Читать книгу HIMMELSKRIEGER - Daniel León - Страница 8

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Mit schmerzenden Augen blickte er auf den toten Körper, der zu seinen Füssen lag. Bleierne Müdigkeit ließ ihn taumeln. Wild drehte sich sein Kopf, fiebernde Kälte blockierte seinen Verstand, und er brach zusammen.

Stille legte sich über das sterbende Land.

Wie ein Leichentuch, so sanft, als sollten die Gräuel, die hier begangen wurden, für immer vergessen sein. Er hieß sie willkommen, und zärtlich begrub ihn das Schweigen, und für eine köstliche Ewigkeit träumte er davon, tief zu schlafen, um nie mehr zu erwachen.

Doch dann vernahm er ein heiseres Flüstern, und ein böser Geist stand kichernd über ihm:

Ja, er hatte richtig gehört.

»Hier werde ich elend zu Grunde gehen«, wiederholte er dumpf.

Abergläubische, rätselhafte Furcht überwältigte ihn, und trieb sein Herz mit schrecklicher Gewalt dem tobenden Meer der Finsternis entgegen.

Adonaj! – Adamssohn!

Wie ein Donnerschlag zerriss ein Schrei mit seiner brutalen Kraft die tote Stille.


War das nicht die Stimme Eljons?


War es nicht ein Schrei des Zorns? Ein Brüllen der Verzweiflung, ein Stöhnen der Trauer? Furcht krallte sich in sein wundes Herz, denn jetzt wusste er: SEIN gerechter Zorn war entflammt, einer brennenden Fackel gleich, wer würde ihm entrinnen? Lange hatte er es gefürchtet, dass dieser Tag kommen würde, der Tag des Gerichts, der Tag der Rache für seine bösen Gedanken, für seine lästernden Reden.

Und so klang es für ihn wie der tosende Lärm der Schlacht, wie der Kriegsschrei des grimmigen Kämpfers, den er fürchtete, und der erbarmungslos auszog, alles zu vernichten, was unheilig, wertlos war.

Eine Fanfare zum Angriff war es, als hätte der Kosmos seit ewigen Zeiten auf diesen einen Augenblick gewartet.

Die Schöpfung hielt den Atem an –

Und wurde zusammengerollt wie eine alte Schriftrolle. Schneller und schneller. Unter dieser Spannung zerriss die Zeit.

Zerfressen wie ein unbrauchbarer Vorhang, voller Motten und Staub. Denn dieses Zeitalter war nun zu Ende – und so verging die Welt, die er sah, in einem Erdbeben:

Krachend und voller Wut stürzten sich die Felsspitzen in tiefe Schluchten. Wie Donnergrollen wurde das Inferno von den steinernen Türmen der Berge aufgenommen, nur um mächtiger zurückzurollen.

Mit dem Bersten der Felsen, deren versprengte Blöcke bis zu dem leblosen Körper im Sand rollten, verhüllte schlagartige Finsternis die Sonne.

Es schien, als wäre sie ausgelöscht, einer leuchtenden Fackel gleich, im Meer des Zorns ertränkt; dichte, dunkle Wolkenmassen drängten sich drohend an ihre Stelle, und gewaltige Blitze zuckten darin, die die Berge spalteten wie riesige, goldglänzende Äxte.

Krachender Donner zerriss den Erdboden, und ganze Felsformationen versanken in gigantischen Schluchten.

Eiskalter Wind erhob sich nun, und jagte die fernen Felshänge herunter, nein, ein Orkan, der grausame Stimmen in sich trug. Gellende, hohe Schreie, voller Todesangst und Qual. So laut, und so panisch, dass es schien, die Berge zersplitterten allein dieser Schreie wegen. Immer höher und greller wurden sie, so betäubend, so wahnsinnig, dass selbst Dor, der sie schon einmal vernommen hatte, schutzsuchend den Kopf unter seinen weiten Schwingen verbarg.

Noch in dieser Haltung sah er einen riesigen Feuerball, der am fernen Horizont wie ein Komet in ein Meer jenseits der Grenzen stürzte.

Dann war alles still, so plötzlich wie es angefangen hatte.

Zitternd hob er den Kopf.

Die Landschaft hatte sich verändert. Nur das klare Licht der Sterne erhellte silbergleissend die kalte Wüste. In bizarrer Schönheit floss das Licht von sieben Monden über die weißen Felsen.

Doch das war in weiter Ferne.

Aber dahinter, jenseits des Meeres, sah er ein lebendiges Feuer.

Direkt vor ihm jedoch zerwühlte schwarzer, peitschender Regen eine Welt im Todeskampf, und verwandelte diesen Ort der Hölle in eine endlose Ebene aus tiefem Morast.

Mit ausdruckslosen Augen betrachtete er den Regen, bis er endlich begriff, dass dies kein Wasser war, und der Morast kein Morast.

Es waren Nephilim, die in dichten Trauben tot zur Erde fielen.

Bald war die Gegend um den Felsenturm meterhoch mit schwarzen, zuckenden Kadavern bedeckt, und unglaublicher Gestank stieg aus dem Tal empor. Der Gestank der Hölle.

Komischerweise war der Felsvorsprung, auf dem er kauerte, von dieser Zerstörung völlig unversehrt geblieben.

Ihn fröstelte trotz seines dichten Gefieders, und in stummer Qual und stiller Ergebung wartete er auf den Tod. Denn er spürte, wie der Geist des Lebens aus ihm floss.

Aber in den letzten Sekunden vernahm er ein leises Flüstern, fast nicht wahrnehmbar, das ihm versicherte, dass dies unmöglich wäre. Wilde Hoffnung regte sich in ihm, und mit aller Willenskraft setzte er sich auf und lauschte, doch er hörte nur den Orkan heulen. Es war wohl nur eine weitere Täuschung seiner zerstörten Seele gewesen. Aber kaum hatte er dies gedacht, stürzte sich Betäubung erneut auf ihn, wie sich die Geier auf Aas stürzen mögen.

