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Es war soweit. Das langersehnte Fest war endlich da. Heute war Firmung! Die von der Martina, also von Sanktus’ Stieftochter. Eigentlich hat sich der Sanktus, obwohl er nicht der wirkliche Extremkatholik vor dem Herrn war, auf den Tag gefreut, doch jetzt ist er, gefühlt seit fast einer Stunde, auf dem engen Klo der Haidhauser Altbauwohnung gesessen und hat auf sein Handy gestarrt. Nicht, dass du meinst, eine schlechte Nachricht auf dem Display, nein, nur das Solitär-Kartenspiel. Kurz und gut, der Sanktus hat sich einfach nicht aus der Toilette hinausgetraut, weil draußen Chaos. Meinst du, kannst du ihm nachfühlen, da die Kathi und die Martina herumgefuhrwerkt haben wie zwei Berserkerinnen? Das natürlich auch, aber es war zusätzlich ein weiterer Krisenfaktor hinzugekommen: Birthe Dombrowski, eine alte Freundin von der Kathi, und jetzt halt dich fest, aus Dresden!

Das »Dadüdada« hätte der Sanktus ja auch noch vertragen, weil ja Dialektfan, aber diese Frau, wenn sie geredet hat, hat direkt gesungen, mit so einer hohen Stimme, und jetzt pass auf, die Zeit, in der sie am Tag den Mund einmal gehalten hat, war so ungefähr auf 20 Minuten begrenzt. So ist es dem Sanktus zumindest vorgekommen, denn dieses Weib hat den ganzen lieben langen Tag geschnattert, da wirst du verrückt. Dauerbeschallung kein Ausdruck. Und das Schlimme an der Sache, sie hat die Kathi mitgezogen, und die hat somit ungefähr zehnmal so viel geredet wie sonst. Normalerweise hat die Kathi nie kopflos drauflosgeplappert, sondern immer erst ihr Hirnkastl eingeschaltet. Das war die Eigenschaft, außer ihren wunderschönen Zehen und ihrem Humor natürlich, die der Sanktus an der Kathi so gemocht hat, aber dieser Schalter war anscheinend gerade auf »Off« gestellt und der Sanktus am Leiden.

Wie kannst du dir die Birthe jetzt vorstellen? Sie war blond, ihre Haare hat sie zu einem Knoten auf dem Kopf zusammengefasst gehabt, aber nicht hinten, sondern zentral oben, wie die kleine My von den Mumins, also Fernsteuerantenne Anfänger. Ihr Gesicht war, abgesehen von dem brutal überschminkten roten Mund, ganz hübsch, aber die Erscheinung! Nix für den Sanktus. Die Birthe hat circa 100 Kilo gewogen und hat in ihrer unpassenden Kleidung ausgesehen wie eine abgepresste Blutwurst. Wäre auch noch gegangen, aber ihre Füße für den Sanktus halt überhaupt nicht tragbar. Sie hat extrem hässliche Zehen gehabt, die sie, es war ja warm, da Juni, barfuß zu jeder Gelegenheit auf dem Sofa oder auf einem Stuhl in die Höhe gereckt hat. Und immer »Dadüdada und Gänsefleisch«.

Der Sanktus, der die Birthe vorher nicht gekannt hat, war voller Tatendrang gewesen und hatte den Damen einen Schweinsbraten mit Blaukraut und Knödel gekocht, weil man muss ja jemand aus einem anderen Bundesland die bayerischen Schmankerl näherbringen, aber weit gefehlt, da Veganerin. Wie kannst du jetzt, wenn du nur Grünpampf frisst, so einen Ranzen in der Gegend umeinander schleppen, hat sich der Sanktus gefragt. Ist ihm dann auch plausibel erklärt worden, denn der Veganerwahn sei aus ihrem Abnehmwahn entstanden. Jo-Jo-Effekt-Vorbeugung hat es geheißen. Alkohol hat sie aber schon getrunken, und bei den Mengen an Wein, die sie weggepumpt hat, hätte sie auch eine halbe Sau in der Semmel essen können, Meinung vom Sanktus. Aber die war ja bei den Damen nicht gefragt. Ob das Etikett der Weinflasche mit veganem Kunstleim oder auf gar ketzerische Weise mit nichtveganem, auf Milcheiweiß basierendem Caseinleim draufgepickt war, war der Dame aber wurscht.

