Читать книгу Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 10

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In der Elizabeth Street herrschte das pure Chaos, als mein Kollege Milo Tucker und ich dort eintrafen. Die Einsatzfahrzeuge des New York Police Department, des Coroners und der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker Polizeieinheiten verengten die Fahrbahn, sodass sich der Verkehr nur zähflüssig daran vorbei schleichen konnte.

Ich hatte den Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des FBI Field Office New York zur Verfügung stellte in einer Nebenstraße abgestellt und so mussten Milo und ich die letzten fünf Minuten zu Fuß durch den unangenehmen kalten Nieselregen laufen. Ein frischer Wind wehte aus Nordwesten und fegte damit ziemlich exakt durch die Häuserzeilen des wie ein Gitter angelegten Straßennetzes von Manhattan.

Ich schlug den Mantelkragen hoch. Aber als wir das Apartment in der Elizabeth Street erreichten, in dem sich der Tatort befand, klebten mir die Haare bereits feucht am Kopf.

Einem der uniformierten Kollegen, deren Aufgabe es war, Schaulustige auf Distanz zu halten und dafür zu sorgen, dass SRD und Gerichtsmediziner ihren Job machen konnten, zeigte ich meine ID-Card.

„FBI, Agent Jesse Trevellian“, stellte ich mich vor und deutete auf Milo. „Dies ist mein Kollege Agent Milo Tucker.“

„Nehmen Sie das Treppenhaus und gehen Sie in den vierten Stock“, sagte der Officer hilfsbereit. „Den Lift können Sie im Moment nicht benutzen, weil er noch nach Spuren untersucht wird.“

„Danke.“

Wir betraten das Haus und passierten den Flur.

Auf dem Weg zum Treppenhaus kamen wir am Lift vorbei.

Mit der Liftkabine beschäftigte sich ein Kollege von der SRD. Er trug einen weißen Einwegschutzoverall und hatte seine Tasche in die Lifttür gelegt, damit sie sich nicht schließen konnte.

„Vierter Stock, Apartment D 16“, sagte der SRD-Kollege.

Ich kannte ihn flüchtig. Er hieß Brett Sampran.

Im letzten Jahr hatten wir G-men der Reihe nach an einer Fortbildung teilnehmen müssen, in der es um Spurensicherung und die Vermeidung von Spurenvernichtung am Tatort gegangen war. Brett Sampran war der Dozent gewesen und hatte sich zwei Nachmittage lang über das ungeschickte Verhalten von Ermittlungsbeamten sämtlicher Polizeieinheiten am Tatort beschwert.

„Danke“, sagte Milo.

Wir erreichten das Treppenhaus.

Zwei Leichensäcke wurden an uns vorbei getragen. Wir sahen zu, dass wir in den vierten Stock kamen. In dem Apartment, wo sich die Tat abgespielt hatte, fanden wir den Einsatzleiter, der sich gerade die knappen Ausführungen des Gerichtsmediziners anhörte.

„Die Toten sind vor mindestens sechs Stunden erschossen worden“, sagte Dr. Brent Claus, der im Auftrag des Coroners am Tatort war und den wir bereits von anderen Einsätzen her ganz gut kannten.

Wir stellten uns kurz vor.

„Captain William Mongas, Homicide Squad III, 21. Revier“, stellte sich der Einsatzleiter vor. Er war ein schlaksiger Mann, Mitte dreißig, mit gelocktem, welligem und etwas ungepflegt wirkendem Haar. Unter dem zerschlissenen Army-Parka trug er allerdings einen grauen, dreiteiligen Anzug.

„Homicide Squad III?“, echote ich, „Sie haben also drei Mordkommissionen in Ihrem Revier?“

„Richtig. Wir wurden erst letzte Woche zusammengestellt. Die meisten von uns kommen aus anderen Bereichen.“

Normal waren ein bis zwei Homicide Squads pro Revier.

„Ich dachte, die Mordrate sinkt in New York.“

„Bei uns aber leider nicht“, sagte Mongas. „Auf diese Weise habe ich meine eigene Abteilung bekommen.“

„Na, so hat eben alles sein Gutes“, kommentierte Dr. Brent Claus die letzte Bemerkung unseres Kollegen – aber niemand von uns konnte darüber wirklich lachen.

„Ich nehme an, alles weitere erfahren wir erst im Obduktionsbericht“, meinte Milo.

