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6.4Die vier Dimensionen des Mischens

Der heilige Gral des Mischens verleiht Macht über Transparenz und Intensität des Klangerlebnisses. Das Ziel: Jedes Instrument sitzt druckvoll und präsent im Mix, ohne ein anderes zu überdecken. Dieses Überdecken nennt man auch Maskierung oder eben Masking. Dieses Phänomen ist in zwei Grundproblemen begründet:

1 Zeitbezogene Maskierung: Unser Gehör benötigt nach einem lauten Impuls immer eine kurze Erholungsphase von rund 5 ms, bevor es wieder voll aufnahmefähig ist. Fällt ein leiser Folgeimpuls in diese Phase, kann er von uns nicht wahrgenommen werden. Erstaunlicherweise tritt dieser Effekt nicht nur nach, sondern auch etwa 5 ms vor einem starken Impuls auf!Für die Arrangier- und Mischpraxis heißt dies, dass deine Instrumente nicht über lange Strecken das gleiche Muster spielen sollten. Sonst kann vieles nicht wahrgenommen werden. Abwechslung in Phrasierung und Rhythmus, sowie einfaches Weglassen bringt hier die Lösung.

2 Lautstärkebezogene Maskierung: Treffen zeitgleich unterschiedlich laute Impulse bei unserem Gehör ein, überdeckt das jeweils lauteste Signal die leiseren. Dieser Effekt wird zusätzlich verstärkt, wenn die betreffenden Töne in einer ähnliche Tonlage sind. Je näher die Frequenzen sind, umso deutlicher wird die Maskierung.Im Praxisalltag hilft hier beispielsweise das Ausweichen auf eine andere Tonlage oder der Wechsel der Panoramaposition.Der Vollständigkeit halber: Auf Basis dieses Phänomens funktionieren die bekannten Techniken der Audiodatenkompression: Was man sowieso nicht hört, wird als Information einfach weggelassen.

Um ein durchhörbares Klangbild mit möglichst wenigen Maskierungen zu erhalten, verteilst du die Signale in den vier Dimensionen des Mixes!

6.4.1Dimension 1: Frequenzbereiche und Pegel

Damit ein Instrument überhaupt zu hören ist, benötigt es eine gewisse Lautstärke. Diese hängt davon ab, wie wichtig, das Instrument für den Mix ist und welcher Effekt mit dem Signal erzeugt werden soll. Da es immer Signale gibt, die im Mix gleich laut sein sollen, brauchen die Instrumente zudem ihren eigenen Platz im Frequenzband.

Die Kunst dabei liegt in der Betonung der Frequenzbereiche, die den Klang charakteristisch oder besonders machen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Bereiche, die mit anderen Signalen geteilt werden müssen. Um aber mit den Frequenzen differenziert arbeiten zu können, solltest du diese zunächst einordnen können.

Dabei soll dir die folgende Tabelle helfen:

