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Das Licht der Leuchtstoffröhren wirkte eiskalt. Ernst Walter Breitners Gesicht war fahl. Der große, elegante Millionär nickte kaum merklich. Daraufhin hob Inspektor Gustav Sauer das weiße Laken.

Sie befanden sich im Leichenschauhaus.

„Ist das Ihre Tochter, Herr Breitner?“, fragte Sauer.

Erschüttert betrachtete Breitner das blasse Antlitz der Toten. Obwohl er Biggi sofort erkannte, kam sie ihm fremd vor. Der Tod schien sie verändert zu haben.

Breitners Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Er brachte keinen Ton hervor. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Der Inspektor ließ ihm Zeit. Mühsam nickte der Millionär wieder.

„Ja, Inspektor, das ist meine Biggi.“

Er wusste, wo man sie gefunden hatte - und wie. Seine Frau, die sich ihrer angegriffenen Nerven wegen in einem Sanatorium befand, hatte vom Tod ihrer Tochter noch keine Ahnung, und E.W. Breitner wusste nicht, wie er es ihr beibringen sollte. War es besser, diese traurige Aufgabe dem Arzt zu überlassen? Würde seine Frau aber dann nicht denken, er verstecke sich hinter dem Doktor? War es nicht seine Pflicht, als Vater und Ehemann selbst darüber zu sprechen? So schwer ihm das auch fallen mochte ...

Gustav Sauer ließ das Laken langsam wieder sinken. Der Vater hatte seine Tochter identifiziert, damit war den Vorschriften Genüge getan.

„Tut mir sehr leid, Herr Breitner“, sagte der Inspektor.

Sie verließen den Raum mit dem kalten Licht. Auf dem Korridor blieb Breitner stehen. Verzweiflung hing in seinen Augen.

„Ich verstehe nicht, warum sie das getan hat, Inspektor. Sie hatte keine Sorgen. Es ging ihr gut. Meine Frau und ich lasen ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Wir verwöhnten sie.“

„Vielleicht hätten Sie gerade das nicht tun sollen“, meinte Sauer.

„Sie war unser einziges Kind. Wir haben sie vergöttert. Man liest immer, die Süchtigen kämen aus zerrütteten Familien. Meine Ehe ist in Ordnung.“

„Wieviel Zeit hatten Sie für Ihre Tochter, Herr?“

„Nun ja, natürlich musste ich mich meinen Geschäften widmen, aber ich stand Biggi öfter zur Verfügung als viele andere Väter ihren Töchtern.“

„Sagten Sie nicht ab und zu: ,Bitte lass mich in Ruhe, ich weiß heute nicht, wo mir der Kopf steht'?“

„Sicher ist das mal vorgekommen.“

„Merkten Sie nicht, dass sich Ihre Tochter daraufhin von Ihnen zurückzog?“

„Nein. Hören Sie, Inspektor, bei mir können Sie die Schuld nicht suchen, dass meine Tochter süchtig wurde.“

„Diese jungen Leute sind in diesem Alter sehr sensibel.“

„Biggi hatte keinen Grund, sich dem Rauschgift zuzuwenden. Sie verbrachte eine glückliche Jugend.“

„Sie boten ihr alles, was man für Geld kaufen kann“, sagte Sauer.

„Ist das denn ein Fehler?“

„Wie stand es mit Nestwärme? Konnte Biggi die kriegen?“

„Aber selbstverständlich. Wenn auch ich mich nicht immer um sie kümmern konnte, so war doch meine Frau da.“

„Verstand sich Biggi mit ihrer Mutter gut?“

„Sie waren wie Freundinnen.“

„Man hört, dass Ihre Frau kränklich ist.“

„Sie hat's im Moment ein bisschen mit den Nerven, aber das kriegen die Ärzte schon wieder hin.“

„Brauste Ihre Frau manchmal leicht auf?“

„Das kam schon mal vor.“

„Bestimmt gab es hin und wieder auch zwischen ihr und Biggi auch die üblichen Meinungsverschiedenheiten.“

„Nichts Nennenswertes. Sagen Sie, Inspektor, worauf wollen Sie hinaus?“

„Vielleicht war das Leben Ihrer Tochter doch nicht so glücklich, wie Sie meinen, Herr Breitner. Das soll keinesfalls ein Angriff gegen Sie sein. Sie und Ihre Frau haben bestimmt Ihr Bestes gegeben, davon bin ich überzeugt. Aber Biggi scheint mit dem, was sie bekam, nicht zufrieden gewesen zu sein. Zum Schein blieb sie im Familienkreis, aber in Wirklichkeit zog sie sich zurück, kapselte sich ab und suchte anderswo zu kriegen, was ihr fehlte. Früher oder später musste sie bei ihrer Suche auf Rauschgift gestoßen sein.“

Wut glomm in Breitners Augen auf.

„Finden Sie nicht, dass Sie es sich ein bisschen zu leicht machen, Inspektor? Meine Tochter ist nicht an ihrem Elternhaus zugrunde gegangen, sondern an der Unfähigkeit der Polizei. Ich formuliere das bewusst so scharf. Wenn die Polizei mit ihrer Jagd auf gewissenlose Rauschgifthändler mehr Erfolg aufzuweisen hätte, würden Jugendliche nicht so leicht an dieses verfluchte Zeug herankommen. Aber ihr werdet nicht Herr der Lage, kommt gegen diese Verbrecher nicht an. An jeder Straßenecke kann man Heroin kaufen. In jeder Diskothek wird gedealt. Sogar in den Schulen bekommt man Rauschgift. Und was tut die Polizei dagegen? Nichts.“

„Das ist nicht wahr, Herr Breitner, und Sie wissen es.“

„Na schön, jedenfalls tut die Polizei zu wenig, sonst gäbe es nicht so viele Rauschgifttote. Es ist nicht immer nur ein zerrüttetes Elternhaus, das die Jugendlichen zum Rauschgift bringt, Inspektor. Sie machen auch nicht deshalb mit harten Drogen Bekanntschaft, weil sie sich zu Hause unverstanden fühlen, sondern einfach aus purer Neugierde.“

„Das ist uns auch bekannt, Herr Breitner.“

„Wenn die jungen Menschen nicht überall Rauschgift kriegen würden, könnten sie ihre Neugierde nicht befriedigen.“

„Wir tun, was wir können.“

„Das reicht nicht, wie man sieht.“ E.W. Breitners Augen verengten sich. „Aber ich schwöre Ihnen, ich werde den Kerl, der Schuld am Tod meiner Tochter hat, zur Strecke bringen!“

Sauer warf dem Millionär einen beunruhigten Blick zu.

„Herr Breitner, Sie haben doch nicht etwa vor, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen? Ich kann Ihren Schmerz, Ihre Wut zwar verstehen, muss Ihnen jedoch dringend davon abraten.“

„Keine Sorge, ich habe nicht die Absicht, selbst gegen diesen Verbrecher vorzugehen. Ich werde den besten Mann auf ihn ansetzen, den ich für mein Geld kriegen kann, und das ist der Privatdetektiv Bernd Schuster!“

Der Schneemann mordet nicht! Berlin 1968 Kriminalroman Band 36

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