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Falk Möller erwachte aus einem fast komatösen Schlaf und blinzelte mit halb geschlossenen Augen auf einen hellgelben Vorhang, der sich vor einem hohen Fenster befand. Gleich darauf schaute er verstört auf seine rechte Hand, um die sich ein schwarzer Stringtanga gewickelt hatte. Langsam schloss er seine Augen wieder und versuchte sich verzweifelt daran zu erinnern, was letzte Nacht geschehen war.

Nach Dienstschluss hatte er noch in seiner Stammkneipe auf ein Glas Roten vorbeigeschaut. Die blonde Frau, die an einem Tisch in einer Nische saß, war ihm sofort aufgefallen, da er sie hier noch nie zuvor gesehen hatte. Sie hatte ihn fragend angeschaut und er hatte mit einem Lächeln geantwortet.

Es stellte sich heraus, dass Mona, so war ihr Name, sich hier mit jemandem verabredet hatte, den sie auf Tinder getauft hatte. Anscheinend hatte er sie versetzt und Falk dankte Gott für die glückliche Fügung, da sie ihn wohl als recht sympathisch einstufte. Ein Glas gab das andere und am Ende waren sie beide in ihrer Wohnung gelandet. Er konnte sich noch daran erinnern, dass sie wie eine ausgehungerte Hyäne über ihn hergefallen war und dann war der Film bei ihm gerissen.

„Kaffee?“, hörte er ihre Stimme aus dem Hintergrund und er gab einen Laut von sich, der wohl als Zustimmung bei ihr ankam. Kurz darauf kam Mona in einem recht durchsichtigen Morgenmantel ins Schlafzimmer und Falk stellte fest, dass er sie sich nicht hatte schöntrinken müssen. Ihre vollen Brüste und ihr blondes Vlies schimmerten unter dem schwarzen Negligee und auch sonst hatte sie eine klasse Figur.

„Alles in Ordnung?“, hörte er ihre sanfte Stimme.

„Ja, ja, alles gut“, murmelte er und nahm ihr dankend den Kaffee aus der Hand.

„Du, hör mal, die letzte Nacht war wunderschön, aber …“, setzte sie an.

„Kein Problem“, antwortete er verkatert. „Wir sind alt genug und hatten unseren Spaß, aber an eine feste Beziehung ist mir im Moment auch nicht gelegen.“

„Schön, dass du es auch so siehst“, lächelte sie ihn an und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, als sein Mobiltelefon sich meldete.

Mona drehte sich herum und warf ihm sein Handy zu.

„Moin Falk“, hörte er die Stimme seines Kollegen Robert Schröder. „Ich weiß, du hast deinen freien Tag, aber wir brauchen dich hier.“

„Mord oder Brandstiftung?“, fragte er plötzlich hellwach.

„Mord. So hat man es uns jedenfalls gemeldet.“

„Gemeldet? Warst du nicht vor Ort?“

„Geht schlecht. Die Leiche liegt in Kolobr…, irgendwas in Polen in der Rechtsmedizin.“

„Und was haben wir damit zu tun?“

„Der Tote ist Deutscher und kommt hier aus der Gegend. Aber komm erst mal zur Dienststelle. Dann erkläre ich dir alles Weitere. War’s schlimm?“, hörte er Schröders Stimme und konnte sein Grinsen förmlich durch den Hörer spüren.

„Nicht so sehr“, antwortete er und schaute Mona mit einem Lächeln an.

„Du bist ein Bulle?“, fragte sie ihn, an ihrem Kaffee nippend.

„Mordkommission Stralsund“, antwortete er knapp.

„Noch ein Grund …“

„Klar, verstehe ich. Ungeregelte Arbeitszeiten sind nun mal nichts für eine feste Beziehung. Die letzte hat grade mal ein halbes Jahr gehalten“, sagte er und zog sich an.

„Den kannst du behalten“, grinste Mona, als er ihr ihren Slip zurückgeben wollte. „War wirklich ’ne tolle Nacht und wenn du mal wieder Bock darauf hast, melde dich ruhig.“

Falk gab ihr zum Abschied einen Kuss, den sie leidenschaftlich erwiderte, und verließ Monas Wohnung.

Seine Lebensgeister kamen langsam wieder in Fahrt, als er zum Präsidium fuhr. Eigentlich hätte er sich ein Taxi nehmen müssen, da sein Restalkoholspiegel mit Sicherheit über dem erlaubten Pegel lag, aber er selbst lag eigentlich, was seinen Pegel betraf, immer über dem Erlaubten.

Falk Möller war Oberkommissar bei der Polizei Stralsund, Abteilung Mord und Brandstiftung. Seine Akte war alles andere als sauber, aber seine Erfolgsquote bei der Aufklärung von Straftaten lag weit über der Norm. Aus diesem Grund hielt sein Vorgesetzter, Polizeirat Werner Nübel, seine schützende Hand über ihn, statt ihn, wie einige schon gefordert hatten, zum Streifenpolizist zu degradieren.

