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II. Xenophons Sokrates über die Götter 1. Theologie im Denken Xenophons

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Im folgenden soll die Rede von Xenophons Theologie sein. Xenophon war allem Anschein nach ein tiefreligiöser Mensch, der seine Überzeugung in einer Reihe von Schriften, der „Anabasis“, der „Kyrupädie“ und besonders den „Memorabilien“, zum Ausdruck gebracht hat.

Die „Memorabilien“ sind jene Schrift, mit der sich der Sokratiker profilierte, die wohl in den achtziger bis siebziger Jahren des 4. Jahrhunderts entstand und mit der Xenophon zunächst eine Art Verteidigung des Sokrates gegen die offizielle Anklage intendierte.

Ich will mich im folgenden auf Xenophons Theologie in dieser Schrift beschränken; es liegt nahe, zu dem Thema „Sokrates über die Götter“ auch andere Sokratiker, insbesondere Platon, heranzuziehen; ich will dies auch tun, doch nur als Hintergrund. Die „Memorabilien“ sollen als die primäre Grundlage dienen, um Xenophons Theologie und die seines Sokrates zu präzisieren. Der große Schatten Platons verhindert in der Regel einen adäquaten Zugang zu Xenophons Theologie und Metaphysik in einem Maße, dass diesem Sokratiker nur schwerlich Gerechtigkeit widerfahren kann. Es soll durch die folgenden Ausführungen aber auch deutlich werden, dass Xenophon bzw. sein Sokrates in dieser Beziehung, dem Verhältnis zu den Göttern, eine sehr eigenständige Position vertreten haben – eine Position, die man als durchaus singulär innerhalb der sokratischen Philosophie bezeichnen kann.

Das Thema „Sokrates über die Götter“ zählte zu den zentralen Themen der „Memorabilien“. Xenophon war, als er diese Schrift verfasste und publizierte, schon lange aus Athen verbannt9. Er schrieb als ein Außenseiter, als jemand, der Sokrates mit Sicherheit nicht in dem Maße kennen gelernt hatte wie Platon. Er hatte durch diese Position aber auch einen unstreitigen Vorteil: Er konnte die Verhältnisse in Athen nach Sokrates’ Tod aus einer sozusagen neutralen Perspektive beobachten, seine Schlussfolgerungen ziehen und in gewisser Weise sein eigenes Sokratesbild entwickeln – ein Bild, das sich in vielfacher Hinsicht von dem des Antisthenes, Platons oder des Aischines und des Eukleides von Megara unterschied. – Ich will in diesem Kontext nicht auf die alte Problematik, wie sich ein authentisches Sokratesbild rekonstruieren lasse bzw., ob dies überhaupt möglich ist, eingehen. Die soeben gemachten Bemerkungen sollen nur andeuten, dass es sich bei den „Memorabilien“ um ein ganz eigenartiges Werk der sokratischen Philosophie handelt;10 sie passen weder ins Klischee der sonstigen sokratischen Dialoge, noch lassen sie sich unschwer in eine bestimmte literarische Gattung einordnen – ein Phänomen übrigens, das dieses Werk mit der „Kyrupädie“ gemeinsam hat. Hier wie dort sokratische Züge, eine besondere Neigung zur Biographie, ferner eine Affinität zur Geschichtsschreibung – das Ganze gepaart mit fiktiven Elementen, die in die Richtung des Romans deuten. – Xenophon hat mit den „Memorabilien“ und der „Kyrupädie“ sozusagen gattungsbegründende Vertreter einer Literatur kreiert, die damals, in den Jahren von circa 385 bis 360, noch nicht determiniert war wie dann in der Zeit des Hellenismus und in der Kaiserzeit. –

Wenn soeben von den fiktiven Elementen in den „Memorabilien“ die Rede war, so hat dies Konsequenzen für die Exegese und das Verständnis der einschlägigen Stellen zur Theologie Xenophons bzw. seines Sokrates. Dies bedeutet, dass man keinen strikten historischen Maßstab anlegen darf bzw. dass man sich, wenn man einen solchen anwendet, bewusst sein muss, dass es sich bei den „Memorabilien“ um sokratische Dialoge in dem Sinne handelt, dass die Hauptfigur eine Schöpfung des Sokratikers Xenophon darstellt; Historizität und Fiktionalität gehen in diesem Werk eine sehr eigentümliche Verbindung ein. Andererseits kennen wir dieses Verfahren in einer gewissen Hinsicht auch von Platon. Für die Textexegese bedeutet dies: man sollte nicht so sehr als Historiker an diese „Memorabilien“ herangehen und sie nach dem Maßstab der historischen Wahrheit bemessen, sondern als Literaturwissenschaftler und Philosoph, um dieses Werk als eines der auffälligsten der sokratischen Literatur, zugleich als einen bemerkenswerten Versuch zu verstehen, sich mit dem Phänomen Sokrates auseinander zu setzen.

Xenophon

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