Читать книгу Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 13

7.

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Nachdem sie sich mit Peilsendern und einem Richtmikrophon ausgerüstet hatten, gab Falk die Adresse von Szymon Nowak in sein Navigationsgerät ein. Dessen Haus stand unmittelbar an einem See namens „Jeziore Jamno“. Auf der anderen Seite des Ufers befand sich ein kleines Städtchen und ein paar Unentwegte wagten sich, selbst um diese Jahreszeit, auf den großen See, um ihrer Segelleidenschaft zu frönen. Als Falk auf das in der Wintersonne glitzernde Wasser starrte, kam ihm eine Idee.

„Kannst du segeln?“, fragte er Ewa, nachdem er den Wagen auf einen Parkplatz direkt am Ufer in der Stadt Mielno gelenkt hatte und verstaute, ohne eine Antwort abzuwarten, die Sachen in seinem Rucksack.

„Nein. Ich bin zwar am Meer aufgewachsen, aber ich habe lieber festen Boden unter den Füßen. Wozu hat mir der liebe Gott sonst zwei Beine gegeben?“, witzelte sie.

„Dann wird es aber langsam Zeit, dass du es lernst. Komm, wir mieten uns ein Boot, segeln auf die andere Seite und legen uns am Schilf in der Nähe des Hauses in Deckung. Die Reichweite des Richtmikrophons sollte die Distanz spielend schaffen.“

„Wenn du meinst. Ich rufe nur kurz Mutter an und sage ihr, dass es bei mir später wird und bitte sie, dass sie Iga vom Kindergarten abholt.“

Wenig später segelten die beiden über das ruhige Wasser des Sees, nachdem Falk dem Besitzer eine exorbitant hohe Summe mit der Zusicherung gezahlt hatte, das Boot am späten Abend wieder zurückzubringen. Es war ein Boot von etwa fünf Meter fünfzig Länge mit einer winzigen Kajüte.

Falk genoss die Fahrt durch die winterliche, klare Luft. Früher war er oft mit seinem Vater, der ein eigenes Segelboot besaß, zwischen Rügen und Hiddensee unterwegs gewesen und seine Gedanken schweiften zurück zu den gemeinsamen Abenden, die er mit ihm zusammen am Lagerfeuer an einem menschenleeren Strand verbracht hatte. Wehmut kam in ihm auf und dann schaute er auf Ewas schlanke Gestalt, die am Bug des Schiffes mit einer Windjacke bekleidet saß und ihre Beine über Bord baumeln ließ, während das Boot seinem Zielort entgegenglitt. Ihren Kopf hatte sie in den Nacken gelegt und die Sonne schien ihr ins Gesicht. Was für eine Frau, dachte Falk und riss sich aus seinen Tagträumen, da sie nun den Schilfgürtel in der Nähe von Nowaks Villa erreicht hatten.

Ewa kletterte rasch nach hinten und warf den Anker, während Falk das Boot quer zum Schilf legte und den vorderen Anker platzierte.

„Kannst du etwas erkennen“, fragte Ewa ihn.

„Sein Mercedes steht neben dem Haus, also müsste er da sein.“

Falk kramte das Richtmikrophon mit dem Klangverstärker aus dem Rucksack, nahm letzte Einstellungen vor und richtete schließlich die Apparatur auf die Villa. Ewa nutze die letzten Sonnenstrahlen aus und legte sich auf das Vordeck, während Falk es sich neben dem Mikrophon gemütlich machte.

Nach einiger Zeit waren ein paar Wortfetzen zu hören und Falk stellte das Gerät lauter. Nowak schien Besuch bekommen zu haben. Falk lichtete den Heckanker und ließ das Boot näher herantreiben. Mittlerweile war die Dunkelheit angebrochen und die Gefahr des Entdecktwerdens war gering.

„Bist du irre, mit dem Stoff hier aufzukreuzen? Ich hab dir doch gesagt, dass wir im Moment keine Fahrt riskieren können“, hörten sie Nowaks Stimme.

„Und ich fahr nicht mit sechs Kilo Crystal Meth in der Gegend rum. Ist mir egal, wo du das Zeug hinschaffst. Du hast garantiert, dass der Stoff nach Bornholm geht. Also halt dich daran“, erklang die Stimme des Besuchers.

„Ja, das war bevor man den Toten auf der Grom gefunden hat und die Bullen in der Firma rumgeschnüffelt haben. Wir müssen das Ganze erst Mal auf Eis legen, bis sich die Wellen beruhigt haben.“

Falk sah Ewa fragend an, weil er natürlich kein Wort verstand, aber die legte nur den Finger auf ihre Lippen.

„Da werden meine Lieferanten aber nicht begeistert sein.“

„Ich finde schon eine Lösung. Ich könnte ein Schiff unserer Flotte hierhin beordern und die Ware verschiffen. Aber ich brauche etwas Zeit.“

„Drei Tage, nicht länger. Du weißt, dass der Boss nicht mit sich spaßen lässt.“

Ewa sprang plötzlich auf, zog ihre Walther PPK und ließ sich ins eiskalte, hüfthohe Wasser gleiten. „Los, komm mit. Das ist nicht unser Mann, aber im Haus sind sechs Kilo Methamphetamin. Nowak hat seinen Kurier zu Besuch“, erklärte sie Falk, der ihr ohne zu zögern gefolgt war.

