Читать книгу Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 16

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Am nächsten Morgen saßen wir zusammen mit einigen Kollegen im Büro unseres Chefs. Mister Jonathan D. McKee leitete das FBI Field Officer New York im Rang eines Assistant Director in Charge.

Seine Sekretärin Mandy hatte ihren berühmten Kaffee serviert und ein angenehmes Aroma verbreitete sich im Büro unseres Chefs.

Ich nippte an meinem dampfenden Becher.

Mister McKee machte ein sehr ernstes Gesicht.

„Wir tappen bis jetzt ziemlich im Dunkeln, was diesen Fabiano/Carter-Fall angeht“, stellte er fest. „Wir wissen noch nicht einmal, unter welchem Namen Jack Fabiano in den letzten Jahren gelebt hat. Oder hat sich das inzwischen etwas Neues ergeben?“ Mister McKee ließ den Blick in der Runde schweifen, zu der außer Milo und mir auch die Agenten Clive Caravaggio und Orry Medina sowie unsere Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell gehörten. Darüber hinaus war auch Nat Norton, unser Experte für Betriebswirtschaft anwesend. Er hatte zwischen Agent Max Carter, einem Innendienstler aus der Fahndungsabteilung und Sam Folder Platz genommen. Dave Ontario von der Scientific Research Division, auf dessen Erkenntnisse über Brandons Computer wir sehnsüchtig warteten, hatte sich bereits telefonisch bei Mister McKee gemeldet und erklärt, dass es im Moment noch nichts Neues gäbe.

„Unter dem Namen J. Edgar Fabian gibt es ein Konto bei der Grand National Bank“, erklärte uns Nat Norton. „Es wurde kurz bevor Fabiano unter diesem Namen die Wohnung erwarb, eingerichtet und seitdem gehen von dort aus sämtliche laufenden Zahlungen ab, die damit in Zusammenhang stehen. Unter anderem die Heizkosten. Es gibt keinen Telefonanschluss, was nicht verwundert, denn nach Auskunft der Agenten, die dort waren, machte die Wohnung ja auch nicht den Eindruck, als hätte Fabiano jemals für längere Zeit gelebt.“

„Konnten Sie herausfinden, woher die Einzahlungen auf dieses Konto stammten?“, hakte Mister McKee nach. „Schließlich ist er ja die ganzen Jahre über wohl zumindest soweit gedeckt gewesen, dass die Kosten für die Wohnung bezahlt werden konnten.“

Nat nickte. „Richtig. Es gingen ziemlich unregelmäßig Beträge ein, die in etwa den Ausgaben entsprachen und im Laufe der Zeit einen leichten Überschuss ergaben. Das gegenwärtige Guthaben beträgt 1256 Doller und 43 Cent. Die Einzahlungen kamen bis vor zwei Jahren von einem Konto in Zürich, danach von einer Firma auf den Cayman Islands.“

„Das bedeutet: Da verliert sich die Spur erst einmal“, stellte Mister McKee fest.

„Leider ja. Aber ich versuche natürlich diesen spärlichen Geldstrom weiter zurückzuverfolgen, was nicht so ganz einfach ist. Je kleiner die Summe, desto schwieriger ist das, wie Sie sich denken können.“ Nat zuckte die Achseln. „Im Moment sehe ich ehrlich gesagt die Chancen nicht so rosig. Übrigens gibt es da noch interessantes Details am Rande...“

„Ich höre“, sagte Mister McKee.

Nat blickte auf seine Unterlagen, die aus einem Wust von Computerausdrucken bestanden.

„Bei der gleichen Bank, bei der das Konto eingerichtet war, hat Fabiano auch Aktiendepot eingerichtet. Mit 20 000 Dollar hat er sich an einem Aktienfond namens TronicFond beteiligt, der wohl speziell auf Werte in der Elektronik-Branche ausgerichtet ist. Das stand des Fondkontos schwankte stark. Zuletzt betrug die Einlage 20 000 Dollar, die vor drei Monaten ausgezahlt wurden. In bar.“

„Dann brauchte er dringend Geld!“, schloss Clive Caravaggio. Der flachsblonde Italoamerikaner war Mister McKee Stellvertreter und damit der zweite Mann im Field Office New York.