„Ja“, bestätigte Dr. Claus. „Rechnen Sie nicht zu schnell damit, bei uns ist im Moment der Teufel los und außerdem sind zwei Pathologen wegen Grippe ausgefallen. Da kann es schon mal ein paar Tage länger dauern.“ Er drehte sich zu den Markierungen um, die kennzeichnete, wo die Toten gelegen hatten. „Einer der beiden Männer trug einen Anzug, der in der Lage war, Kugeln aufzufangen. Ich nehme an, dass die chemische Analyse ergeben wird, dass er aus einem dem Kevlar verwandten Material gefertigt war. Es gibt einige wenige Hersteller, die auf diesem Gebiet experimentieren. Der Täter traf den Mann direkt über dem Herzen, aber die Kugel konnte nicht eindringen. Dafür gab es zwei gebrochene Rippen. Erst ein Kopftreffer hat ihn getötet.“

„Danke“, sagte ich.

„Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.“

Dr. Claus nahm seine Arztasche und verließ den Raum.

„Ich habe von diesen neuen Kevlar ähnlichen Materialien gehört“, sagte Milo. „Die sollen ein Vermögen kosten.“

„Und es gibt wahrscheinlich nur wenige Schneider, die an den Stoff herankommen und außerdem noch wissen, wie man ihn verarbeitet!“, stellte Captain Mongas fest. „Kommen Sie, ich möchte Ihnen etwas zeigen. Sie können sich hier übrigens frei bewegen, die SRD-Kollegen sind bereits fertig mit diesem Raum. Der Grund dafür, dass wir zu diesem Mordfall das FBI hinzugezogen haben ist zunächst mal ganz formaler Natur. Eines der Opfer – Brandon Carter – ist laut seinem Führerschein in Paterson ansässig und damit Bürger des Staates New Jersey.“

„Ja, das hat unser Chef bereits am Telefon gesagt, als er uns hier beordert hat“, bestätigte ich.

Immer dann, wenn bei einem Verbrechen mehrere Bundesstaaten betroffen waren, fiel der Fall grundsätzlich in die Zuständigkeit des FBI, wobei es aber je nach Sachlage auch sein konnte, dass die Ermittlungen den lokalen Behörden überlassen wurden, wenn das der Staatsanwaltschaft sinnvoll erschien.

In diesem Fall war die Rechtslage sehr eindeutig. Ein Bürger von New Jersey war auf dem Gebiet des Staates New York ermordet worden – und daher waren wir vom FBI zuständig.

„Inzwischen ist noch ein weiteres Moment hinzugekommen, dass den Fall noch eindeutiger in Ihren Zuständigkeitsbereich verlagert, Agent Trevellian.“ Mongas deutete auf einen in Cellophan eingewickelten Führerschein. Er war blutverschmiert. „Sehen Sie sich das genau an!“

„Das ist ja ein richtig antikes Stück!“, stellte Milo fest.

„Gut achtunddreißig Jahre alt“, sagte Mongas. „Der Führerschein wurde auf den Namen Jack Fabiano ausgestellt, geboren in Cleveland Ohio, aufgewachsen in der Brooklyn – und zwar zu einer Zeit, als dieser Stadtteil noch italienisch geprägt war. Als wir zu dem Namen eine Abfrage über NYSIS gestellt haben, bekamen wir ein dickes Dossier auf den Rechner.“

„Der Jack Fabiano?“, fragte ich.

Ich konnte es kaum glauben. Jack Fabiano war eine Legende. Von zwanzig Auftragsmorden glaubten wir zu wissen, dass sie auf sein Konto gingen. Aber im Laufe der Jahre war er immer geschickter geworden und hatte es verstanden, vollkommen unterzutauchen. Manche hielten ihn für ein Phantom, mit dem Gangsterbosse sich gegenseitig Angst machten.

„Es besteht kaum ein Zweifel“, sagte Mongas.

„Die Frage ist, weshalb Jack Fabiano einen Führerschein bei sich hatte, der längst nicht mehr gültig ist und außerdem seine wahre Identität verriet?“

„Ich habe das über mein Laptop überprüft“, erklärte Mongas. „Dieses Dokument ist der einzige Führerschein, der jemals auf den Namen Jack Fabiano ausgestellt wurde. Noch vor Ablauf der Gültigkeit ist er offenbar untergetaucht und hat andere Identitäten angenommen. Diese Wohnung zum Beispiel besaß er unter dem Namen Jay Edgar Fabian.“

„Der Mann hatte Humor“, stellte ich fest.

Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis

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