Читать книгу Aus dem Leben kleiner Leute - Dagmar Herrmann - Страница 17

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Eine Holzkiste …

mit dem Vorschlaghammer bearbeitete er

die Kiste, die ihm die Postbotin vor die Tür

gestellt hatte. Die Nachbarin streckte erschreckt

den Kopf aus der Tür und zog ihn sogleich

wie ein verängstigtes Huhn in Sicherheit

bringend zurück.

Hinter der Häkelgardine ihrer Haustür mit dem

Glasfensterchen beobachtete sie das massive

Vorgehen gegen eine einfache Holzkiste aus

hellem Holz, wahrscheinlich Kiefer, aus Buche

wäre nicht so einfach Kleinholz zu machen.

Er hob den Kopf, rot vor Anstrengung, die Augen

stierten durch die Fensterscheibe, stieß ein

unartikuliertes Gebrüll aus: Was glotzt die so!

Er drohte mit dem Vorschlaghammer in ihre

Richtung

Sollte sie Hilfe holen, aber es gab keinen Anlass.

Es war seine Kiste und kein ruhestörender Lärm,

schließlich war es erst Nachmittag.

Sie hatte gerade Kaffeewasser aufgestellt,

um sich einen Schwarzen aufzugießen

Frau Johannsen, sie liebt den Kaffee schwarz

und sehr stark, ihr Erich hatte immer gesagt:

Da kann man Tote mit aufwecken

Der Nachbar war sonst ein friedlicher Mann,

vor einigen Wochen hatte er seine Frau verloren

durch einen Autounfall, vielleicht hatte es ihn

um den Verstand gebracht, und er hasste jetzt

alle Welt. Frau Johannsen würde das nicht

weiter wundern.

Sie öffnete die Tür, spähte durch den Spalt,

traute sich einen Schritt vor und zeigte sich

im Rahmen mit einem Fuß im Treppenflur.

Was ist es denn, da in der Kiste, was sie so

dringend brauchen, dass Sie sie kurz und klein

schlagen müssen? wagte sie zaghaft die Frage

an ihn zu stellen. Der Mann richtete sich auf

zu seiner ganzen beträchtlichen Größe. Seine

Stirn war schweißbedeckt, dicke Tropfen rannen

das Gesicht hinunter. Mit einer heftigen Bewegung

des angewinkelten Armes wischte er sie mit dem

Hemdsärmel fort.

Was geht Sie das an?, fragte er mürrisch, aber

wesentlich friedlicher.

Kümmern sich doch um ihren eigenen Mist.

Nun trat die alte Frau ganz aus der Tür heraus

näherte sich vorsichtig, beäugte ihn von unten

herauf, mit vorgeschobenem dünnen Hals.

Sie müssen sehr, sehr traurig sein, sagte sie.

Sie hatte keine Angst mehr, und außerdem,

das Leben hatte ihr schon oft übel mitgespielt;

und war sie nicht schon alt und verbraucht?

Was konnte er ihr schon anhaben.

Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an.

Ich, ich, er stammelte, dort, er wies mit

dem Hammer auf die Kiste. Es sind ihre Sachen.

Sie haben sie mir geschickt, was von ihnen

noch übrig ist, die Staatsanwaltschaft,

sie haben mir geschrieben, ein amtliches

Schreiben, mitgeteilt, sie würden sie mir

schicken. Ich war grad nicht zu Hause

dann stand die Kiste vor der Tür.

Ich will sie nicht sehen, wollte sie verbrennen.

Er schluchzte jetzt hart und trocken,

ließ den Hammer sinken, fiel auf die Knie,

stützte sich ab mit beiden Händen,

auf die kalten gekachelten Fliesen,

rutschte weiter hin zu ihr,

umklammerte ihre Beine.

Was soll ich nur ohne sie anfangen?

Frau Johannsen nahm eine seiner Hände

vom Boden, hob sie zärtlich an wie die

Hände eines Geliebten, sie sprach mit

engelsgleicher Stimme, fast singend,

ihre Tür einladend öffnend.

Kommen Sie, lassen Sie alles stehen

und liegen, so wie es ist.

Ich mache grade Kaffee, und

einen Butterkuchen habe ich auch.

Sie sah, dass er keine Schuhe trug, als er

an ihr vorbei die Wohnung betrat …

Später rief sie den Hausmeister und bat ihn,

die Kiste abzuholen.

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