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Aus „Die Fahrt der Beagle“

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Die Ordnung Rodentia ist hier mit sehr zahlreichen Arten vertreten: Allein an Mäusen erhielt ich nicht weniger als acht verschiedene. Das größte Nagetier der Welt, das Hydrochaerus capybara (das Wasserschwein), ist hier ebenfalls heimisch. Eines, das ich in Montevideo schoss, wog 98 Pfund: Seine Länge von der Spitze der Schnauze bis zu seinem Stummelschwanz betrug drei Fuß und zwei Zoll, der Umfang drei Fuß und acht Zoll. Diese großen Nager frequentieren gelegentlich die Inseln in der Mündung des Plata, wo das Wasser recht salzig ist, sind aber weit häufiger an den Ufern von Süßwasserseen und Flüssen anzutreffen. Bei Maldonado leben im Allgemeinen drei bis vier zusammen. Am Tag liegen sie entweder zwischen den Wasserpflanzen oder fressen offen auf der Rasenebene. Aus der Ferne betrachtet, ähneln sie nach Gangart und Farbe Schweinen; hocken sie jedoch auf dem Hinterteil und betrachten mit einem Auge aufmerksam einen Gegenstand, nehmen sie wieder das Aussehen ihrer Artverwandten an, der Meerschweinchen und Kaninchen. Vorder- wie Seitenansicht ihres Kopfes bieten wegen ihres sehr tief liegenden Mauls einen lächerlichen Anblick. Bei Maldonado waren diese Tiere sehr zahm; mit einem behutsamen Gang näherte ich mich vier älteren bis auf fünf Yard. Diese Zahmheit kann möglicherweise damit erklärt werden, dass der Jaguar schon seit einigen Jahren vertrieben ist und der Gaucho es nicht lohnend findet, sie zu jagen. Während ich mich immer weiter näherte, machten sie häufig ihr eigentümliches Geräusch, ein leises, abruptes Grunzen, dem eigentlich kein tatsächlicher Ton eignet und das vielmehr durch die plötzlich ausgestoßene Luft entsteht: Das einzige vergleichbare Geräusch, das ich kenne, ist das erste heisere Bellen eines großen Hundes. Nachdem ich die vier mehrere Minuten lang nahezu auf Armeslänge beobachtet hatte (und sie mich), stürzten sie in vollem Galopp mit dem größten Ungestüm ins Wasser und stießen dazu ihr Bellen aus. Nachdem sie eine kurze Strecke getaucht waren, kamen sie wieder an die Oberfläche, wobei jedoch gerade noch der oberste Teil des Kopfs herausragte. Wenn das Weibchen im Wasser schwimmt und Junge hat, sollen diese auf ihrem Rücken sitzen. Diese Tiere werden leicht in großer Zahl getötet, doch ihr Fell ist von geringem Wert, und das Fleisch ist sehr mäßig. Auf den Inseln im Rio Parana sind sie außerordentlich zahlreich und stellen die gewöhnliche Beute des Jaguars.

Es gibt aber noch andere beachtenswerte Beziehungen zwischen den Arten großer Sippen und den aufgeführt werdenden Varietäten derselben. Wir haben gesehen, dass es kein untrügliches Unterscheidungsmerkmal zwischen Arten und stark ausgeprägten Varietäten gibt; und in jenen Fällen, wo Mittelglieder zwischen zweifelhaften Formen noch nicht gefunden wurden, sind die Naturforscher genötigt, ihre Bestimmungen von der Größe der Verschiedenheiten zwischen zwei Formen abhängig zu machen, indem sie nach der Analogie urteilen, ob deren Betrag genüge, um nur eine oder alle beide zum Range von Arten zu erheben. Der Betrag der Verschiedenheit ist mithin ein sehr wichtiges Merkmal bei der Bestimmung, ob zwei Formen für Arten oder für Varietäten gelten sollen. Nun haben Fries in Bezug auf die Pflanzen und Westwood hinsichtlich der Insekten die Bemerkung gemacht, dass in großen Sippen der Grad der Verschiedenheit zwischen den Arten oft außerordentlich klein ist. Ich habe dies in Zahlen-Durchschnitten zu prüfen gesucht und, so weit meine noch unvollkommenen Ergebnisse reichen, bestätigt gefunden. Ich habe mich deshalb auch bei einigen genauen und erfahrenen Beobachtern befragt und nach Auseinandersetzung der Sache gefunden, dass sie in derselben übereinstimmen. In dieser Hinsicht gleichen demnach die Arten der großen Sippen den Varietäten mehr als die Arten der kleinen. Nun kann man die Sache aber auch anders ausdrücken und sagen, dass in den größeren Sippen, wo eine den Durchschnitt übersteigende Anzahl von Varietäten oder beginnenden Spezies noch jetzt fabriziert wird, viele der bereits fertigen Arten doch bis zu einem gewissen Grad Varietäten gleichen, insofern sie durch ein weniger als gewöhnlich großes Maß an Verschiedenheit voneinander getrennt werden.

