Читать книгу Sonnenkaiser - Dirk Meinhard - Страница 10

7.

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Privater Ermittler klang eigentlich gar nicht schlecht. Ein kleines schlecht beleuchtetes Büro mit einem Schild an der Tür, auf dem sein Name stand. Ein großer alter Schreibtisch, hinter dem er auf den hinteren Beinen eines Stuhls balancierte, die Füße auf dem Schreibtisch, während er eine Zeitung las, an einem Bourbon nippte und auf Kunden mit interessanten Aufträgen wartete. Ein echter Marlowe eben.

Immer wieder Anfragen von Leuten, bei denen es auf Geld nicht ankam, um ihre entlaufenen Hunde zu suchen, ihren Ehepartnern hinterherzuspionieren oder verloren gegangenen Schmuck zu suchen. Vielleicht nicht aufregend, aber einträglich.

Eine schöne leichte Fantasie.

In der Realität würde ihm wahrscheinlich nicht einmal sein Vermieter beauftragen, das Paar zu finden, das die Wohnung unter ihm im letzten Monat geräumt hatte und dabei einen Haufen Müll und Mietschulden hinterlassen hatte. Auf die Idee, sich als Detektiv zu betätigen, wäre er selbst im größten Alkoholrausch nicht gekommen. Und jetzt war da dieses Angebot.

Frau Wolenski hatte ihm einige Informationen zugeschickt. Die Personalagentur arbeitet für den Konzernverbund der DesertEnergy-Gruppe. Der Klient hinter dem Auftrag war also vermutlich ein Manager aus diesem Unternehmen. Es handelte sich nicht um eine feste Stelle, sondern lediglich um einen einzelnen Suchauftrag nach einer Person. Viel mehr war aus dem Text nicht zu entnehmen. Es ging also nicht um Tiere, Schmuck und Seitensprünge, eher um eine nur vermeintlich demente Großmutter, die sich aus ihrem Luxussanatorium davongeschlichen hatte, um noch mal kräftig einen draufzumachen.

Frau Wolenski hatte sein Profil auf dem Portal des Amtes für Arbeit eingestellt und recht schnell war ein Stellenangebot direkt zu seinem Profil eingegangen. Wenn er sich mit diesem Gedanken beschäftigte, ging ihm das Wort Sklavenmarkt nicht aus dem Kopf. Allzu schlecht war der Vergleich nicht. Frau Wolenski bot Daniel an und ein Interessent begutachtete das Angebot. Kam es zu einem Abschluss, verdienten daran alle Beteiligten. Das Amt sparte Geld, die Agentur bekam Geld für die Vermittlung und der Auftraggeber eine Arbeitskraft. Der Einzige, der dabei wenig mitzureden hatte, war die Arbeitskraft selbst. Wagte sie einen Widerspruch, sparte immer noch das Amt Geld, ein nettes Druckmittel, mindestens so motivierend wie ein Peitschenhieb.

Vermutlich hatte man bereits ein paar Dutzend Bewerber in der Auswahl. Schlechte Chancen für ihn, einen ehemaligen Polizisten, der ein paar Jahre lang vor einem Computer gesessen hatte, um im Internet Betrügern, Dieben, Mördern und Sexualstraftätern nachzujagen, und nicht einmal ein Taxi für eine Verfolgungsjagd benötigt hatte. Daniel überlegte, ob er bereits ein Problem mit seiner Motivation hatte, auch ohne Geldentzug oder Peitschenhiebe. Wenn er es sich ehrlich eingestand, hätte er sich lieber ins nächste Bistro gesetzt und ein Bier bestellt, den Tag genossen und diese Mitteilung verdrängt. Alleine der aufgebaute Druck, sich bis zum Nachmittag bei der grauhaarigen Dame mit der merkwürdigen Brille melden zu müssen, hielt ihn ab.

Die Sonne schien angenehm warm und blendete ihn. Eigentlich war der Tag für andere Dinge wie gemacht. Als er im Citybereich das erste Café fand, setzte er sich an einen der Tische im Außenbereich und bestellte einen Kaffee. Es waren nicht viele Menschen unterwegs, die meisten wohl zu ihren Jobs. Die verkehrsfreie Zone beheimatete statt Geschäften, die längst gegen das Internetangebot aufgegeben hatten, Auslieferpunkte, in denen Drohnen gewartet, aufgeladen und mit Waren für die Nahbelieferung beladen wurden, oder Servicepunkte mit Pflegediensten oder ähnliche Haushaltsdienstleister.