Bereich[Hz]Beschreibung
Sub-Bass0 – 30Hier finden sich keine wirklichen musikalischen Informationen, außer eventuell Rumpler, Pop-Laute, oder tieffrequente Synthesizerartefakte.Diese Frequenzen erzeugen einen unhörbaren, aber energiereichen Bassanteil im Summensignal, was zu Problemen bei der Wiedergabe und bei der Arbeit mit Kompressoren führt: Die hohe Energie führt eventuell zum Zerren oder Ansprechen von Kompressoren, obwohl keine relevante Info da ist.Lösung: Low-Cut oder steiler Shelf-Equalizer insbesondere bei den Spuren, die im Bassbereich nichts zu suchen haben.
Tiefbass30 - 60Töne aus dem Bereich werden eher gefühlt als gehört. Sie bilden das Fundament des Klangbildes und sind für den „Druck von unten“ verantwortlich.Eine Überbetonung macht den Klang matschig.
Bass60 – 250Hier sind die Grundtöne der Rhythmusgruppe und der anderen tieffrequenten Instrumente angesiedelt. Das Verhältnis dieses Bereiches zum Rest der Mischung entscheidet über einen satten oder dünnen Gesamtklang. Eine Überbetonung macht den Klang allerdings dröhnend.Um 250 Hz liegt zudem der Bereich, der im Allgemeinen für die akustische Wärme sorgt. Ein Spielen speziell in diesem Frequenzbereich hat daher deutlich mehr Einfluss auf die Wärme im Klang als die Unterschiede zwischen gutem Röhrenequipment und Transistorschaltungen!
Tiefmitten250 – 2.000In diesem Band liegen die akustischen Kerninformationen der meisten Instrumente, Stimmen eingeschlossen.Ein gesunder Anteil in dem Bereich macht den Klang voll und rund. Eine Überbetonung macht ihn jedoch mumpfig (300 bis 400 Hz), trötig (500 bis 1.000 Hz) oder blechern (1 bis 2 kHz).
Mitten2.000 – 4.000Hier ist die Sprachverständlichkeit und räumliche Ortbarkeit der Signale definiert. In diesem Bereich ist unser Gehör auch am empfindlichsten.Eine Überbetonung - besonders bei 3 kHz - stresst unser Gehör und erzeugt eine schnelle Hörermüdung.
Hochmitten4.000 – 6.000Dieses Band ist für die Klarheit und Präsenz von Instrumenten und Stimmen verantwortlich.Eine Betonung lässt die Signale näher erscheinen. Zuviel des Guten erzeugt wiederum Hörermüdung.
Höhen6.000 – 12.000Mit diesem Frequenzbereich wird die Brillanz eines Signals definiert. Wird dieser Bereich mit einem guten Equalizer angehoben, kann man den begehrten „Höhenglanz“ verstärken.Zu viel des Guten macht den Klang aber zischelig und schneidend.
Obere Höhen12.000 – 20.000Die Frequenzanteile in diesem Bereich bestimmen die Luftigkeit eines Klanges.Zuviel in diesem Bereich lässt den Titel dünn klingen. Für einen natürlichen Klang sollten die Signale ab 12 kHz langsam abfallen.

Die Bezeichnung der einzelnen Bänder variieren in der Literatur. Die Bezeichnung ist letztlich aber zweitrangig, es geht um den jeweiligen Effekt.

6.4.2Dimension 2: Panorama

Mit der Panoramaregelung werden die Signale im Mix sozusagen nebeneinander angeordnet.

Bassanteilige Elemente werden üblicherweise in die Mischungsmitte gesetzt. Rein technisch stammt dies noch aus der Ära der Schallplatten, prägt aber bis heute unsere Hörgewohnheiten. Abgesehen davon spricht auch die reine Physik für diese Praxis: Schließlich sind Bässe weniger gerichtet als Mitten oder gar Höhen und können daher eigentlich nur aus der Mitte kommend hörbar sein.

Wird nun tieffrequentes Material im Mix mal links und mal rechts betont, zerfällt die erwartete Ortbarkeit der Instrumente zu einem diffusen Klangbild. Als Effekt ist dies sicher interessant. Will man hingegen eine angenehme und durchhörbare Mischung erzeugen, würde ich davon abraten.

Je weiter außen ein Signal im Panorama gesetzt wird, desto lauter bzw. näher kommt es einem vor. Dies hat mit unserer Hörphysiologie zu tun: nur nahe Schallereignisse können überhaupt stereophon wahrgenommen werden.

Welche Signale kommen denn nun wohin? Die nachstehenden Beispiele sollen als Orientierung helfen:

0 % aus der Mitte:

 Bassdrum

 Bass-Instrumente

 Lead-Vocals

 Solo-Instrumente

25 % aus der Mitte

 Zweite Stimme

 Kontermelodie für Soli

 Shaker aus dem Hintergrund

 Hihat

 Hängetom

50 % aus der Mitte

 Rhythmusgitarre in der Strophe

 Unterschiedliche, sich gegenübergestellte Synthie-Pads

 Standtom

75 % aus der Mitte

 Backing-Vocals

 Rhythmusgitarre im Refrain

100 % aus der Mitte

 Effektsignale

 Chöre in breiten Popsongs

 Rhythmusgitarren bei „Megabrettern“

Eine tolle Möglichkeit, den richtigen Platz im Panorama zu finden, ist überraschenderweise das Regeln des Panoramas, während der Mix auf mono steht. Wenn es mono gut klingt, kannst du davon ausgehen, dass das Signal auch stereo gut platziert ist!