Möller lenkte seinen Dienstwagen auf den Parkplatz des Polizeipräsidiums, schälte sich aus dem Sitz und bewegte seinen einen Meter fünfundachtzig großen Körper zum Haupteingang.

„Moin Kommissar“, hörte er die Stimme des Kollegen, der heute, am Sonntag, den Wachbereich leitete.

„Moin Klaus. Ruhige Nacht gehabt?“, fragte er ihn.

„Relativ ruhig. Bis auf ein paar Schlägereien nichts Besonderes. Was machst du eigentlich hier?“

„Schröder hat mich angerufen. Geht um einen Mordfall“, knurrte er kurz angebunden und schlich die Treppe nach oben in den ersten Stock, wo sein Kollege ihn bereits mit einem Kaffee in der Hand erwartete.

„War also doch heftig“, grinste er, als er in Falks zerknautschtes Gesicht schaute und ihm den Kaffee reichte.

„Der Alkohol ja, und das andere … ja, auch“, grinste Falk nun zurück. „Also, was ist so dringend, dass ich noch nicht mal meinen Rausch vernünftig ausschlafen konnte.“

„Mordfall in Polski Landski an einem deutschen Staatsbürger“, sagte Schröder.

Sie betraten Schröders Büro und Falk ließ sich schwer in einen Drehstuhl fallen.

„An sich ja nichts Neues. Mord im Rotlichtbezirk?“

„Wegen so etwas hole ich dich doch nicht aus den Federn. Die getötete Person ist ein gewisser Dennis Gerber. Ein Bernsteinfischer hat ihn vor drei Tagen, nach dem großen Sturm, tot aus der Ostsee gezogen.“

„Ein was?“, fragte Falk ihn mit erstaunter Miene.

„Ein Bernsteinfischer. Das sind Leute, die mit einem Kescher bewaffnet nach Bernstein suchen. Nach einem Sturm ist die Beute besonders groß, weil das Zeug dann ans Ufer gespült wird. Na, auf jeden Fall wies Gerbers Körper eine Stichverletzung im Brustbereich auf.“

„Man hat ihn also umgebracht und in die Ostsee geworfen“, bemerkte Falk.

„Nein und das ist das Besondere an diesem Fall. Gerber war Berufstaucher und er steckte in seinem Neoprenanzug, als man ihn an Land zog.“

„Er war tauchen? Im Februar? In der Ostsee?“, schaute Falk seinen Kollegen mir ungläubiger Miene an.

„Scheint so zu sein. Auch die Kollegen in Polen müssen dumm geguckt haben, als sie den toten Taucher gesehen haben. Sie haben seine Fingerabdrücke mit Europol abgeglichen, und er war tatsächlich in der Datenbank gespeichert.“

„Er war also kein unbeschriebenes Blatt. Was hatte er für Vorstrafen?“ Falk war wieder hellwach und sein mordsmäßiger Kater hatte sich im Nu in Nichts aufgelöst.

„Schmuggel.“

„Innerhalb der Grenzen der EU? Drogen?“

„Nein, Antiquitäten. Gerber war international tätig und hat für diverse, dubiose Bergungsgesellschaften gearbeitet.“

„Bergung für was?“

„Schiffswracks. Damit kann man eine Menge Geld machen. Ich hab mich da mal schlau gemacht. Das Ganze ist irgendwie halb legal. Es gibt Firmen, wie zum Beispiel die Deep Sea Treasure Searching, die ausschließlich außerhalb der Zwölf-Meilen-Zonen, also in internationalen Gewässern, nach versunkenen Schiffen suchen und die Ladung bergen. Die arbeiten aber mit Tauchrobotern, weil die Tiefe für Taucher zu groß ist. Trotzdem müssen sie fast immer prozessual ihre Ansprüche gegenüber den Nationen durchfechten, aus dem das entdeckte Schiff stammte, oder aber sie arbeiten im Auftrag des Landes und holen sich die Provision ab. Es gibt aber auch Unternehmen, die am Rande der Legalität arbeiten und sich keinen Deut um das internationale Seerecht scheren.“

„Und für so eines hat Gerber gearbeitet?“

„Ja. Man hat ihn und die Crew des Schiffes dabei erwischt, wie sie das Wrack eines Frachtschiffes aus der römischen Zeit vor Kos in Griechenland plündern wollten. Das hat ihm eine Haftstrafe von zwei Jahren eingebracht. Die Griechen sind da äußerst rigoros, was den Schmuggel von Antiquitäten betrifft. Da hilft auch kein Bakschisch mehr.“

„Griechenland, Mittelmeer, das kann ich ja noch verstehen, aber im Winter in der Ostsee?“

„Das ist das Merkwürdige an der Sache. Aber das wirst du ja vor Ort herausfinden“, sagte Schröder mit einem hinterhältigen Grinsen im Gesicht.

