Читать книгу HIMMELSKRIEGER - Daniel León - Страница 13

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Dennis erwachte, und das erste, was er fühlte, war ein bohrender Schmerz in seinem Kopf, dicht gefolgt von einem unerträglichen Druck auf seiner bandagierten Brust. Auch sein Kopf war verbunden.

Während langsam die Erinnerungen auf ihn einströmten, steckte eine Krankenschwester den Kopf herein. Sie war offenbar erfreut, ihn wach vorzufinden:

»Guten Morgen, junger Mann! Ich bin so froh, dass sie aufgewacht sind! Der Doktor meinte, wenn es noch länger gedauert hätte, wäre das ein Hinweis auf eine Hirnschädigung gewesen«.

Sie trat an sein Bett, und begann eine Infusionsflasche zu wechseln.

»Nur Natrium-Chlorid«, erwiderte sie lächelnd, als sie seinen ängstlichen Blick bemerkte, »zur Stabilisierung ihres Kreislaufs. Sie haben viel Blut verloren«.

Dennis versuchte zu sprechen, aber es kam nur ein Krächzen heraus. Immerhin, dachte er, lebe ich noch.

»Was ist genau passiert?«, presste er hervor.

Die Schwester setze sich auf seine Bettkante, und sah ihm in die Augen. Diese Geste der Zuneigung war ihm peinlich, und er senkte den Blick.

»Drei Tage haben wir im Krankenhaus um ihr Leben gebangt. Sie haben sehr viel Glück gehabt. Vor drei Tagen wurden sie … – sie suchte nach Worten – … nach … nach diesem Attentat bei uns eingeliefert. Sie waren ohnmächtig, atmeten kaum mehr, und hatten viel Blut verloren.«

Sie sah ihn fest an, als wolle sie prüfen, ob er stark genug für die ganze Wahrheit wäre. Dennis nickte unwillkürlich. Aber auch das bereitete ihm Schmerzen. Er beschloss, sich nicht mehr zu bewegen.

»Ihre Brust war komplett durch ein Geschoss zerrissen. Wäre das Projektil nur wenige Millimeter weiter unten eingedrungen, hätte es die Wand der Aorta durchtrennt. In diesem Fall hätten wir sie nicht mehr retten können. Als sie dann auf dem OP-Tisch lagen, hatten Sie schon fünf Liter Blut verloren.

Wir wagten kaum zu hoffen, dass sie das überleben könnten. Durch die Wucht des Schusses waren sie auf den Boden geschleudert worden, daher ihre massiven Kopfverletzungen; mehrere Hämatome, die wir glücklicherweise zum Abschwellen bringen konnten, inklusive. Sie sehen also, junger Mann«, sie breitete in einer rührenden Geste die Hände aus, »offenbar sollten sie noch nicht sterben!«

Benommen ignorierte Dennis seinen letzten Entschluss, und nickte schwach.

Dann fiel er in einen tiefen Schlaf.

Er sah Dor, mächtig und groß, in gleißendem Licht. Der Krieger sah ihn durchdringend an, doch als er weiter um sich schaute, sah er, dass der Adler nur ein kleiner Schatten war angesichts dessen, was er nun erblickte.

Er nahm eine intensive Lichtquelle wahr, er erfasste sie mit seinem Wesen, denn seine Augen waren völlig unzureichend:

Heller als tausend Sonnen, ein Meer aus Feuer, und er meinte sogar, eine Gestalt gleich glühendem Erz darin zu erkennen.

Aber vielleicht täuschten ihn nur seine Augen.

Er wusste jedenfalls, dass er träumte, denn er wäre sofort blind gewesen, hätten seine Augen auch nur einen Bruchteil dieses Lichtes in Wirklichkeit erblickt. Aber auch so konnte er nicht mehr von dieser Helligkeit ertragen, und so sah er sich etwas befangen um.

Er erschrak, denn da war noch etwas, noch JEMAND.

Und so, wie zuvor sein Innerstes vor Freude erglüht war, als er von dem Licht getrunken hatte, so krampfte sich sein Herz vor Schmerz und Furcht zusammen, als er in einen dunklen Nebel blickte. Eine pechschwarze Person stand dort, eigentlich nur ein Schatten, doch in einer beklemmenden stofflichen Dichte, und voll widerlicher Gewalttätigkeit. Der Schatten hatte die Größe von Dor, nach dem er sich jetzt sehnte.

Doch dann überblickte er die gesamte Szenerie, und er fühlte sich sicher, denn die Flammen und das Licht füllten alles aus, und er wusste, dass die Dunkelheit, so finster sie auch sein mochte, ihm nichts anhaben konnte.