Nat wandte den Kopf in Clives Richtung. „Er brauchte Bargeld“, korrigierte er. „Und dafür muss es tatsächlich einen Grund geben.“

Anschließend fasste Sam Folder die Erkenntnisse zusammen, den vorläufigen Bericht der SRD sowie die bisher vorliegenden ballistischen Erkenntnisse vor. Danach war tatsächlich aus zwei Waffen des gleichen Kalibers geschossen worden. „Beide Waffen müssen nagelneu sein, jedenfalls wurden sie zuvor nicht bei einem Verbrechen benutzt. Dass die Täter Schalldämpfer verwendeten war von Anfang an nahe liegend. Aber die Tatsache, dass sie auch die Patronenhülsen aufgesammelt haben, spricht dafür, dass es sich um Profis handelte.“

„Wir müssen also jemanden finden, dem Fabiano und Carter gleichermaßen im Weg waren“, meinte Mister McKee. „Die Variante, dass einer der beiden nur ein Zufallsopfer war, halte ich zwar nicht für ausgeschlossen, aber doch für wesentlich unwahrscheinlicher. Schon deshalb, weil sich beide unter sehr konspirativen Bedingungen getroffen haben.“ Mister McKee wandte sich an Milo und mich. „Was haben die Befragungen rund um den Tatort ergeben?“

„Fabiano hat sich mit Carter in der Bar DOLCE VITA getroffen. Kurze Zeit später hat sich jemand nach einem Mann erkundigt, auf den Fabianos Beschreibung passt. Prewitt hat ein Phantombild angefertigt.“

„Das liegt vor“, meldete unser Innendienstler Max Carter. „Einen Augenblick...“ Max betätigte den Beamer, den er an seinem Laptop angeschlossen hatte. Im nächsten Moment erschien das Phantombild an der Wand. „So sieht der Mann aus!“, erklärte er. „Wir haben das Bild durch den Computer gejagt. In den über NYSIS zugänglichen Datenbanken konnten wir niemanden mit wirklich zwingender Übereinstimmung finden. Vor allem niemand, der gleichzeitig Verbindungen zu Fabiano, zur Mafia oder zum organisierten Verbrechen im Allgemeinen gehabt hätte.“

„Also ein unbeschriebenes Blatt“, schloss Mister McKee. „Wir geben den Mann in die Fahndung, aber das Bild wird nicht über die Medien verbreitet, sonst verschrecken wir den Kerl nur und er taucht unter.“ Mister McKee wandte sich an Clive Caravaggio. „Nutzen Sie Ihre Kontakte und Informanten in Little Italy, zeigen Sie dieses Bild herum. Vielleicht kennt ihn dort jemand.“

„Ja, Sir“, nickte Clive.

„Dann gibt es da noch den Mann, mit dem sich Fabiano nach Auskunft seines Nachbarn vor ein paar Wochen auf dem Flur gestritten hat“, merkte ich an.

„Dessen Bild habe wir auch durch den Rechner gejagt. Abgesehen davon, dass es sich auf Grund der Altersangabe und der Beschreibung von Mister Donovan McGregor unmöglich um dieselbe Person handeln kann, die sich im DOLCE VITA nach Fabiano erkundigt hat, wissen wir ebenfalls nichts über ihn.“

Sam Folder mischte sich jetzt ein. „Wir haben in der Wohnung Fingerabdrücke von zwei Personen gefunden, bei denen wir annehmen, dass sie schon älter sind und nicht von den Opfern hinterlassen wurden.“

„Wurde bereits ein Abgleich über AIDS durchgeführt?“, fragte Mister McKee.

AIDS – das Automated Identification System – war eine allen Polizeieinheiten zugängliche Datenbank, in der die Fingerabdrücke von Millionen Amerikanern gespeichert waren. Dabei handelte es sich beileibe nicht nur um Kriminelle! Jeder, der irgendwann einmal erkennungsdienstlich behandelt worden war, blieb darin gespeichert. Darüber hinaus auch alle Fingerabdrücke, die von Bewerbern bei der Army, der Polizei und im öffentlichen Dienst genommen wurden. Daher war die Anzahl der Einträge inzwischen auch schon weit höher als die Zahl zurzeit lebender Amerikaner.

„Der Abgleich wurde durchgeführt. In einem Fall ohne Ergebnis. Das könnte der Mann sein, mit dem Fabiano sich vor ein paar Wochen gestritten hat.“

„Und der Zweite?“, hakte Mister McKee nach.

„Heißt Donovan McGregor und wohnt im Apartment nebenan. Er war in der Army und hat in Korea gekämpft. Später war er jahrelang bei der New Yorker Hafenverwaltung angestellt“

„Unser Glück, dass die elektronische Erfassung dieser Altbestände an Fingerabdrücke im letzten Jahr abgeschlossen wurde“, lautete Mister McKees Kommentar. Er wandte sich an Milo und mich. „Fühlen Sie dem Kerl noch mal auf den Zahn! Da stimmt doch was nicht! Was hatte dieser Mann in Fabianos Wohnung zu suchen? Ansonsten sehen Sie zu, ob sie in Brandon Carters Verlag oder seiner Produktionsfirma noch irgendwen finden, der sich auf seinen Kontakt zu Fabiano einen Reim machen kann.“ Unser Chef wandte den Kopf um ein paar Grad, sodass er nun auf Leslie und Jay blickte. „Sie beide hören sich bitte mal in dem Kabelsender um, der Carters Sendung immer zur Erstausstrahlung bringt. So weit ich das inzwischen verstanden habe, übernehmen die großen Networks immer erst die Wiederholungen.“

„Ja, Sir“, murmelte Jay.