„Vor Ort? Du meinst …“

„Die polnischen Kollegen in Kolberg haben um Amtshilfe gebeten und Nübel hat dich dazu auserkoren, sie bei ihren Ermittlungen zu unterstützen.“

„Ich spreche kein Wort polnisch“, setzte sich Falk halbherzig zur Wehr.

„Musst du nicht mir sagen. Das hat Nübel so entschieden. Während wir hier das Umfeld von Gerber abklopfen, sollst du, zusammen mit einem Kommissar Stepinska, dort ermitteln. Er soll recht gut deutsch sprechen.“

Falk stieß einen leisen Fluch aus. Polen kannte er, trotz der relativen Nähe zu Stralsund, nur als das Land rechts von Deutschland auf der Landkarte. Er wusste, dass man dort eine Sprache sprach, die sich für ihn wie Vogelgezwitscher anhörte und dass dort Autos auf unerklärliche Weise verschwanden.

„Hat Nübel erwähnt, für wie lange ich dorthin muss?“

„Frag ihn selbst, da kommt er grade“, grinste Robert ihn an.

Falk sah durch die Scheiben des Büros Nübels hagere Gestalt, die den langen Gang herunterkam. Er und Falk kannten sich schon ewig und hatten zusammen die Polizeischule besucht. Aber während Werner Nübel die Karriereleiter nach oben geklettert war, war Falk immer noch Oberkommissar, was nicht zuletzt seinem doch sehr unsteten Lebenswandel zu verdanken war.

„Moin, Moin“, begrüßte er die beiden.

„Moin Werner“, knurrte Falk ihn an.

„Hat Robert dich also schon über deine Auslandsmission unterrichtet“, sagte er und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Hat er und meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Warum gerade ich?“

„Weil ich dich hier aus der Schusslinie bringen will. Oberrat Meisen macht mir, wegen deiner letzten Eskapade, die Hölle heiß und will deinen Kopf. Du weißt genau, dass ich ein Disziplinarverfahren gerade noch abwenden und Kogler überreden konnte, das Ganze als bedauerliche Verwechslung darzustellen.“

Falk hatte seinen Kollegen bei einem Einsatz mit einer sauberen, rechten Geraden zu Boden geschickt, weil er die Festnahme eines Tatverdächtigen, hinter dem sie seit Wochen her waren, fast versaut hätte. Und genau das war Falks Problem, sein plötzlich aufflammender Jähzorn, der ihn und seinem Vorgesetzten nicht das erste Mal in die Bredouille gebracht hatte. In diesem Fall hatte Nübel es so dargestellt, dass Falk im Halbdunkeln seinen Kollegen Kogler nicht erkannt hatte und den Verdächtigen an der Flucht hindern wollte. Daraufhin hatte die „Interne“ nicht weiter ermittelt, hatte aber Falk Möller genauestens im Auge. Noch so ein Ding und selbst Nübel würde ihn vor einem Disziplinarverfahren nicht mehr schützen können. Da kam ihm dieser Fall gerade recht, wo er Falk nach Polen schicken konnte, bis etwas Gras über die Sache gewachsen war.

Nübel sah, wie sich die Miene seines Freundes etwas entspannte und lächelte zufrieden in sich hinein. Er kannte ihn besser als irgendjemand anderes und so schnell er auf einhundertachtzig war, genauso schnell kam er wieder herunter.

„Hast ja recht, Werner. Vielleicht tut mir ein Tapetenwechsel ja auch ganz gut. Wann fahre ich?“

„Morgen früh. Du kannst dein Auto nehmen. Die Spesen kannst du dann einreichen. Aber lass dir die Karre nicht klauen“, grinste Nübel über seinen eigenen Witz.

„Ich hab Falk schon über die Einzelheiten in Kenntnis gesetzt“, meldete sich Schröder.

„Ein merkwürdiger Fall, aber du bekommst das schon hin“, klopfte Nübel Falk jovial auf die Schulter. „Hier, ließ dir noch den Obduktionsbericht der polnischen Kollegen durch“, sagte er abschließend und warf Falk einen dünnen Ordner zu.

„Gut, dann melde ich mich morgen bei diesem Kommissar Stepinska. Hoffentlich spricht er gut genug Deutsch. Mein Polnisch ist nämlich ein bisschen eingerostet“, frotzelte Falk und wandte sich zum Gehen.

„Du hast ihm nicht verraten, dass Kommissar Stepinska eine sie ist?“, fragte Nübel seinen Kollegen Robert grinsend, als Falk gegangen war.

„Nö. Das soll er selbst rauskriegen“, antwortete dieser mit feixender Miene.

Killer kommen nicht so leicht davon: 7 Strand Krimis

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