Überdies stehen die Arten großer Sippen in derselben Beziehung wie die Varietäten einer Art zueinander. Kein Naturforscher glaubt, dass alle Arten einer Sippe in gleichem Grad voneinander verschieden sind; sie werden daher gewöhnlich noch in Subgenera, in Sektionen oder noch weiter untergeordnete Gruppen geteilt. Wie Fries bemerkt, sind diese kleinen Artengruppen gewöhnlich wie Satelliten um gewisse andere Arten geschart. Und was sind Varietäten anders als Formengruppen von ungleicher wechselseitiger Verwandtschaft um gewisse Formen versammelt, um die Stammarten nämlich? Unzweifelhaft ist ein größerer Unterschied zwischen Arten als zwischen Varietäten; insbesondere ist der Betrag der Verschiedenheit der Varietäten voneinander oder von ihren Stammarten kleiner als der zwischen den Arten derselben Sippe. Wenn wir aber zur Erörterung des Prinzips, wie ich es nenne, der »Divergenz des Charakters« kommen, so werden wir sehen, wie dies zu erklären ist, und wie die geringeren Verschiedenheiten zwischen Varietäten erwachsen zu den größeren Verschiedenheiten zwischen den Arten.

Es gibt da noch einen anderen Punkt, welcher mir der Beachtung wert scheint. Varietäten haben gewöhnlich eine beschränktere Verbreitung, was schon aus dem Vorigen folgt; denn wäre eine Varietät weiter verbreitet als ihre angebliche Stammart, so müsste deren Bezeichnung umgekehrt werden. Es ist aber auch Grund vorhanden zu glauben, dass diejenigen Arten, welche sehr nahe mit anderen Arten verwandt sind und insofern Varietäten gleichen, oft engere Verbreitungsgrenzen haben. So hat mir z.B. Herr H. C. Watson in dem wohlgesichteten Londoner Pflanzenkatalog (vierte Ausgabe) 63 Pflanzen bemerkt, welche als Arten darin aufgeführt sind, die er aber für so nahe mit anderen Arten verwandt hält, dass ihr Rang zweifelhaft wird. Diese 63 geringwertigen Arten verbreiten sich im Mittel über 6,9 der Provinzen, in welche Watson Großbritannien eingeteilt hat. Nun sind im nämlichen Kataloge auch 53 anerkannte Varietäten aufgezählt, und diese erstrecken sich über 7,7 Provinzen, während die Arten, wozu diese Varietäten gehören, sich über 14,3 Provinzen ausdehnen. Daher denn die anerkannten Varietäten eine beinahe ebenso beschränkte mittlere Verbreitung besitzen als jene nahe verwandten Formen, welche Watson als zweifelhafte Arten bezeichnet hat, die aber von britischen Botanikern gewöhnlich für gute und echte Arten genommen werden. Endlich haben dann Varietäten auch die nämlichen allgemeinen Charaktere wie Spezies; denn sie können von Arten nicht unterschieden werden, außer: Erstens, durch die Entdeckung von Mittelgliedern, und das Vorkommen solcher Glieder kann den wirklichen Charakter der Formen, welche sie verketten, nicht berühren – und außer: Zweitens, durch ein gewisses Maß von Verschiedenheit, indem zwei Formen, welche nur sehr wenig voneinander abweichen, allgemein nur als Varietäten angesehen werden, wenn auch verbindende Mittelglieder noch nicht entdeckt worden sind; aber dieser Betrag von Verschiedenheit, welcher zur Erhebung zweier Formen zum Artenrang nötig, ist ganz unbestimmt. In Sippen, welche mehr als die mittlere Artenzahl in einer Gegend haben, zeigen die Arten auch mehr als die Mittelzahl von Varietäten. In großen Sippen lassen sich die Arten nahe, aber in ungleichem Grade, miteinander verbinden zu kleinen, um gewisse Arten geordneten Gruppen. Sehr nahe miteinander verwandte Arten sind von offenbar beschränkter Verbreitung. In all diesen verschiedenen Beziehungen zeigen die Arten großer Sippen eine strenge Analogie mit Varietäten. Und man kann diese Analogien klar begreifen, wenn Arten einst nur Varietäten gewesen und aus diesen hervorgegangen sind; wogegen diese Analogien ganz unverständlich sein würden, wenn jede Spezies von den anderen unabhängig erschaffen worden wäre.


Endemische Galapagosbussarde, ausgewachsener Vogel mit Jungem, aus The Zoology of the Voyage of H.M.S. Beagle.


Galapagosbussard.

Wir haben nun gesehen, dass es die am besten gedeihende und herrschende Spezies größerer Sippen ist, die im Durchschnitt genommen am meisten variiert; und Varietäten haben, wie wir hernach finden werden, Neigung, in neue und unterschiedene Arten überzugehen. Dadurch neigen auch die großen Sippen zur Vergrößerung, und in der ganzen Natur streben die Lebensformen, welche jetzt herrschend sind, noch immer mehr herrschend zu werden durch Hinterlassung vieler abgeänderter und herrschender Abkömmlinge. Aber durch nachher zu erläuternde Abstufungen streben auch die größeren Sippen immer mehr in kleine auseinanderzutreten. Und so werden die Lebensformen auf der ganzen Erde in Gruppen und Untergruppen weiter abgeteilt.

Die Entstehung der Arten

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