„Nicht unser Mann?“, fragte er sie fassungslos.

„Nein. Nowak ist Drogenschmuggler und zumindest Henryk Stala geht nicht auf sein Konto“, sagte sie, als sie durch das dichte Schilf stapften und froh waren, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

„Sechs Kilo Meth“, murmelte Falk und rechnete kurz den Schwarzmarktpreis durch.

Vorsichtig näherten sich die beiden dem Gebäude und hielten nach einem Eingang Ausschau.

Leise rüttelten sie an ein paar Fenstern im Untergeschoss. Eines ließ sich nach innen öffnen. Ewa glitt durch die Öffnung und Falk folgte ihr. Sie befanden sich in einem Fitnessraum, was das offene Fenster erklärte. Leise schlichen sie nach oben und fanden sich in einem Flur wieder, der zum Wohnzimmer führte, in dem sich die beiden Männer aufhielten. Die Tür war nur angelehnt und Ewa schob sie sachte auf. Nowak und ein, ihnen unbekannter Mann, neben dem ein Aktenkoffer stand, saßen am Esstisch, als Ewa die Tür ganz öffnete und ihre Waffe vor ihren Körper hielt.

„Polizei Kolberg“, rief sie die beiden Männer an. „Nehmen Sie die Hände hoch und …“

Weiter kam sie nicht, weil der Unbekannte blitzschnell eine Waffe gezogen und das Feuer auf Ewa eröffnet hatte, die sich mit einem Hechtsprung im letzten Augenblick hinter einer Sitzgarnitur in Sicherheit bringen konnte. Nun registrierte der Mann auch Falk, der ohne jede Deckung im Raum stand, und legte gerade seine Waffe auf ihn an, als plötzlich ein zweiter Schuss durch den Raum peitschte. Der Mann erstarrte mitten in der Bewegung, sein Revolver entglitt seiner kraftlosen Hand, und er brach mit einem Röcheln auf der Stelle zusammen. Falk schielte in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war und sah Ewa, die neben der Couch hockte und in diesem Moment ihre Waffe senkte. Nowak stand kreidebleich vor seinem Esstisch und war wie erstarrt.

Falk eilte zu dem am Boden liegenden Mann, fühlte dessen Puls und sah Ewa, die ebenfalls wie versteinert wirkte, mit einem Kopfschütteln an. Er sah, wie sich eine Träne aus ihren Augenwinkeln stahl, ging zu ihr und half ihr auf. Gleich darauf nahm er ihre Handschellen und legte sie dem offensichtlich unter Schock stehenden Nowak an.

„Ruf deinen Kollegen Jurek an, wir brauchen ihn hier. Er soll sich einige Leute zur Verstärkung mitbringen, damit sie diese Bude hier mal ordentlich auf den Kopf stellen.“

Ewa nickte und zog ihr Handy aus der Tasche. Gleich darauf hörte Falk sie leise sprechen und nach kurzer Zeit beendete sie ihren Anruf.

„Er kommt so schnell wie möglich“, murmelte sie und setzte sich in einen der schweren Ledersessel, während sie den Blick auf den Toten vermied.

Die Wartezeit wurde fast unerträglich. Nowak saß auf einem Stuhl, die Hände vor das Gesicht geschlagen, während Ewa mit grauem Antlitz vor sich hin starrte. Falk hatte den Koffer auf den Tisch gestellt, dessen Inhalt sich später im Labor als reines Methamphetamin entpuppte.

So fand Jurek die Situation vor, als er mit seinen Kollegen nach einer gefühlten Ewigkeit das Haus betrat. Sein erster Blick traf den Toten, der vor dem Esstisch auf dem steinernen Fußboden lag, unter ihm eine Lache aus Blut. Dann sah er Ewa, die regungslos in einem Sessel kauerte und immer noch vor sich hin stierte.

„Unser größter Albtraum“, sagte er zu Falk in Englisch, da er die Lage sofort richtig einschätzte.

„Sie hat mir das Leben gerettet. Der Typ hatte gerade auf mich angelegt und sie hat ihn erschossen, bevor er abdrücken konnte“, erklärte Falk leise. „Ist ein Scheißgefühl, obwohl sie natürlich richtig gehandelt hat.“

„Das war ihr Erster“, antwortete Jurek.

„Dachte ich mir. Lassen wir sie in Ruhe. Sie muss sich langsam damit abfinden.“

Jurek gab seinen Kollegen ein Zeichen, woraufhin sie Nowak festnahmen und aus dem Haus führten.

„Was macht ihr beiden eigentlich hier?“, fragte er plötzlich und schaute Falk von oben bis unten an, der nass und mit schmutzverschmierter Kleidung vor ihm stand.