»Gib ihn mir«, ertönte eine Stimme wie kalter Stahl, die in Richtung des feurigen Meeres sprach:

»Ich habe ein Recht auf ihn; er ist ein Gefallener. So lautet das Gesetz!« Fordernd und zuversichtlich klang diese Stimme; emotionslos, doch voller Bosheit; voller Gier und Hass.

Dann hörte Dennis etwas, was er niemals mehr würde vergessen können. Eine Stimme von solcher Autorität und Kraft, dass er meinte, vergehen zu müssen. Sogar Dor erzitterte, und stürzte kraftlos zu Boden.

»NIEMALS!«

Mit brennender Leidenschaft kam die Antwort aus der Richtung des feurigen Meeres. Leise, und doch so laut, dass das Universum von ihrem Klang erzitterte.

»Wer bist du, Bel, dass Du es wagst, etwas von mir zu fordern? Es ist wahr, das Gesetz lautet so, doch – bist du etwa der Gesetzgeber? Ist ein Knecht – ob freiwillig oder nicht – etwa höher als sein Meister. Mein Wille ist ein anderer, und meine Weisheit ist grenzenlos. Und noch etwas, was du niemals verstehen wirst:

Meine Liebe wird alles vollenden!«

Dieser letzte Satz war so triumphierend, so über die Maßen machtvoll, dass Bel zurückgeschleudert wurde in die Leere des Raumes, über Lichtjahre hinweg.

Ein Schrei voller Wut und Hass war das letzte, was Dennis hörte, dann stand nur noch Dor leuchtend in der Dunkelheit vor ihm.

»Das«, erläuterte er mit einem fast schelmischen Lächeln, »geschah vor drei Erdentagen.«

Dennis wachte auf – nur, um erschöpft wieder einzuschlafen. Diesmal war sein Schlaf traumlos. Dann schreckte er wieder hoch. Er sah auf die große Uhr seines Einzelzimmers. Zwei Uhr morgens.

Ihm war übel, und er merkte, wie er schwitzte.

Wirre Bilder ängstigten ihn. Dann schlief er wieder ein. Etwas, das er vor fünf Jahren erlebt hatte, drängte sich mit aller Macht in einen merkwürdig realistischen Traum: »Tschüss, mein Schatz – ich liebe dich, auch wenn du es nicht glaubst«, das waren seine letzten Worte, und mit einem Handkuss überließ er sie den routinierten Hände des Sicherheitspersonals am Münchner Flughafen.

Esther flog zu ihrer Urgroßmutter nach Russland, – vielleicht zum letzten Mal, hatte sie gesagt – und er, er blieb zurück. Dabei war alles so gut geplant gewesen. Er hatte sich extra Urlaub genommen, drei Tage, nun ja nicht gerade viel, aber immerhin. Er war frustriert.

Er liebte sie von ganzem Herzen. Doch er war fiebrig erkältet, und hatte sich entschieden, zu Hause zu bleiben. Außerdem konnte er kein russisch, und die meisten dort kein Englisch, geschweige denn Deutsch. Das Wetter sollte sehr schlecht werden, und er hatte mit Esther vereinbart, die Zeit zum großen Teil mit Sightseeing und Wandern zu verbringen. Das würde nun buchstäblich ins Wasser fallen. Es war eine sehr kurzfristige Entscheidung gewesen. Vielleicht übereilt und überzogen … und doch. Er hatte seine Erfahrungen. Wie es sich anfühlte, krank im Urlaub. In einem fremden Land. Aber jetzt fühlte er sich unglaublich schlecht an diesem verregneten Samstag. Er fühlte sich, als hätte er Esther verraten, sie betrogen, sie im Stich gelassen. Er war ein Narr und ein Feigling. Er weinte hemmungslos wie ein kleines Kind, als er sein Auto – ganz entgegen seiner Gewohnheit – langsam heimwärts steuerte.

Er wurde in dieser Woche dann wirklich krank, er hatte sich richtig entschieden, es wäre nicht klug gewesen, er musste ja direkt danach wieder arbeiten. Das war die eine Seite. Auf der anderen Seite lauerte der Schmerz. Der Schmerz über sich selbst, über seinen mangelnden Mut. Er empfand es so, dass Esther an seiner Liebe zweifeln musste. Endlich konnte er ihr einmal die Ernsthaftigkeit seiner Gefühle beweisen – fern aller hohlen Worte – und dann blieb es dabei.

Bei Worten. Wie sollte sie ihm denn noch glauben?

Dann schrie er auf einem einsamen Feldweg seinen Schmerz in den Himmel, seine Unsicherheit, seine Verzweiflung, seine Angst, sein Versagen. Aber niemand in dieser Welt hörte ihn. Nur ein Hase hüpfte in sicherer Entfernung umher, und stellte neugierig seine langen Ohren auf.

HIMMELSKRIEGER

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