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Kapitel 9

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Bern, Länggassquartier, 18. November 2019, 07:30

In Anbetracht der kurzen Nacht – Lisa war erst gegen 3 Uhr eingeschlafen – fühlte sie sich voller Energie. Sie kannte auch den Grund dafür. Lisa konnte es nicht erwarten, ihre Algenprobe mit derjenigen aus Siris Haaren zu vergleichen. Eigentlich eine Routineangelegenheit. Wenn man aber lediglich als Hobby-Ermittler an einem Fall arbeitete, stellten sich einem eine ganze Liste von beträchtlichen Hürden in den Weg.

1.) Lisa hatte Dienst und musste in 30 Minuten an ihrem Arbeitsplatz am Waisenhausplatz sein.

2.) Wer würde ihr in der Rechtsmedizin die Haarprobe von Siri aushändigen?

3.) Wer konnte die Laboranalyse durchführen?

Problem Nummer eins ließ sich mit einem Telefonat ins Dezernat und einer Notlüge einfach lösen. Problem Nummer zwei war da schon ein anderes Kaliber. Lisa konnte sich nicht im Traum vorstellen, dass ihr die kalbsnierensüchtige Rechtsmedizinerin die Probe aushändigte. Die Ärztin in die Ermittlungen miteinzubeziehen und sie zu bitten, gleich selber die Vergleichsanalyse zu machen, kam noch viel weniger infrage. Sackgasse.

Lisa wollte sich gerade ihren Mantel schnappen und mangels Alternativen doch zur Arbeit gehen, als ihr Handy klingelte. Zigerli.

»Hallo, Lisa. Hat sich dein zweiter Ausflug ins Schwarzwasserland gestern Nacht gelohnt? Oder hast du einfach die wunderbare Nachtstimmung am Fluss genossen?«

»Spar dir deine müden Witze. Natürlich habe ich etwas Entscheidendes gefunden«, entgegnete Lisa beleidigt. In wenigen Worten berichtete sie Zigerli, was sie gestern Nacht am Schwarzwasser entdeckt hatte. Sie schloss mit der frustrierenden Aussage, dass sie keinen blassen Schimmer hatte, wie und von wem sie die beiden Algenproben miteinander vergleichen lassen konnte.

»Nicht verzagen, Zigerli fragen«, hörte sie ihren Kumpel am anderen Ende der Leitung ungewohnt selbstbewusst. »Ein Freund, den ich aus unserer gemeinsamen kaufmännischen Ausbildung kenne, absolviert zurzeit eine Zweitlehre als Laborant. Und zwar in der Rechtsmedizin Bern. Vielleicht kann ich ihn überreden, die Analyse der beiden Proben durchzuführen – sofern er Zugang zu Siris Probe bekommt.«

»Die Proben in der Rechtsmedizin stehen dort nicht einfach herum. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dort jeder Laborantenlehrling einfach bedienen kann«, zweifelte Lisa.

»Sei doch nicht so pessimistisch. Timo, so heißt mein Kollege, ist mir noch einen Gefallen schuldig. Während unserer gemeinsamen Ausbildung wurde er nach einem Saufgelage an der Aare bei der Rückfahrt mit seiner Vespa beim Überfahren eines Rotlichts in der Berner Innenstadt geblitzt. Ich saß hinter ihm auf dem Roller. Timo hätte seinen Führerschein abgeben müssen, da er Rotlichter schon des Öfteren ignoriert hatte. Da ich in der Beziehung noch jungfräulich war, habe ich mich als Fahrer ausgegeben. Für mich setzte es lediglich eine saftige Buße ab. Timo hat diese gerne beglichen.«

»Dann bin ich gespannt, was dein Timo drauf hat«, versuchte Lisa, den Ehrgeiz von Zigerli weiter anzustacheln. »Falls uns dein Kompagnon die Analysenresultate liefern kann, koche ich für euch beide Ragù alla Bolognese.« Zigerlis Leibspeise.

Kompagnon Timo lieferte. Und erst noch speditiv. Am folgenden Nachmittag, es war am 18. November gegen 16 Uhr, streckte Zigerli sein nach Ragù alla Bolognese gelüstendes Haupt in ihr gemeinsames Büro. In seiner rechten Hand schwenkte er ein Dokument.

»Voilà, Frau Oberkommissarin. Der Analysenbericht aus der Rechtsmedizin Bern ist eingetroffen.«

»Im Ernst? Und was sagt er aus?« Lisa konnte ihre Ungeduld kaum mehr im Zaum halten.

Da Lisa alleine im Büro war, hatte sich Zigerli in der Zwischenzeit neben sie gesetzt. Er genoss die Situation in vollen Zügen. Mit breiter Brust legte Zeremonienmeister Zigerli Lisa die Analyseergebnisse auf den Schreibtisch. In wenigen Sekunden überflog Lisa den Inhalt des Dokuments. Mit pochendem Herzen landete sie bei den Ergebnissen.

Schlussfolgerungen: Es handelt sich beim Inhalt der Proben AX23pK und BZ45qR mit an 100 Prozent grenzender Sicherheit um ein und dieselbe Süsswasseralge: Hydrurus foetidus. Die ursprüngliche Herkunft der Proben kann ebenfalls als identisch bezeichnet werden: Schwarzwasser, Kanton Bern, Koordinaten: 46° 51′ 47’ N, 7° 21′ 35’ O; CH1903: 593983 / 190217.

Damit war für Lisa klar, dass Siri an praktisch derselben Stelle wie Zigerli im Schwarzwasser gelegen hatte. Aufgrund der Spuren im Fluss war anzunehmen, dass Siri von der Schwarzwasserbrücke heruntergestürzt war. Der Tod von Siri warf immer bedrohlichere Fragen auf. Obwohl sie es noch nicht abschließend beweisen konnte, stand für Lisa fest, dass Siri ermordet worden war. Höchstwahrscheinlich durch einen Sturz von der Schwarzwasserbrücke.

Das Schweigen der Aare

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