Doch mit einer letzten verzweifelten Anstrengung seines Geistes schüttelte er sie ab, und erhob sich zu seiner vollen Größe, und entschied mit aller Kraft, die in ihm war, der Hoffnung zu glauben. Mit größter Konzentration blickte er in die Finsternis vor ihm, und unverhofft durchdrangen seine Augen sie so mühelos, als wäre sie nicht. Sein fiebernder Blick durchforschte die Gebirgskulisse, die diese Gegend begrenzt hatte, aber erfasste nur eine endlose Trümmerlandschaft.

Dichte Wolken drängten sich drohend vor die kalten Sterne.

Die Finsternis wurde so dicht, dass er nichts mehr sehen konnte, und seine Konzentration ließ nach.

Panik ergriff ihn.

Urplötzlich ließ lautes Dröhnen die Luft vibrieren.

Tief unten in der Erde bewegte sich etwas.

Er kannte das Geräusch, und er wusste, er hatte nur wenig Zeit. Schon entstanden erste Risse im Boden, die in rasender Geschwindigkeit zu Spalten wurden, dann zu Abgründen.

Er sah flammende Berge, die sich aus dem Nichts vor ihm erhoben, glühende, gewaltige Felsen von sich schleudernd.

Trauer und Verzweiflung marterten sein Herz, als er erkennen musste, dass die Heere des Todes gesiegt hatten.


Er hatte geahnt, dass es so kommen würde, und immer gefürchtet, und nun hatte die Furcht ihn gefunden.

Heiser und voller Bitterkeit lachte er auf.

Doch nur ein trockenes Krächzen war hörbar, in der toten Luft.

Furcht verhöhnte seine Seele, und mit einem Mal fühlte er sich unendlich allein. Ein kleiner, hilfloser Adler, der sich verflogen hatte, der in eine Falle gelockt wurde, und den der Geist des Lebens verlassen hatte!Ein langer Schrei voller Hoffnungslosigkeit und Ohnmacht drang aus seinem gebundenen Herzen, während seine Augen wie abgetrennt von seinem Innersten durch die Dunkelheit stolperten, um endlich zu erblicken, was sie die ganze Zeit ersehnt hatten.

Denn dort, zu seinen Füßen, lag der leblose Körper des Mannes, der in seinem getrocknetem Blut auf dem leergefegten, kalten Felsen lag. Er starrte in das tote Gesicht.

Dann, aus den Augenwinkeln sah er etwas, was er noch niemals zuvor gesehen hatte: Um den Körper herum wurde ein Kreis in den Fels gemeißelt. Massiver Fels wurde vor seinen Augen von unsichtbarer Hand zerschnitten! In die ringförmige Spalte, die entstand – es war ihm, als reiche sie hinab bis zum feurigen Kern des Planeten, – floss flüssiges, reines Gold, bis der übrige Fels und das Gold auf einer Höhe waren, und sich der Kreis schloss.

Der so entstandene Ring hatte eine Stärke von dreißig Zentimeter gediegenen Goldes, sein Durchmesser betrug etwa zehn Meter.

Überwältigt sank er zu Boden, und sein Geist erbebte vor Ehrfurcht, obwohl sein Verstand nichts von dem begriff, was er gesehen hatte. Heiligkeit wehte über ihn hinweg, und Herrlichkeit hüllte ihn ein. Er spürte, wie sein Herz fest wurde, während er von einem unerklärlichem Frieden trank.

Fast widerwillig hob er den Kopf. Während sich die Welt in ein Inferno aus Feuer und glühendem Stein verwandelte, blickte er staunend zu dem entstellten Körper, der sicher im Zentrum des Kreises lag. Alles, was sich im Inneren befindet, ist heilig, dachte er in seltsamer Scheu. Er wartete auf das Kommende.

Denn alles verging nun.

Und so war dies das Seltsamste, was Dor jemals in seinem außerordentlichen Leben gesehen hatte: Ein toter Mann, innerhalb eines Kreises aus glänzendem Gold, der alle Dunkelheit vertrieb.

Fest und unerschütterlich ragte der Fels, auf dem sie sich befanden, aus dem Flammenmeer empor.

Als er noch immer gebannt zu dem Kreis starrte, durchdrang Weisheit sein Herz. Ein einziger Gedanke stieg aus der Tiefe in sein Herz, voll atemberaubender Klarheit, voll kristallener Schärfe:

Dies ist das Ende des Alten – und der Beginn alles Neuen.

Dann durchströmte dieser eine Gedanke seinen Geist mit unsäglicher Freude, so wie er es erst einmal erlebt hatte – im Morgengrauen des ersten Tages.

»Jetzt erinnere ich mich«, schrie er voller Begeisterung.

»Für den ewig Liebenden!«, flüsterte er, trunken vor Glück, während er sich aufsetzte und hörte. Die Antwort war klar und ohne jeden Schleier, und er wusste, was er zu tun hatte.

Behutsam betrat er den inneren Kreis. Eine gewaltige Kraft wehte ihn an. Er kniete sich über den toten Körper, der da entstellt und zerbrochen am Boden lag. Er ergriff die ausgezehrte Gestalt, und bettete sie sanft im dichten Gefieder seiner Brust.

Er blickte noch einmal zurück auf eine vergehende Welt. Doch in seinem Inneren erblickte er etwas von der Herrlichkeit und dem Glanz des kommenden Zeitalters. Dann erhob er sich, und warf sich mit dem, was niemand je ganz ermessen würde, der Dunkelheit entgegen.

HIMMELSKRIEGER

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