So hat sie halt das Blaukraut und die trockenen Kartoffelknödel mit zwei Flaschen Merlot runtergespült, und der Lärmpegel hat proportional zur Rotweinabnahme zugenommen.

»Ünd do Zwinger und die Semperöper und da müsstet ihr ünbedingt mol kömm. Und weste noch früher?«, und so weiter.

Und dann haben die Damen in Erinnerungen geschwelgt, wie toll es damals war, als die Kathi sie mal in Dresden besucht hat, und wie viel Männer die Birthe seinerzeit abgekriegt hat und so weiter. »Gloobste nüsch, nö?«

Und wenn der Sanktus die Birthe angeschaut hat, hat er das auch nicht geglaubt. Aber mei, weiß man’s? Steckst du nicht drin.

Die Martina hatte den Ausführungen am Anfang noch interessiert gelauscht, weil Weibergespräch, hatte aber dann auch schnell eine Müdigkeit vorgetäuscht und war ins Bett gegangen. Der Schorschi, Sanktus’ Sohn, und er selbst waren auch, nach Verstreichen eines unauffälligen Zeitraums, gefolgt. Die Frauen hatten noch bis 1 Uhr weitergemacht, und da das »Dadüdada« inzwischen recht laut gewesen war, war für den Sanktus an Schlaf nicht zu denken gewesen.

Wenn du jetzt meinst, das kannst du deiner Frau zuliebe mal aushalten, liegst du falsch, weil die Birthe war nicht nur zwei Nächte, sondern jetzt schon eine geschlagene Woche bei ihnen in München und der Sanktus kurz vor dem Durchdrehen. Baldiger Amoklauf relativ wahrscheinlich!

Der Sanktus hat gerade auf »Neues Spiel« drücken wollen, da hat es an der Klotür geklopft.

»Sanktüs, gännstefleisch ma fertschwerden? Ich müsste ooch mal«, hat die Birthe gesungen.

»Na bravo«, seitens Sanktus, und er hat gezwungenermaßen gespült. Klopapier hat er keins gebraucht, da er ja schon seit einer halben Stunde fertig war. Alibimäßig hat er noch etwas Lavendelduft versprüht, hat das kleine Fenster geöffnet und »Sofort!« gerufen. Hat sie doch noch ein bisserl zusammenzwicken sollen, die dumme Gans.

Nach circa drei Minuten hat der Sanktus die Tür geöffnet, und die Birthe ist mit 180 Sachen in die Toilette hineingestürmt. Nachdem der Sanktus eigentlich fluchtartig hinaus hat wollen, weil ja nicht länger als notwendig in einem Raum mit diesem Weibsstück, haben sich die beiden fast im Türrahmen verkeilt. Dabei ist dem Sanktus aufgefallen, dass die Birthe nur in Unterwäsche, aber mit Seidenstrumpfhose bekleidet war. Ein Bild zum Scheiße-Schreien. Anscheinend hatte sie ihr Bedürfnis beim Anziehen verspürt und war losgesprintet.

Der Sanktus hat jede ihrer Fettrollen an seinem Körper spüren können, und das rote Fischmaul war direkt vor seinem Mund. Jetzt wenn sie schnappt, also ihr Fischmaul direkt ins Gesicht drückt, sterb ich, hat er gedacht, aber die Birthe hat nur den Kopf geschüttelt und sich weiter an ihm vorbeigedrängelt.

»Endlüsch«, hat sie mit einem erzürnten Blick nur gezischt, ihn aus dem Klo geschoben, die Tür zugeschlagen und abgesperrt.

Die Kathi, die gerade, auch nur mit Unterwäsche bekleidet, am Sanktus vorbeigegangen ist, hat ihn angeschaut und verwundert gefragt, ob er einem Geist begegnet wäre, so blass, wie er aussehe.

»Fast, Kathi. Fast. Aber geht gleich wieder.«

»Zieh dich auch an«, hat die Kathi genörgelt. »Um 9 Uhr geht die Kirch los!«

»9 Uhr schon? Die spinnen ja!«, hat der Sanktus gerufen.

Seit wann ist denn so früh ein Gottesdienst? Echt jetzt, oder? Meinung vom Sanktus.

»Und hoffentlich ist da heut nix, weißt schon, wegen dem Wahnsinnigen mit den Psalmen«, hat die Kathi noch aus dem Schlafzimmer gerufen.

Pfaffensud

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