Daniel spielte mit seinem Smartphone. Seine Finger wischten auf dem Display herum. Die Mitteilung von Frau Wolenski öffnete sich und schloss sich wieder. Jedes Mal fiel sein Blick auf die angezeigte Telefonnummer der Agentur. Mit der anderen Hand griff er nach dem Kaffee und nahm einen Schluck. Er schwankte zwischen mangelnder Motivation und Neugier. Etwas reizte ihn, mehr über diesen Job herauszufinden. Endlich rang er sich durch und wählte die Nummer.

>>Best Skills Agency! Guten Tag!<<

Keine Videoverbindung, nur ein Firmenlogo. Die Stimme gehörte einer jungen Frau.

>>Guten Tag! Mein Name ist Daniel Neumann! Ich habe hier eine Rückmeldung Ihrer Agentur auf meine Stellensuche!<<

>>Können Sie mir unsere Referenznummer nennen?<<

Daniel schaute auf seine Commwatch, auf die das Smartphone automatisch einen Teil der Mitteilung vom Amt spiegelte und las die angezeigte Referenznummer vor.

>>Vielen Dank! Einen Moment!<<, antwortete die Stimme mit der kühlen Sachlichkeit einer künstlichen Intelligenz. Natürlich sprach er nicht mit einem Menschen, bevor das Anliegen nicht einem Mitarbeiter zugeteilt wurde.

Während ein paar Momente vergingen, nahm Daniel wieder einen Schluck Kaffee. Die Stimme erklang wieder, nicht eine Spur freundlicher, und teilte ihm mit, er würde gleich mit einem Kundenbetreuer sprechen. Dann nannte eine männliche leicht näselnde Stimme ihren Namen.

>>Antall hier! Herr Neumann, ich freue mich, dass Sie sich so schnell melden!<<

Das klang deutlich freundlicher. Natürliche Intelligenz, hoffentlich. Auf dem Display erschien der füllige Kopf eines Mannes mit dunklen leicht ölig glänzenden Locken auf dem Kopf. Er hatte schmale listig schauende Augen und einen leichten Bartschatten, was Daniel spontan auf die Idee brachte, keinen Personalvermittler, sondern einen Gebrauchtwagenverkäufer vor sich zu haben. Der Mann strahlte über das Gesicht, als wenn er sich darüber freuen würde, dass gerade Daniel ihn angerufen hatte.

>>Ich suche jemanden für einen einzelnen Auftrag. Ihr Profil ist ein Glücksfall! Ein ehemaliger Kommissar, sogar mit umfassender Erfahrung in der Internetermittlung!<<

Der Mann klang so überschwänglich, als hätte er seit Monaten auf den einen großen Treffer gewartet, der ihn zum Mitarbeiter des Monats machen würde. Und nun wurde sein Traum wahr. Kommissar? Hatte Wolenski einen schwachen Moment gehabt? Daniel bemühte trotz seiner Verwunderung eine entspannte Mimik.

>>Ein Klient aus Berlin hat uns beauftragt. Es geht darum, eine vermisste Person aufzuspüren. Der Klient sucht jemanden, der in dem Bereich bereits Erfahrungen hat. Als Qualifikation wird eine mehrjährige nachweisbare Tätigkeit als Detektiv oder als Ermittler bei der Polizei gefordert, außerdem Erfahrungen im Umgang mit Informationstechnologie. Das erfüllen Sie! Ich werde Sie sofort dem Klienten vorschlagen! Das ist großartig!<<

Stillschweigende Zustimmung nannte man das wohl, was Daniel blieb. Er dachte an Wolenskis Drohung bei mangelnder Bereitschaft zur Zusammenarbeit.

>>Gut! Wie geht es dann weiter?<<

>>Der Klient wird sich bei mir melden, wenn er Sie für geeignet erachtet. Dann folgt ein persönlicher Termin mit dem Klienten. Entweder Sie kommen ins Geschäft oder Sie verbuchen das Ganze als Erfahrung.<<

>>Können Sie mir sagen, wer dieser Klient ist?<<

>>Tut mir leid! Den Namen erfahren Sie erst, wenn Sie zu einem Termin eingeladen werden.<<

Das war zu erwarten. Daniel überlegte, ob er mit dem, was er schon wusste, ein wenig spekulieren sollte. Eindruck schinden mochte nicht schaden.

