Читать книгу Alles beginnt und endet im Kentucky Club - Benjamin Alire Saenz - Страница 8

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Im schräg einfallenden Morgenlicht sah er aus, als würde er gleich in Flammen stehen.

Jeden Sonntag war er da, allein, für sich, einer, der auffiel

– aber keine traurige, einsame Gestalt. Auch keine tragische. Er wurde zur Hauptfigur einer Geschichte, die ich in meinem Kopf schrieb. Manche Menschen sind so schön, dass sie überall am richtigen Ort sind, wohin sie auch gehen. Das war der erste Satz meiner Geschichte.

Ich achtete immer darauf, was er gerade las: Dostojewski, Kazantzakis, Faulkner. Er war verliebt in schöne Literatur. Und in Tragödien. Weil er an der Grenze lebte. An der Grenze konnte man die Tragödie lieben, ohne eine tragische Gestalt zu sein.

Seinen Kaffee trank er schwarz. Obwohl ich mir da nicht sicher sein konnte.

Manchmal war zu erkennen, dass er gerade vom Laufen kam, das dunkle, wellige Haar wirr, halbnass vom Schweiß. Er war dünn und musste sich bestimmt zweimal am Tag rasieren. Trotzdem war immer ein Schatten auf seinem Gesicht. Selbst im Morgenlicht schien es halb verborgen.

Ich weiß nicht, wie lange ich ihn schon beobachtete. Seit einem Jahr. Vielleicht länger. Er war ein Gewohnheitsmensch. Nicht viel anders als ein Mönch. Nicht viel anders als ich.

Unsere Blicke begegneten sich nie, obwohl ich mir die

Farbe seiner Augen eingeprägt hatte.

Ich trödelte nie in dem Café herum – aber Sonntag morgens gab es immer eine Schlange. Das Warten war mir nur recht. Es gab mir Gelegenheit, einen Blick auf ihn zu werfen, während er in seinem Buch las. Wie gern wäre ich zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, was er von Kazantzakis hielt. Ich stellte mir vor, ich würde mit dem Satz loslegen, dass kein Mensch mehr etwas von ihm las. Dann würde er mich anlächeln.

Einen Kaffee bestellte ich nie.

Ich kam nur vorbei, um die Sonntagsausgabe der New York Times zu kaufen, und fuhr dann nach Hause, um meinen eigenen, fair gehandelten, frisch gemahlenen Kaffee zu trinken. Immer traf ich jemanden, den ich kannte. Die Leute waren sehr nett zu mir. Immer. Hallo Mr. De la Tierra gut sehen Sie aus Mr. De la Tierra woran arbeiten Sie gerade Mr. De la Tierra schön Sie zu sehen Mr. De la Tierra.

Dass so viele Leute meinen Namen kannten, hat mich nie besonders gefreut. Im Gegenteil, ich kam mir eher noch einsamer vor. Und außerdem wusste niemand wirklich, wer ich war. Nicht einmal ich selbst.

Alles beginnt und endet im Kentucky Club

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