Читать книгу Der Schneemann mordet nicht! Berlin 1968 Kriminalroman Band 36 - A. F. Morland - Страница 9

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Bernd Schuster kroch müde aus den Federn. Die vergangene Nacht hatte es in sich gehabt. Bernd war hinter einem gerissenen Trickdieb her gewesen, und er hatte es erst im Morgengrauen geschafft, dem Burschen das Handwerk zu legen.

Der Detektiv ging langsam ins Bad und betrachtete sein Gesicht im Spiegel. Es war abschließend zu einem erbitterten Faustkampf gekommen, und ein paar Spuren konnte Bernd Schuster noch entdecken.

„Dieser Mistkerl hatte doch tatsächlich die Absicht, mir das Nasenbein zu brechen“, brummte Bernd. „Meine Güte, hätte ich dann ein Profil gehabt.“ Er winkte ab. „Vergiss ihn, Bernd! Er kriegt sein Fett und ist es nicht wert, dass du dich heute noch über ihn ärgerst.“

Er duschte ausgiebig. Zuerst heiß, dann kalt. So lange, bis er mit den Zähnen klapperte. Dann schlüpfte er in seinen Bademantel. Eine halbe Stunde später war er angezogen, fuhr von seiner Eigentumswohnung im 14. Stockwerk mit dem Fahrstuhl nach unten und schloss die Ladentür auf. Hier war seine Detektei, gut ausgestattet und möbliert in einer lange Zeit leerstehenden Ladenzeile untergekommen. Für alle Fälle gab es hier neben einer Teeküche, einem eigenen Besprechungsraum auch eine bequeme Couch in einer kleinen Kammer und eine Toilette mit Dusche.

Franziska Jahn, seine hübsche, blonde Lebensgefährtin, die noch immer in ihrer eigenen Wohnung lebte, traf ein. Sie trug rote Kniebundhosen und einen weiten Angorapulli. An einem langen Trageriemen baumelte ihre Handtasche.

„Guten Morgen, Bernd. Gut geschlafen?“ Es gab keinen Kuss zur Begrüßung.

„Gut schon. Aber kurz.“

Franziska schüttelte ihren blonden Lockenkopf.

„Erwarte nicht, dass ich Mitleid mit dir habe. Einem Windhund wie dir geschieht es ganz recht, wenn er sich am anderen Morgen elend fühlt.“

„Du tust mir wieder mal Unrecht“, sagte Bernd.

„Wie sah sie aus?“

„Wer?“

„Die Frau, mit dem du die Nacht verbracht hast. Was hat sie, was ich nicht habe?“

Bernd grinste. „Sie war blond.“

„Bin ich auch.“

„Groß.“

„Bin ich ebenfalls.“

„Kräftig.“

„Auch ich bin nicht gerade schwach.“

„Und sie war ein Mann. Sag jetzt bitte bloß nicht, das bist du auch“, lachte Bernd Schuster. Er nahm Franziska in den Arm und berichtete, was sich in der Nacht ereignet hatte, und Franziska wurde sofort freundlicher. Sie bot ihm sogar an, Kaffee zu kochen. Er zog sich in sein Allerheiligstes zurück. Sie brachte wenig später den Kaffee, ein paar Zeitungen und die Morgenpost. Und sie präsentierte eine Papiertüte mit lecker duftenden Schrippen.

Er grinste. „Heute verwöhnst du mich mal wieder.“

„Verdienst du’s etwa nicht?“

„O doch. Schließlich bin ja auch ich sehr gut zu dir.“

„Tatsache? Ist mir noch nicht aufgefallen.“

„Scher dich hinaus, du Eule, sonst vergesse ich mich und mache dir einen Heiratsantrag!“

„Ich warne dich, das war eine gefährliche Drohung“, erwiderte Franziska und verließ den Raum. Bernd blätterte die Zeitungen durch. Er erfuhr von Biggi Breitners tragischem Ende. Es gab Fotos von der Toten und Bilder von ihrem Vater. Von Biggis Mutter brachten die Zeitungen keine Aufnahme. Zwangsläufig beschäftigte sich Bernd Schuster nach der Lektüre der Berichte im Geist mit dem Drogenproblem, das die Behörden einfach nicht in den Griff bekamen.

Es war ein Kampf gegen eine vielköpfige Schlange, den man einfach nicht gewinnen konnte. Schlug man einen Kopf ab, wuchs sofort ein neuer nach. Manchmal auch gleich zwei oder drei ...

Das Problem war zu vielschichtig. Auf der ganzen Welt bekam man es nicht in den Griff. Selbst Bernd, der sich redliche Mühe gab, konnte immer nur Teilerfolge erzielen. Es wäre verrückt gewesen, sich anzumaßen, mit diesem Problem fertig werden zu können.

Franziska klopfte. Sie öffnete die Tür.

„Herr Breitner, Bernd“, sagte sie.

Bernd Schuster wusste, dass Breitner fünfundvierzig Jahre alt war. Der Mann sah jedoch mindestens zehn Jahre älter aus. Der Tod seiner Tochter hatte ihn arg mitgenommen. Er würde darunter noch lange leiden. Mit einer müden Handbewegung wies er auf die Gazetten.

