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c) Polybios’ Verfassungsanalyse und Ciceros Staatsschriften

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Mischverfassungstheorie

Zur Bewertung der Leistungen und Versäumnisse im erhaltenen Teil der Verfassungsanalyse des Polybios ist C. Nicolet (1974) heranzuziehen. Polybios ordnete um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts die römische Verfassung im Spektrum der möglichen und bekannten Verfassungen unter den Mischverfassungstypus ein. Darüber hinaus hat Polybios zufolge die spezifische Beschaffenheit ihrer Verfassung es den Römern ermöglicht, die größten Krisen – auch diejenige des Hannibalkrieges – zu überstehen und in nicht ganz 53 Jahren eine (auf die antike Oikumene, die Mittelmeerwelt, bezogene) Weltherrschaft zu erringen. In diesem Verfassungsgefüge nämlich balancierten sich nach Polybios das demokratische Element, durch das Volk repräsentiert, das königliche Element durch die Konsuln und das aristokratische Element aufgrund des Senates im Rahmen einer Mischverfassung ideal im Sinne eines dauerhaften Bestandes aus, weil die angesprochenen Elemente – im Unterschied zu anderen Gemeinden – natürlich über Jahrzehnte, gar Jahrhunderte zusammengewachsen seien.

Vorteil der Verfassung Roms

Die Verfassung Roms ist nach Polybios daher im Vorteil gewesen, wenn man sie mit der Verfassung Athens und Thebens, die zu sehr von der Qualität der Politiker abhängig gewesen sei, oder mit Platons Staat, der eine reine Kopfgeburt gewesen sei, oder mit Kretas Verfassungen vergleiche, die korrupt gewesen seien. Sogar die Verfassung Spartas stehe zurück, die auch eine exzellente Mischverfassung gewesen sei, aber eben künstlich (durch den sagenhaften Lykurg) geschaffen worden und allein zur Sicherung der Vorherrschaft auf der Peloponnes tauglich gewesen sei. Allein die Verfassung Karthagos, auch eine Mischverfassung wie diejenige Spartas und Roms, war nach Polybios der römischen ebenbürtig. Sie habe allerdings ihren Zenit bereits zum Zeitpunkt der Punischen Kriege überschritten, als die römische ihrem Höhepunkt zustrebte. Außerdem sei – so Polybios – das römische Wesen durchaus beständiger als dasjenige der punischen Gegner.

Seit Herodot (ca. 425 v. Chr.) machten sich die Griechen – die Sophisten, der sogenannte Pseudo-Xenophon, Platon, Aristoteles, überhaupt die Philosophenschule des Peripatos (Theophrast, Dikaiarchos von Messene) – über die bestmöglichen Verfassungen Gedanken und haben Theorien über die jeweilige „Güteklasse“ und das Werden und Vergehen von Verfassungen entwickelt. Die Mischverfassung galt als Ideal und wurde auf die verschiedensten Staatswesen angewandt.

In dieser Tradition stand Polybios, wenn er für griechische Leser die Mischverfassungstheorie auf den römischen Fall applizierte. Der Historiker hatte nach seiner Deportation im Jahre 168 v. Chr. die römischen Institutionen unter anderem durch seine Kontakte (im Scipionenkreis) und besonders aber durch die Werke Catos (vielleicht auch durch persönliche Gespräche mit ihm) kennen gelernt. Die soziale Realität wird am Schluss des erhaltenen Teils seiner Ausführungen durch die Bezüge auf die römischen Bestattungsriten angesprochen.

Ciceros de rep. und de leg.

Die für die römische Kultur und das römische Geistesleben so fruchtbare Atmosphäre im Scipionenkreise bildete auch die Kulisse für Ciceros Dialogschrift über den Staat (res publica), die zusammen mit der zweiten Staatsschrift (de legibus) am Ende der 50er Jahre vor dem Hintergrund der römischen Verfassungskrise abgefasst wurde.

Auch Cicero hielt die römische Verfassung für eine Mischverfassung, die es – mit dem Rückbezug auf die „richtig verstandenen“ mores maiorum – zu reformieren gelte, als sie aufgrund der Bedrohung der Republik durch das Übergewicht der Potentaten Pompeius und Caesar auseinander zu zerfallen drohte. Seine Lösung war die Sicherung der Dominanz des Senats unter anderem durch die Unterordnung oder Schwächung der ordentlichen und außerordentlichen Magistrate, also kein System von „cheques und balances“ wie bei Polybios. Ciceros Reformvorschlag ist ein umfassender und durchaus plausibler Versuch einer Reform des krankenden Staatswesens (Inga Meyer 2006).

Römische Verfassung demokratisch? Nein!

In jüngster Zeit hat es eine heftige Diskussion gegeben, wie die römische Verfassung nach heutigen Maßstäben einzuschätzen sei, obwohl doch ihr aristokratischer Grundcharakterzug klar schien. Fergus Millar forderte (mit einigen anderen Forschern) die traditionelle Sichtweise heraus, indem er behauptete, dass die römische Verfassung demokratisch sei. Diese These wird bis in jüngste Zeit heftig und in der Regel abschlägig diskutiert (Hölkeskamp 2004), obwohl der Urheber der Diskussion längst schon nicht mehr diese provokative These aufrechterhält. In der Tat ist die römische Gesellschaft und Verfassung aristokratisch. Das Institutionsgefüge verfügte allerdings auch über demokratische Potentiale, die je nach innenpolitischer Lage und außenpolitischer Situation mehr oder weniger deutlich hervortreten konnten.

Schema: Die römische „Verfassung“



Die Innenpolitik der Römischen Republik 264-133 v.Chr.

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