6.4.3Dimension 3: Tiefenstaffelung

Die Tiefenstaffelung definiert die Anordnung der Signale hintereinander. Bei einem realen Hörerlebnis wie beispielsweise einem klassischen Konzert oder der Geräuschkulisse einer großen Menschenmasse erkennst du automatisch, wer im Raum weiter vorne und weiter hinten positioniert ist. Unser Gehör ist auf diese feinen Unterschiede trainiert und verarbeitet sie automatisch.

Das Schaffen einer räumlichen Tiefe ist ein vielfach unterschätzter Schlüssel für einen transparenten und durchhörbaren Mix. Um diesen Effekt zu erzeugen, musst du dich „nur“ an den natürlichen Veränderungen von realen Signalen im Raum orientieren.

6.4.3.1Lautstärke

Fangen wir einmal ganz banal an: Je weiter hinten ein Signal ist, desto leiser ist es im Kontext zu den Signalen weiter vorne. Pro Verdopplung der Entfernung kann man von einer Reduktion von 6 dB ausgehen.

6.4.3.2Frequenzverlauf

Je weiter ein Signal entfernt ist, desto dumpfer wird es wahrgenommen. Bei Spuren, die du in den Hintergrund mischen willst, solltest du also die Höhen leicht absenken.

6.4.3.3Panorama

In der Realität verringert sich der Entfernungsunterschied zwischen dem Schallereignis und dem linken bzw. dem rechten Ohr zusehends, je weiter weg ein Schallereignis stattfindet. Daher nehmen wir weit entfernte Schallereignisse nur mit einer eingeschränkten Stereobreite wahr – das Signal rückt immer weiter zur Monomitte.

Diesen Effekt musst du auch im Mix umsetzen. Im Hintergrund des Mixes dürfen daher nur ca. 20 - 30 % der Stereobreite genutzt werden. Ein weit entferntes Signal kann also nie weit außen im Panorama positioniert werden.

6.4.3.4Raumeffekt

Entgegen der allgemeinen Meinung erzeugt ein weiter hinten liegendes Schallereignis nicht zwingend mehr Hall als ein Signal in der Front. Im Gegenteil: da sich alle Signale grundsätzlich im selben Raum befinden, haben auch alle ähnlich lauten Signale den etwa gleichen Hallanteil. Daher ist es für eine authentische Tiefenstaffelung sinnvoll, den Sendregler im Prefader-Modus zu verwenden. So bleibt der Hallanteil immer gleich, egal, wie leise du den Kanal ziehst.

Wenn man es ganz korrekt machen will, empfiehlt es sich, den gleichen Raumeffekt mit unterschiedlichen Predelays zu benutzen. Je näher dir ein Ereignis im Mix steht, desto länger benötigt es auch, um an den entfernteren (virtuellen) Wänden reflektiert zu werden. Daher bekommen die Signale in der Front den Effekt mit längerem Predelay verpasst.

Fazit: Willst du ein Signal im Mix nach vorne bringen, machst du es lauter und klar im Klang und nutzt nach Belieben die gesamte Stereobreite aus.

Soll das Signal im Hintergrund bleiben, machst du es leiser, senkst die Höhen ab und schränkst das Panorama ein. Wenn du willst, kannst du ein kürzeres Predelay im Raumeffekt wählen.

Wenn du diese Regeln beachtest, sollte ein Mix mit Tiefgang kein Problem mehr darstellen! Durch das Anordnen der Signale hintereinander verminderst du zudem aktiv deren Maskingpotential.

Produktionen werden dann besonders interessant, wenn es einige „Into-Your-Face-Sounds“ gibt, die einen eben buchstäblich anspringen. Dies schaffst du nur dann, wenn du letztlich viele andere Signale deutlich in den Hintergrund mischst!

6.4.4Dimension 4: Zeit

Nein, das ist jetzt keine Raum-Zeit-Theorie aus dem Reich der Science-Fiction. Die Zeit-Dimension ist schlichtweg das mächtigste Mittel, um Maskierungen von Signalen zu vermeiden. Instrumente, die nicht gleichzeitig spielen, können sich schließlich nicht stören. Daher: Hab den Mut, eventuell mühevoll aufgenommene Signale später doch nicht zu verwenden, wenn sie unnötig mit anderen Signalen konkurrieren sollten.

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