„Haben Sie's schon gelesen, Herr Schuster?“

„Ja, und ich möchte Ihnen mein tief empfundenes Mitgefühl aussprechen, Herr Breitner“, gab Bernd Schuster zurück.

„Ich habe das Wertvollste verloren, das ich - neben meiner Frau - im Leben gehabt habe“, sagte E.W. Breitner ernst. „Biggis Mutter weiß übrigens noch nichts davon. Ich brachte es einfach nicht fertig, mit ihr darüber zu sprechen. Sie steckt im Augenblick in einer Nervenkrise. Eine so schlimme Nachricht würde sie sofort umbringen.“

„Irgendwann werden Sie es ihr sagen müssen“, meinte Bernd.

„Der Arzt wird den Zeitpunkt bestimmen.“

„Kann ich etwas für Sie tun, Herr Breitner?“, fragte Bernd Schuster. Er bot dem Millionär eine von seinen Roth Händle an. Sie rauchten.

„Ich musste den schmerzhaftesten Schlag meines Lebens einstecken“, sagte Breitner bitter. „Und ich will zurückschlagen. Auf meine Weise. Und mit Ihrer Hilfe. Bringen Sie den Kerl zur Strecke, der unsere Stadt mit diesem Teufelszeug verseucht, Herr Schuster! Ich bin bereit, Ihnen dafür sofort zehntausend D-Mark zu bezahlen, und mit der gleichen Summe dürfen Sie rechnen, wenn Sie den Fall erfolgreich abgeschlossen haben. Sind Sie damit einverstanden?“

Bernd nickte.

Es war nicht das Honorar, das ihn lockte.

Bernd Schuster war seit seiner Erbschaft unabhängig. Und zwar in einem Maße, dass es ihm ein sorgenfreies Leben bis zum Ende irgendwo in der Südsee ermöglicht hätte. Aber das wäre niemals das Leben gewesen, dass er sich wünschte. Auch nicht mit Franziska, die noch immer nichts von dieser Erbschaft wusste.

Es ging ihm um den Mann, den man den Drogenkönig von Berlin nannte. Oder auch den Schneemann, weil er sowohl mit Kokain wie mit Heroin handelte. Das war allgemein bekannt – und doch gab es für diese Behauptung keinerlei Beweise.

Bernd Schuster vermutete, dass es sich bei der jugendlichen Brigitte Breitner um ein weiteres Opfer von Freddy Kehrmann handelte. Und das war für ihn eine Herausforderung, die er gern annahm.

E.W. Breitner, ein Mann von schnellen Entschlüssen, zückte sein Scheckheft und stellte den Scheck sogleich über die Höhe des vereinbarten Betrages aus.

„Damit wir uns richtig verstehen“, sagte Breitner und legte den Scheck vor Bernd auf den Schreibtisch, „ich bin nicht scharf auf den Kopf jenes kleinen Dealers, von dem Biggi das Zeug gekriegt hat. Ich will, dass der Großhändler im Hintergrund fällt.“

Bernd nickte wieder.

Mit anderen Worten: E.W. Breitner verlangte den Kopf von Freddy Kehrmann, denn das war der Drogenkönig, der Schneemann von Berlin. Der gesamte Stoff, der in Berlin auf den Markt kam, lief angeblich durch Kehrmanns Hände.

„Ich werde alles daransetzen, um den Mann zu Fall zu bringen, Herr Breitner“, versprach Bernd Schuster. „Gestatten Sie mir noch ein paar Fragen!“

„Bitte.“

„Gehörte Ihre Tochter irgendeiner Clique an? Wer waren ihre Freunde?“

„Darüber sprach sie kaum. Natürlich haben wir sie hin und wieder nach den Namen ihrer Freunde gefragt, aber sie gab zumeist ausweichende Antworten und meinte, wir würden die jungen Leute ja doch nicht kennen.“

„Heißt das, Sie können mir mit keinem Namen dienen?“

„Ich fürchte nein.“

„Hatte Biggi so etwas wie ein Stammlokal?“

„Sie suchte mit Vorliebe eine Diskothek namens ,Black hole‘ auf.“

„Waren Sie schon mal da?“, fragte Bernd.

„Dafür bin ich zu alt. Jedenfalls behauptete das meine Tochter immer, wenn ich sie begleiten wollte.“

„Hat sich Biggi für Sie geschämt?“

„Ganz bestimmt nicht. Dazu hätte sie auch nicht den geringsten Grund gehabt. Sie wollte einfach nicht, dass ich ihre Freunde kennenlerne, und ich habe es respektiert. Das war wohl ein Fehler. Ich hätte mir die Freunde meiner Tochter doch ansehen sollen ...“ Der Millionär unterbrach sich. „Da fällt mir doch ein Name ein, Herr Schuster.“

„Ja?“

„Gerd Bartok. Er gehört der Clique an, mit der Biggi zusammen war.“

„Wissen Sie, wo er wohnt?“, fragte Bernd Schuster.

„Nein, aber ich bin sicher, dass Sie ihn im ,Black hole‘ antreffen.“

Der Schneemann mordet nicht! Berlin 1968 Kriminalroman Band 36

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