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3. Europäische Integration durch
deutsch-französische Annäherung
(1949–1954) Frankreich und die Gründung der beiden deutschen Staaten

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Mit dem Ausbruch des Kalten Krieges im Jahre 1947 drängten die USA und die UdSSR nun verstärkt auf die Konsolidierung der sich herausbildenden antagonistischen Blöcke. Nachdem Rumänien bereits Ende 1947 unter sowjetischen Einfluss geraten war, setzte Stalin ein weiteres Zeichen, als er im Februar 1948 ein kommunistisches Regime in der Tschechoslowakei installierte und damit im übrigen Europa die Angst vor einer sowjetischen Expansion weiter steigerte1. Der Westen reagierte mit dem Brüsseler Pakt, der am 27. März 1948 von Großbritannien, Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg unterzeichnet wurde und die Verteidigung Westeuropas für 50 Jahre sichern sollte. Zwar war im Gründungstext weiterhin von der deutschen Gefahr die Rede, „aber kaum einen Monat nach dem Prager Umsturz war die Zusammenfassung der militärischen Ressourcen und Planungen Westeuropas doch implizit schon klar gegen die sowjetische Bedrohung gerichtet“2.

Die von den USA ihrerseits bekundete Bereitschaft, nicht wieder in ihren traditionellen Isolationismus zurückzufallen, erleichterte insbesondere Frankreich, in die Londoner Sechsmächtekonferenz (Februar bis Juni 1948) einzuwilligen, nach deren Abschluss die Londoner Empfehlungen veröffentlicht wurden. Den westdeutschen Ministerpräsidenten wurden am 1. Juli 1948 in Frankfurt jene Dokumente von Vertretern der westlichen alliierten Besatzungsmächte übergeben, in denen die Bedingungen zur Gründung eines westdeutschen Staates enthalten waren („Frankfurter Dokumente“)3. Die von de Gaulle lauthals geforderte Ablehnung und die knappe Zustimmung zur Trizone durch die französische Nationalversammlung (296: 287) spiegelten das Unbehagen bei vielen Abgeordneten wider. Als Konzession muss es verstanden werden, dass der Pariser Regierung der wirtschaftliche Anschluss des Saarlandes an Frankreich zugestanden wurde. Nichtsdestotrotz versuchte die französische Regierung die Gründung eines westdeutschen Staates so weit es ging zu bremsen, um in dieser Formierungsphase ein Höchstmaß an föderativen Elementen in die staatlichen Strukturen des östlichen Nachbarn zu integrieren.

Einflussreiche politische Kreise in Paris fürchteten, dass es in Reaktion auf die Bildung der Trizone zur Gründung eines auf Berlin zentrierten Einheitsstaates in der SBZ mit einem innerdeutschen Duell zwischen Berlin und Frankfurt kommen könne. In dieser Annahme entwickelte Berlin eine hohe Symbolkraft, denn für eine Reihe von einflussreichen Politikern in Paris stellte die „Wiege des Preußentums“ den Ausgangspunkt für einen möglichen Wiederaufstieg des deutschen Militarismus und Großmachtdenkens in einem zentralistischen Land unter der Ägide Moskaus dar. In Anlehnung an die Schaffung der deutschen Einheit zwischen 1864 und 1871 vermuteten sie eine Entwicklung in Ost-West-Richtung und ein Fortdauern preußischer Mentalitäten4. Nicht wenige französische Politiker waren von der Überlegenheit des SED-Modells überzeugt und befürchteten eine neue Mobilisierung für die nationale Sache, um Deutschland doch noch in den eigenen Machtbereich zu ziehen. Und in der Tat aktivierte Moskau in den folgenden Wochen seine Propaganda für ein neutrales Gesamtdeutschland5.

