß, dass Herbert ihn kennt.“ Das war zwar übertrieben, aber es half.

Der Barmann gab die Karte zurück und forderte Bernd Schuster auf, ihm zu folgen. Sie traten auf einen düsteren Gang und stiegen eine Treppe hinauf. Das erinnerte Bernd an sein Erlebnis in der ‚Säge‘. Würde er hier ebenfalls einer Meute von Killern gegenüberstehen? Wer war dieser Herbert? Hatte er etwas mit dem Mord zu tun? War Franz Obowsky das falsche Pferd, auf das er gesetzt hatte?

Der Barmann klopfte an eine Tür und trat danach ein, nachdem er Bernd Schuster bedeutet hatte, einen Moment zu warten. Zwei Minuten später kam er wieder.

„Sie können zu ihm gehen“, sagte er. „Aber erschrecken Sie nicht. Er sieht nicht gerade wie Fred Astair aus.“

Bernd betrat einen Raum, in dem nur ein schwaches Licht brannte. Ein weißhaariger Mann saß in einem bequemen Lehnstuhl und wandte ihm den Rücken zu. Neben ihm lehnten ein paar Krücken.

Der Mann drehte den Stuhl mit einem Schwung herum, und Bernd sah ein Gesicht, das keins mehr war. Es war ein Trümmerfeld mit Narben und demolierten Knochen. Ein Auge fehlte, das andere war fast zugewachsen. Der Mund stand schief, genau wie die beiden Schultern.

„Sie haben mich gesehen, Herr Schuster“, sagte er mit erstaunlich kräftiger Stimme. „Jetzt können Sie sich so setzen, dass Sie meinen Anblick nicht mehr ertragen müssen. Paul sagte mir, dass Sie den Mörder von Karsten suchen. Ich hoffe, dass das stimmt.“

„Es ist die Wahrheit. Sie heißen Herbert?“

„Herbert Kandolf. Vielleicht erinnern Sie sich noch an diesen Namen.“

Bernd Schuster besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Er entsann sich eines Falles, bei dem dieser Name die Hauptrolle gespielt hatte. Allerdings war es um eine Frau gegangen und um eine Unterschlagung großen Stils.

„Barbara Kandolf?“, fragte er.

Der verstümmelte Greis nickte. Sein verbliebenes Auge leuchtete kurz auf. „Sie war meine Tochter. Ich habe sie geliebt wie sonst nichts auf der Welt. Aber sie war eine schöne junge Frau, und die Liebe ihres Vaters genügte ihr nicht. Sie lernte einen Mann kennen, der ihr das Blaue vom Himmel versprach. Seinetwegen griff sie in die Kasse, um ihm aus Schwierigkeiten herauszuhelfen. Die Unterschlagung kam heraus, nur der Täter wurde noch gesucht. Da versprach dieser Mann, Barbara zu helfen, so wie sie ihm aus Liebe geholfen hatte. Er sagte, er würde die Summe heranschaffen, und er entwickelte den Plan, eine Bank zu überfallen. Er selbst war dazu nicht in der Lage. Deshalb kaufte er eine Gang, die diese Arbeit für ihn, der völlig im Hintergrund blieb, erledigte. Der Plan gelang. Der Mann bekam viel mehr Geld, als Barbara benötigte, um den Schaden gutzumachen. Doch der plötzliche Reichtum gefiel dem Kerl. Er dachte nicht daran, einen Teil davon herzugeben. Er ließ Barbara im Stich. Sie wurde angeklagt und erhängte sich in der Zelle des Untersuchungsgefängnisses, ohne den Namen ihres von ihr noch immer geliebten Mannes preisgegeben zu haben.“

Der damalige Fall stand wieder plastisch vor Bernd Schuster. Die geschädigte Firma hatte sich an ihn gewandt, um Nachforschungen über den Verbleib des unterschlagenen Geldes anzustellen. Er war auf Barbara Kandolf gestoßen und hatte ihre Verhaftung bewirkt. Er fühlte sich im Nachhinein nicht besonders gut bei diesem Gedanken.

