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Aus „Die Fahrt der Beagle“

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Am folgenden Tag ritten wir zu dem Dorf Las Minas. Das Land war deutlich hügeliger, ansonsten jedoch wie zuvor; ein Bewohner der Pampas hätte es zweifellos als wahrhaft alpin betrachtet. Das Land ist so dünn besiedelt, dass wir den ganzen Tag lang kaum einem einzigen Menschen begegneten. Las Minas ist noch viel kleiner als Maldonado. Es liegt auf einer kleinen Ebene und ist von niedrigen Felsenhügeln umgeben. Es weist die übliche symmetrische Form auf und gibt mit seiner weiß getünchten Kirche in der Mitte ein recht hübsches Erscheinungsbild ab. Die Häuser am Dorfrand erhoben sich aus der Ebene wie isolierte Wesen, ohne die Begleitung von Garten oder Hof. Das ist auf dem Land so üblich, weswegen alle Häuser ein unbehagliches Aussehen haben. Nachts hielten wir an einer pulperia, also einem Trinkladen. Im Laufe des Abends kamen zahlreiche Gauchos herein, um Branntwein zu trinken und Zigarren zu rauchen; ihr Äußeres ist sehr auffallend; im Allgemeinen sind sie groß und gutaussehend, jedoch mit einem stolzen und zügellosen Gehabe. Häufig tragen sie einen Schnauzbart, und in ihrem Nacken ringelt sich langes schwarzes Haar. Mit ihrer bunten Kleidung, den großen Sporen, die an den Absätzen klirren, und dem Messer, das sie als Dolch an der Taille stecken haben (und als solchen oft gebrauchen), erscheinen sie als sehr andere Menschenrasse als diejenigen, welche man nach ihrem Namen Gaucho, also einfache Landleute, erwarten könnte. Ihre Höflichkeit ist außerordentlich; nie trinken sie ihren Branntwein, ohne zu erwarten, dass man davon kostet, doch während sie noch ihre überaus anmutige Verbeugung machen, scheinen sie ebenso bereit, sollte sich die Gelegenheit bieten, einem die Kehle durchzuschneiden.

Wenn man die eine Gegend bewohnenden und in einer Flora derselben beschriebenen Pflanzen in zwei gleiche Haufen teilt, wovon der eine alle Arten aus großen und der andere alle aus kleinen Sippen enthält, so wird man eine etwas größere Anzahl sehr gemeiner und sehr verbreiteter oder herrschender Arten auf Seiten der großen Sippen finden. Auch dies hat vorausgesehen werden können; denn schon die einfache Tatsache, dass viele Arten einer und der nämlichen Sippe eine Gegend bewohnen, zeigt etwas in der organischen oder unorganischen Beschaffenheit der Gegend für die Sippe Günstiges an, daher man erwarten durfte, in den größeren oder viele Arten enthaltenden Sippen auch eine verhältnismäßig große Anzahl herrschender Arten zu finden. Aber es gibt so viele Ursachen, welche dieses Ergebnis zu verhüllen streben, dass ich erstaunt bin, in meinen Tabellen doch noch ein kleines Übergewicht auf Seiten der großen Sippen zu finden. Ich will hier nur zwei Ursachen dieser Verhüllungen anführen. Süßwasser- und Salzpflanzen haben gewöhnlich weit ausgedehnte Bezirke und eine starke Verbreitung; dies scheint aber mit der Natur ihrer Standorte zusammenzuhängen und hat wenig oder gar keine Beziehung zu dem Artenreichtum der Sippen, wozu sie gehören. Ebenso sind Pflanzen von unvollkommenen Organisationsstufen gewöhnlich viel weiter als die hoch organisierten verbreitet und auch hier besteht keine nahe Beziehung zur Größe der Sippen. Die Ursache dieser letzten Erscheinung soll in unseren Kapiteln über die geographische Verbreitung erörtert werden.

Indem ich die Arten nur als stark ausgeprägte und wohl umschriebene Varietäten betrachtete, war ich im Stande vorauszusagen, dass die Arten der größeren Sippen einer Gegend öfter, als die der kleineren Varietäten darbieten würden; denn wo immer sich viele einander nahe verwandte Arten (die der größeren Sippen) gebildet haben, werden sich im Allgemeinen auch viele Varietäten derselben oder beginnende Arten zu bilden geneigt sein – wie da, wo viele große Bäume wachsen, man viele junge Bäumchen aufkommen zu sehen erwarten darf. Wo viele Arten einer Sippe durch Variation entstanden sind, da sind die Umstände günstig für Variation gewesen und möchte man mithin auch erwarten, sie noch jetzt günstig zu finden. Wenn wir dagegen jede Art als einen besonderen Akt der Schöpfung betrachten, so ist kein Grund einzusehen, weshalb verhältnismäßig mehr Varietäten in einer artenreichen Gruppe als in einer solchen mit wenigen Arten vorkommen sollten.

Um die Richtigkeit dieser Voraussagung zu beweisen, habe ich die Pflanzenarten in zwölf verschiedenen Ländern und die Käferarten in zwei verschiedenen Gebieten in je zwei einander fast gleiche Haufen geteilt, die Arten der großen Sippen auf der einen und die der kleinen auf der anderen Seite, und es hat sich beharrlich überall dasselbe Ergebnis gezeigt, dass eine verhältnismäßig größere Anzahl von Arten bei den großen Sippen Varietäten haben als bei den kleinen. Überdies bieten die Arten der großen Sippen, welche überhaupt Varietäten haben, eine verhältnismäßig größere Varietätenzahl dar als die der kleineren. Zu diesen beiden Ergebnissen gelangt man auch, wenn man die Einteilung anders macht und alle Sippen mit nur 1–4 Arten ganz aus den Tabellen ausschließt. Diese Tatsachen sind von klarer Bedeutung für die Ansicht, dass Arten nur streng ausgeprägte und bleibende Varietäten sind; denn wo immer viele Arten in einerlei Sippe gebildet worden sind oder wo, wenn der Ausdruck erlaubt ist, die Artenfabrikation tätig betrieben worden ist, müssen wir gewöhnlich diese Fabrikation noch in Tätigkeit finden, zumal wir alle Ursache haben zu glauben, dass das Fabrikationsverfahren ein sehr langsames ist. Und dies ist sicherlich der Fall, wenn Varietäten als beginnende Arten zu betrachten sind; denn meine Tabellen zeigen deutlich ganz allgemein, dass, wo immer viele Arten einer Sippe gebildet worden sind, diese Arten eine den Durchschnitt übersteigende Anzahl von Varietäten oder beginnenden neuen Arten enthalten. Damit soll nicht gesagt werden, dass alle großen Sippen jetzt sehr variieren und in Vermehrung ihrer Artenzahl begriffen sind, oder dass keine kleine Sippe jetzt Varietäten bilde und wachse; denn dieser Fall wäre sehr verderblich für meine Theorie, zumal uns die Geologie klar beweist, dass kleine Sippen im Laufe der Zeit oft sehr groß geworden, und dass große Sippen, nachdem sie ihr Maximum erreicht, wieder zurückgesunken und endlich verschwunden sind. Alles, was hier zu beweisen nötig ist, beschränkt sich darauf, dass da, wo viele Arten in einer Sippe gebildet worden, auch noch jetzt durchschnittlich viele in Bildung begriffen sind; und dies ist nachgewiesen.


Hydrochaerus capybara oder Wasserschwein.

Die Entstehung der Arten

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