Nachdem das Grundgesetz am 8. Mai 1949 in dritter Lesung vom Parlamentarischen Rat verabschiedet und wenig später von den westalliierten Militärgouverneuren genehmigt worden war, konnte die Bundesrepublik Deutschland mit der Proklamation des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 gegründet werden. Um nicht von der deutschen Öffentlichkeit und dem Osten als alleiniger Verantwortlicher für die deutsche Teilung beschuldigt zu werden, betonten die Westmächte auf ihrer Außenministerkonferenz in New York (12.–18. September 1950) den provisorischen Charakter der Bundesrepublik und die Beschränkung ihrer politischen wie territorialen Rechte6. Indem die Alliierten die Oberhoheit unter Einschluss der Sowjetunion behielten, sicherten sie sich das Exklusivrecht bei Verhandlungen über die deutsche Frage. Dieser Anspruch wurde gerade von Frankreich immer wieder betont, das sich auf diese Weise seinen Platz im Konzert der Großen sichern wollte.

Gleichzeitig teilte der französische Hohe Kommissar André François-Poncet7 dem Oberbefehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und Chef der sowjetischen Kontrollkommission in der DDR, General Wassili Tschuikow, am 9. Oktober 1950, zwei Tage nach Gründung der DDR, offiziell mit, dass die französische Regierung den Bonner Alleinvertretungsanspruch anerkenne, weil der Bundestag die einzig frei gewählte Vertretung des deutschen Volkes sei. Als wichtige Voraussetzung für eine Vereinigung schlug er die Durchführung von freien gesamtdeutschen Wahlen vor8. Das SED-Regime war für die französischen Verantwortlichen in Paris nicht mehr als eine Marionettenregierung ohne eigene Handlungsbefugnisse. Dass die SED Wahlen regelmäßig hinausschob, interpretierte Paris als Zeichen für die fehlende Legitimation von Regierung bzw. Volkskammer.

Um die Nichtanerkennungspolitik des Westens gegenüber der DDR zu koordinieren, wurde für November 1949 eine Besprechung im Konsultativrat des Brüsseler Beistandspakts in Paris einberufen. Bei dieser Gelegenheit sagte der französische Außenminister Robert Schuman, dass sein Land mit Ostdeutschland keine Abkommen schließen werde und die gesamten Kontakte der französischen Zone auf interzonaler Basis abwickeln wolle9. So lehnte Paris in der Folge konsequent den von der DDR angestrebten Beitritt zu den internationalen Konventionen und Verträgen ab, für die Frankreich Depositärstaat war. Auf der Folgekonferenz am 8. Dezember 1949 beschlossen Frankreich, Großbritannien und die Benelux-Staaten eine Politik der Nichtanerkennung – de jure und de facto – gegenüber der DDR und beabsichtigten auf diese Weise, die deutsche Frage offenzuhalten. Jegliche Kontakte mit der DDR sollten inoffiziellen Charakter besitzen und wie bei wirtschaftlichen Transaktionen über private Organisationen (z.B. Handelskammern) abgewickelt werden. Weiterhin galten die sowjetischen Behörden für sie als die Verantwortlichen für Vorgänge in ihrer Zone. Nicht zu umgehende Kontakte mit offiziellen ostdeutschen Stellen waren auf niedrigster Ebene anzusiedeln10.

Trotz dieser völkerrechtlichen Winkelzüge konzentrierte Frankreich seine Deutschlandpolitik ganz auf den westdeutschen Teilstaat, konnte einzig dieser doch zur damaligen Zeit die Garantie für ein demokratisches und parlamentarisches System bieten, weshalb Frankreich die Bundesrepublik durch eine Aufwertung des ostdeutschen Regimes nicht unnötig in Bedrängnis bringen wollte. Gleichzeitig unterstrich es aber sein Statut als Siegermacht und war auch Anfang der 1950er Jahre noch nicht bereit, mit der Bundesrepublik auf einer Augenhöhe zu reden11. Als der vom „Potsdam-Syndrom“ infizierte Adenauer forderte, dass die Bundesregierung im Falle einer Einigung der westlichen Siegermächte mit der UdSSR über Deutschland konsultiert werden müsse, lehnte André François-Poncet ein solch weitreichendes Entgegenkommen ab12.

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