„Ich hege gegen Sie keinen Groll, Herr Schuster“, beruhigte ihn Herbert Kandolf. „Barbara durfte nicht damit rechnen, dass sie ungeschoren davonkam, nachdem dieser Mann sie im Stich gelassen hatte. Ich aber bin zu ihm gegangen und habe ihm meine Verachtung ins Gesicht geschleudert. Ich drohte ihm, mit der Wahrheit zur Polizei zu gehen. Was er daraufhin mit mir anstellte, können Sie selbst sehen. Er hetzte ein paar Schläger auf mich, die mich zusammenknüppelten und anschließend irgendwo verscharrten. Sie glaubten, ich sei tot. Aber Tiere sind besser als die Menschen. Ein Hund nahm meine Witterung auf und kratzte den Sand von mir herunter. So entging ich doch noch dem Tod, wenn ich darüber anfangs auch nicht glücklich war. Ich versteckte mich, denn ich hatte Angst vor diesem Mann, der niemals erfahren durfte, dass ich noch lebte. Und dann fand plötzlich Karsten Gerber zu mir. Auch ihn hatte der Lump verheizt, und er ließ sich von meinem Schicksal nicht abschrecken. Er bestand auf seiner Rache. Nur kannte er den Namen nicht. Ich sagte ihm: Franz Obowsky. Und ich verriet ihm, dass er bei Ihnen wahrscheinlich die alte Akte finden würde, in der die Unterschlagung Kandolf behandelt wurde. Mit diesem Material hätte er Obowsky unter Druck setzen können. Aber Karsten wählte den verkehrten Weg. Er ging erst zu Obowsky, um ihn zu drohen und Geld von ihm zu verlangen. Erst später besorgte er sich die Waffe und wollte dann die Akte bei Ihnen holen. Aber da trug er den Tod schon in sich. Franz Obowsky hatte die Gefahr erkannt.“

„Warum haben Sie das nicht alles der Polizei erzählt?“, fragte Bernd Schuster verwundert.

„Barbara ist immer noch meine Tochter, und ihre Schuld wurde nie vor Gericht bestätigt. Ich wollte nicht, dass ihr Name erneut an die Öffentlichkeit gezerrt wurde. Aber Rache an Obowsky wollte ich. Ich selbst war nicht in der Lage, etwas gegen ihn zu unternehmen. Doch jeder, der aus diesem Grund zu mir kommt, kann mit meiner Hilfe rechnen. Ich will, dass Obowsky an den Bettelstab kommt, und ich habe den richtigen Mann, der dafür sorgen wird. Er setzt Obowsky schon die Daumenschrauben an, und er wird ihn ausbluten lassen, bis nur noch die leere Hülle eines Mörders von ihm übrig ist.“

„Sie lassen Obowsky erpressen?“

Kandolf richtete sich mühsam auf. Jede Bewegung bereitete ihm auch jetzt noch Schmerzen.

„Es war nicht meine Idee“, bekannte er, „doch als der Junge zu mir kam, teilte ich ihm mein Geheimnis mit. Damit holt er die Million zurück.“

„Ich begreife Ihren Hass“, sagte Bernd Schuster, „aber der darf nicht dazu führen, dass Sie andere Menschen in den Tod schicken. Sie haben am eigenen Leib erlebt, mit welchen Methoden Obowsky arbeitet. Karsten Gerber musste die gleiche Erfahrung machen. Auch Ihrem neuen Verbündeten wird es nicht anders ergehen. Wenn Sie ihn retten wollen, müssen Sie mir seinen Namen nennen.“

„Auf keinen Fall“, empörte sich der Greis. „Ich verrate meine Freunde nicht. Sie werden ihn fangen, und Obowsky bleibt wieder ungeschoren. Nein, mein Mann ist raffiniert genug, um keinen Fehler zu begehen. Er hat Erfahrung in diesem Geschäft.“

Bernd Schuster kniff die Augen zusammen und sah den Alten fest an. Er fragte sich, wieso ein Erpresser ausgerechnet auf diese alte Geschichte gekommen war, und ihm wurde bewusst, dass der Mann durch ihn selbst darauf aufmerksam geworden sein konnte. Er hatte erkannt, dass er, Bernd Schuster, einer heißen Sache auf der Spur war, und wollte nun seinen Nutzen daraus ziehen. Mit seinen Verbindungen zur Unterwelt war er früher auf Herbert Kandolf gestoßen als ein Detektiv.

„Ich kenne den Mann“, behauptete Bernd. Es war ein Versuchsballon.

„Sie bluffen. Sie bekommen den Namen nicht aus mir heraus. Schaden Sie Obowsky auf jede erdenkliche Weise, rächen Sie meine Tochter und mich, aber lassen Sie meine Verbündeten in Ruhe.“

„Reinhold Lange ist vielleicht in diesem Augenblick schon tot“, sagte Bernd Schuster wütend.

Kandolf krümmte sich zusammen. Das, was von seinem Gesicht übrig war, verzerrte sich. „Ich – ich habe Sie wohl unterschätzt, Herr Schuster. Erzählen Sie mir, wie Sie es herausgefunden haben.“

Dafür war keine Zeit. „Sie werden Ihre Rache haben“, rief Bernd Schuster und war schon bei der Tür, „aber sie wird dem Gesetz entsprechen.“

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