>>Sie arbeiten für DesertEnergy. Wenn jemand von dort einen solchen Auftrag hat, wird es wohl kein kleiner Angestellter sein, sondern jemand aus dem Führungsbereich. Eine solche Suche kann kostspielig werden. Daher gehe ich davon aus, es handelt sich sogar um einen recht hochrangigen Manager…<<

Antall lachte laut auf und unterbrach damit Daniel.

>>Ich höre schon, dass Sie die richtige Wahl sind. Aber Sie werden trotzdem verstehen, dass der Klient Anonymität wünscht.<<

Eine weitere Frage brannte Daniel noch unter den Nägeln.

>>Wie groß ist meine Chance, diesen Auftrag zu bekommen? Ich meine, es gibt doch bestimmt nicht nur in Berlin viele Detekteien, die mit langjähriger Erfahrung und professioneller Ausrüstung punkten können. Ich habe da nicht viel gegenzuhalten!<<

Eine Gedenksekunde lang herrschte Stille. Musste dieser Antall sich eine gute Erklärung ausdenken?

>>Der Klient wünscht absolute Verschwiegenheit und Anonymität. Das ist mit einer professionellen Agentur schwierig zu erfüllen.<<

Was für ein Quatsch, dachte sich Daniel. Eine Detektei, die mit diesen Grundlagen ihrer Arbeit Probleme hatte, würde sehr schnell nur noch in Shopping Malls nach Taschendieben Ausschau halten. Antall schien Gedanken lesen zu können oder deutete seinen Gesichtsausdruck einfach nur richtig.

>>Jemand wie Sie lässt sich sehr einfach in eine Residenz einschleusen, ohne dass die falschen Personen unnötige Fragen stellen. Wenn eine Detektei eine Residenz aufsucht, ist die Chance groß, dass kurz darauf jemand von der Presse diese Detektei unter die Lupe nimmt, um zu prüfen, ob dahinter eine gute Story steckt.<<

Dieses Argument zog besser. Und Herr Antall war doch nicht so verschwiegen. Wenn der Klient in einer Residenz lebte, bedeutete das, er war recht vermögend und ganz bestimmt ein hochrangiger Manager, möglicherweise zur Wirtschaftsprominenz gehörend, womit die Geheimniskrämerei sich rechtfertigte.

>>Und wenn ich mich bei diesem Termin doch nicht als der Richtige für den Job erweise? Dann kenne ich den Klienten und könnte selbst versuchen, mir ein kleines Zubrot bei der Presse zu verdienen!<<

Daniel blieb hartnäckig.

>>Herr Neumann, die Antwort darauf ist einfach. Sollten Sie nicht so verschwiegen wie erwartet sein, gibt es genug Mittel, Ihnen echte Probleme zu bereiten.<<

Antall gönnte sich eine Schweigesekunde, die er zur Steigerung der Bedeutung seiner Worte mit einem ironisch klingenden Sie verstehen? beendete.

Die nun einsetzende Pause entstand, weil Daniel für einen Moment die Worte fehlten.

>>Das Thema ist wohl hinreichend besprochen. Haben Sie noch weitere Fragen?<<

Daniel räusperte sich. Er fühlte sich plötzlich zu sehr in der Defensive. Plötzlich konnte er sich doch einen Job als Hausmeister sehr gut vorstellen. Knieschmerzen vom ständigen Herumrennen in einem Gebäude waren wohl angenehmer als echte Probleme, was das auch immer genau bedeuten mochte.

>>Wenn ich Details zu dem Suchauftrag erst von Ihrem Klienten erfahren werde, muss ich gestehen, mir fällt gerade keine sinnvolle Frage ein. Haben Sie aber vielleicht noch eine Frage an mich?<<

Antall klang erheitert.

>>Nein, ich habe alles Notwendige vorliegen, und werde Sie als geeigneten Kandidaten vorschlagen. Unser Gespräch war sehr aufschlussreich! Und dem Amt für Arbeit werde ich eine positive Rückmeldung geben!<<

Herr Antall verabschiedete sich freundlich und unterbrach die Verbindung. Daniel schaute nachdenklich auf sein Smartphone. Er war sich nicht ganz klar darüber, ob er sich freuen oder beunruhigt sein sollte. Wie es aussah, blieb ihm aber ohnehin nur, abzuwarten. Vielleicht hatte Frau Wolenski noch einen Vorschlag mit langfristiger Perspektive. Ein Job als Müllfahrer war eventuell auch eine akzeptable Alternative.

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