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8.

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Das Boot, das den dezent nach Erbrochenem riechenden Passagier abgesetzt hatte, nahm wieder Kurs auf die spanische Küste, die etwa einhundert Kilometer entfernt war. Die aktuelle Position war für das Boot nicht ganz unproblematisch. Der Kapitän rechnete zwar nicht damit, dass ein kleines Schiff, das auf etwa dreißig Kilometer an die afrikanische Küste heranfuhr und dann wieder abdrehte, von der Küstenwache gestellt würde, aber das Boot würde auf jeden Fall beobachtet. Daher war es wichtig, dass sie keinem anderen Boot zu nahe kamen, um nicht in den Verdacht zu geraten, Menschenschmuggel zu betreiben. Und es würde hoffentlich niemand auf die Idee kommen, das Schiff über seine gesamte Fahrt zu beobachten, um sich die berechtigte Frage zu stellen, ob jemand das Mittelmeer wirklich in Nord-Süd-Richtung durchquerte, nur um seinen Abfall ins Wasser zu werfen.

Die Morgendämmerung zog von Osten auf und präsentierte einen farblich atemberaubenden Sonnenaufgang bei wolkenfreiem Himmel. Das Panorama hätte jeden Kreuzfahrtreisenden begeistert. Das Meer, das in der Nacht noch etwas Wellengang hatte, der für den Passagier zu viel gewesen war, war an diesem Morgen fast spiegelglatt.

Für die vier Männer an Bord des kleinen Fischerbootes war der blaue Himmel weniger interessant. Sobald sie in die freigegebene Fischereizone gelangten, würde ein normaler Arbeitstag beginnen. Die Mannschaft befand sich aber bereits den größten Teil der Nacht auf den Beinen. Der Tag würde somit etwas schwieriger verlaufen. Das Boot befand sich etwa eine halbe Stunde auf Kurs zum europäischen Festland, als vor ihm ein anderes Boot auftauchte, das in hohem Tempo von Westen direkt auf das Fischerboot zuhielt. Der Kapitän bemerkte das Boot auf dem Radar. Aber er beachtete es nicht. Auf dem Mittelmeer herrschte üblicherweise reger Schiffsverkehr, insbesondere je näher man an Gibraltar herankam.

Das Boot kam näher, kreuzte dann hinter ihnen ihren Kurs und beschrieb eine Kurve, um dem Fischerboot zu folgen.

>>Was soll das denn?<<, brummte der Kapitän und rief nach dem Jungen, der ihren Passagier abgesetzt hatte.

>>Nimm Dir das Glas und beobachte das Boot hinter uns. Wir werden verfolgt! Das ist aber keine Küstenwache!<<

Der Kapitän reichte dem Jungen ein Fernglas und erhöhte dann das Tempo des Bootes noch ein wenig. Die Maschinen wurden etwas lauter und der träge Schiffskörper nahm kaum merklich ein wenig mehr Tempo auf. Der junge Mann folgte der Anweisung und stellte sich ans Heck, von wo er das andere Boot beobachtete, ein flaches nicht einmal zehn Meter langes Sportboot, mattschwarz lackiert, mit einer weit nach vorne gezogenen geschlossenen Kabine, deren Fensterflächen ebenfalls mattiert und verdunkelt waren. Am Heck spannte sich ein gut drei Meter hoher nach hinten geneigter Bügel, der Radargerät und Funkantenne enthielt, quer über das Kabinendach. Das kleine Deck hinter der Kabine war leer. Dahinter folgte eine Abdeckung, unter der sich die Motoren befanden. Große Einlassklappen zeugten vom Luftbedarf des Antriebs. Das Boot wirkte nicht sehr hochseetauglich, eher wie ein Sportboot für schnelle Trips entlang der Küsten. Jeder kräftigere Sturm würde mit so einem Ding leichtes Spiel haben. Wenn dieses Boot tatsächlich von der spanischen Küste kam, hatte der Steuermann einen recht unangenehmen Start in den Tag gehabt, so wie die Landratte in dem Holztorpedo. Der Blonde grinste bei dem Gedanken daran, dass ihr Gast nun irgendwo im Meer dahintrieb und sich wahrscheinlich vor Angst längst in die Hosen gemacht hatte.

Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Aufgabe. Das schwarze Boot gefiel ihm. Es sah teuer aus und wirkte durch den matten Lack etwas unheimlich. Mit dem schmalen Lohn, den er auf dem Fischerboot und in der Werkstatt am Hafen von Málaga verdiente, würde er solch ein Boot immer nur aus größerer Entfernung anschauen können. Es musste ein fantastisches Gefühl sein, die Motoren dieses Bootes auf volle Leistung zu bringen und zu spüren, wie es sich aus dem Wasser hob und davonraste.