„Nowak war einer der Hauptverdächtigen in unserem Fall. Also haben wir ihn observiert und als der Kurier Nowak gerade den Koffer übergeben wollte, war Ewa nicht mehr zu halten. Wir sind ins Haus und der Typ dort …“ Falk zeigte auf den Toten, „… hat sofort das Feuer eröffnet.“

„Habt ihr im Wasser gestanden?“, fragte Jurek mit einem Grinsen.

„Wir haben ein Boot gemietet und ein Richtmikro auf das Haus gerichtet. Offiziell wollten wir natürlich eine Befragung durchführen und sind durch die halb offenstehende Eingangstür ins Haus gekommen, als wir unter Feuer gerieten.“

Jurek grinste abermals und legte seine Hand auf Falks Schulter. Er griff hinter sich und steckte ihm gleich darauf, ohne dass es seine Kollegen, die gerade mit der Durchsuchung beschäftigt waren, bemerkten, eine 22er zu.

„Danke! Ist Scheiße ohne Waffe. Dann wäre das hier so nicht passiert“, klopfte er Jurek auf die Schulter.

„Macht, dass ihr nach Hause kommt, wir übernehmen den Rest hier. Und pass auf die Kleine auf“, fügte Jurek flüsternd hinzu und blickte zu Ewa, die wie ein Häufchen Elend wirkte.

„Mache ich. Und nochmals, Danke! Ach so, das Boot …“

„… lasse ich ebenfalls zurückbringen. Und Grabowski informiere ich auch. – Und jetzt, verschwindet!“, forderte Jurek recht resolut mit einem leichten Lächeln im Gesicht.

Falk ergab sich diesem Schicksal, ging nun zu Ewa und vor ihr in die Knie.

„Komm, lass uns von hier verschwinden. Ein Kollege fährt uns nach Mielno.“ Ewa nickte, nahm seine Hände und stand schwerfällig aus dem Sessel auf.

Wenig später setzte der Beamte die beiden vor ihrem Wagen ab und jetzt, wo sie allein waren, löste sich Ewas Anspannung in einem Fluss von Tränen. Tränenüberströmt sank sie in Falks Arme.

„Ich habe einen Menschen getötet“, schluchzte sie, „aber er hätte dich fast erschossen und das wäre meine Schuld gewesen. Ich musste doch schießen“, schaute sie ihn mit einem fast panischen Blick an.

„Dummerchen. Das war in dieser Situation das einzig Richtige. Du hast mir das Leben gerettet.“

Die beiden hielten sich eine Weile fest umschlungen und fuhren dann schweigend zurück nach Kolberg. Falk beobachtete Ewa mit besorgter Miene, stellte aber bald fest, dass sich die Spannung in ihr größtenteils gelöst hatte. Sie hatte die Augen geschlossen und döste vor sich hin. Lediglich ein leichtes Zittern, das sie manchmal überkam, zeugte von den Erlebnissen der letzten Stunde.

*

Als Jolanta ihnen die Tür öffnete und in Ewas Augen schaute, wusste sie sofort, dass etwas nicht stimmte. Während Ewa wortlos im Bad verschwand, um eine heiße Dusche zu nehmen, klärte Falk sie mit einfachen Worten über die Vorkommnisse des Abends auf.

„Du bleiben bei ihr?“, fragte sie besorgt.

„Ja. Ich schlafe auf der Couch. Sie muss ihre Ruhe haben. Sie hat einen Menschen getötet und das ist der Albtraum eines jeden Polizisten.“

Jolanta nickte, richtete ihm die Ausziehcouch mit Bettzeug und verabschiedete sich kurze Zeit später von Falk. Als sie die Wohnung verließ, zog sie leise die Tür hinter sich zu.

„Mutter ist gegangen?“, fragte Ewa, als sie nach einiger Zeit im Morgenmantel wieder das Wohnzimmer betrat.

„Ja. Ich bleibe aber diese Nacht hier und schlafe auf der Couch, wenn es dir recht ist.“

„Natürlich“, sagte sie knapp und ging in ihr Schlafzimmer, während Falk sich ebenfalls unter die Dusche begab und den warmen Strahl des Wassers genoss. Er wusste, was Ewa durchmachte. Dies hatte er vor langer Zeit selbst erlebt und es hatte einige Zeit gebraucht, das Ganze mental zu verarbeiten. Todmüde legte er sich etwas später unter die warme Decke und war bald darauf eingeschlafen.

Ein leises Geräusch riss ihn aus seinen Träumen. Er spähte durch seine halb geschlossenen Augen und erkannte Ewas Silhouette, die sich in ihrem Schlafhemd der Couch näherte. Sie schlüpfte unter seine Decke und kuschelte sich ganz nahe an ihn.

„Halt mich fest“, flüsterte sie leise und Falk legte seinen Arm um ihren Körper. Kurz danach hörte er ihre ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge und er selbst fiel ebenfalls wieder in seinen Schlaf zurück.

Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis

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