„Und sprechen Sie auch mit den Anwälten – nicht nur mit Carters Anwälten, sondern auch mit denen des Senders!“ Mister McKee atmete tief durch. Er trank seinen Kaffeebecher leer und verzog das das Gesicht. Kalt schmeckte selbst Mandys Kaffee nicht besonders. „Max, wieweit sind Sie mit der Liste sämtlicher Personen, die sowohl ein Motiv haben könnten Carter zu ermorden, als auch Fabiano ins Jenseits zu wünschen, sodass wir nach Überschneidungen suchen können.“

„Ist in Arbeit, Mister McKee. Die Schwierigkeit ist dabei zurzeit, dass wir aus den letzten zwanzig Jahren zwar so gut wie alles über Carters Leben, dafür so gut wie nichts über Fabiano wissen.“

„Ich hoffe, dass unsere Ermittlungen daran bald etwas ändern“, erklärte Mister McKee.

„Dieser kugelsichere Anzug, den Fabiano trug – es müsste doch herauszufinden sein, woher der stammt“, warf ich ein.

„Alle Hersteller von Schutzwesten arbeiten an dem Problem, Schutzkleidung mit normalem Tragekomfort herzustellen“, sagte Max. „Das sind aber bislang alles nur Versuche. Nichts davon ist in Serie gegangen oder kann einfach auf Bestellung bezogen werden. Die Hersteller experimentieren da mit verschiedenen Geweben. Woher das spezielle Gewebe dieses Anzugs stammt, weiß ich bis heute Nachmittag, vorausgesetzt es wurde patentiert.“

„Gut“, sagte Mister McKee. „Sobald wir in der Sache mehr wissen, sehen wir weiter.“

In diesem Augenblick klingelte eines der Telefone auf Mister McKees Schreibtisch. Unser Chef ging hin, nahm ab und sagte dreimal im Abstand von jeweils zehn bis fünfzehn Sekunden „Ja.“

Dann legte er wieder auf und drehte sich in unsere Richtung.

„Das war Dr. Brent Claus. Die Obduktion ist nun abgeschlossen. Was Brandon Carter angeht, hat sie lediglich das ergeben, was wir schon wussten. Sein Körper wurde von mehreren Kugeln durchschlagen, von denen mindestens drei für sich genommen schon tödlich gewesen wären. Interessant ist, was Dr. Claus über Jack Fabiano herausgefunden hat.“ Mister McKee machte eine Pause und ließ die Hände in den Taschen seiner grauen Flanellhose verschwinden. „Fabiano hatte Krebs. Lungenkrebs im Endstadium, nicht mehr therapierbar.“

„Wie lange hatte er noch?“, fragte ich.

„Dr. Claus meint nicht mehr als ein paar Monate. Fabiano musste allerdings jederzeit mit einem abrupten Ende rechnen.“

„Könnte es sein, dass Fabiano in Brandon Carter eine Art Beichtvater gesucht hat?“, vermutete Milo. „Jemandem, vor dem er reinen Tisch machen konnte?“

Milos Annahme machte Sinn.

Wenn Fabiano bewusst gewesen war, dass es mit ihm zu Ende ging, brauchte er auch nicht mehr zu fürchten, dass die Justiz ihm auf Grund der Veröffentlichung von Details aus seiner Lebensgeschichte am Ende auf die Spur kam. Eine Bilanz ziehen, wenn das Ende nahe ist – das war wohl ein menschliches Bedürfnis, das Fabiano mit vielen anderen vor ihm geteilt hatte.

„Ich halte Ihre Annahme für plausibel, Milo“, äußerte Mister McKee.

„Vielleicht gab es jemanden, dem Fabianos Idee einer Lebensbeichte nicht passte“, warf ich ein. „Jemand, der dadurch vielleicht sogar direkt bedroht war.“

Mister McKee zuckte die Schultern. „Dr. Claus meint, dass Fabiano unglaubliche Schmerzen gehabt haben muss. Es sei ein Wunder, dass der Mann überhaupt noch auf den Beinen gewesen sei. Im Blut sind starke Rückstände von Morphium nachgewiesen worden. Wir können annehmen, dass er die zwanzigtausend Dollar Bargeld vor drei Monaten dazu brauchte, um sich mit einem ausreichenden Morphium-Vorrat für seine letzten Tage auszustatten.“

Ich hab mal einen Killer gekannt: 4 Action Krimis

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