Das Sportboot folgte dem Fischerboot mit einem Abstand von etwa zweihundert Metern.

>>Was ist da hinten los?<<, brüllte der Kapitän vom Steuer aus.

>>Sie kommen näher!<<, schrie der Junge zurück und setzte das Fernglas ab. Die Besatzung des schwarzen Bootes schien eine Entscheidung über ihr Vorhaben getroffen zu haben. Das Fischerboot nur zu verfolgen reichte ihnen nicht mehr.

Das fremde Boot hob sich vorne ein Stück aus dem Wasser, als es beschleunigte. Das Dröhnen seiner Motoren übertönte sogar das Brummen aus dem Maschinenraum des Fischerbootes. Es näherte sich ihnen schnell, setzte sich auf einem Abstand von etwa zwanzig Metern neben das Fischerboot und passte sich dessen Tempo an.

Dem Jungen lief ein Schauer über den Rücken. Bei diesem Abstand legten die Verfolger es wohl nicht auf ein Gespräch an. Jemand betrat auf dem Sportboot den hinteren Teil des Decks. Der Junge erblickte einen groß gewachsenen kräftigen Mann mit kurzen Haaren in hellen Bermudashorts und einem blauen Polohemd. Der Mann wirkte wie jemand aus der High Society von einem der noblen Ferienorte Frankreichs. Er winkte zum Fischerboot herüber. Zögerlich erwiderte der Junge den Gruß.

Der Mann beugte sich vor und klappte eine Sitzbank hoch, unter der sich ein Fach befand, aus dem er etwas herausnahm, einen meterlangen gut armdicken grauen Gegenstand mit einer Schulterstütze und einem breiten trommelähnlichen Mittelteil.

Der Junge wurde blass, als er eine Waffe in den Händen des Mannes erkannte.

>>Kapitän!<<, schrie er und drehte sich um, um nach vorne zu laufen.

Der Mann auf dem Sportboot wirkte routiniert. Mit einer Bewegung legte er die Bazooka an und richtete sie auf den Rumpf des Fischerbootes, knapp über der Wasserlinie. Das Geschoss schlug auf der Außenhaut des Bootes auf und explodierte. Die Detonation erschütterte den Rumpf des Bootes. Abgerissene Teile des Schiffskörpers schlugen ins Wasser. Ein großes Loch klaffte im Rumpf, das bis unter die Wasserlinie reichte. Das Fischerboot verlor sofort massiv an Tempo und lief mit Wasser voll.

Der Junge wurde von der Wucht des Treffers ins Wasser geschleudert. Ein weiterer Schuss traf den Aufbau auf dem vorderen Teil des Bootes, genau dort, wo sich das Radarsystem und die Antenne der Funkanlage befanden. Die Granate zerfetzte das Dach des Steuerraums und die Radarschüssel. Der Kapitän am Steuer starb durch die Wucht der Explosion.

Der Mann auf dem Sportboot lud seine Waffe in aller Ruhe nach, während das Fischerboot bereits sichtbare Schlagseite bekam. Ruhig legte er die Waffe erneut an und zielte wieder auf das Boot. Er war ein geübter Schütze und glich den schwankenden Untergrund beim Zielen mit Bewegungen seines Körpers aus. Mit einem Schmunzeln im Gesicht nahm er wahr, dass jemand vom Fischerboot ins Wasser sprang und versuchte, vom Wrack wegzuschwimmen, das sich immer mehr auf die Seite legte.

Der Mann auf dem Sportboot feuerte eine weitere Granate ab, die auf dem Deck des Fischerbootes einschlug. Die Wirkung war, als hätte man den Korken einer Sektflasche entfernt. Die Luft konnte blitzartig aus dem Schiffskörper entweichen und das Boot versank schnell.

Der Mann fixierte zwei Punkte auf dem Wasser und rief eine Anweisung in die Kabine. Das Sportboot nahm wieder Fahrt auf und hielt auf die Schiffbrüchigen zu, während der Mann die Bazooka verstaute und stattdessen eine Pistole aus dem Fach entnahm. Das Boot näherte sich den Schwimmenden auf wenige Meter. Der Junge, der sie vom Heck des Fischerbootes beobachtet hatte, wirkte benommen und paddelte unkoordiniert mit den Armen. Der andere schwamm mit aller Kraft weg, obwohl ihn seine Kleidung dabei sichtlich behinderte.

Der Mann schoss beiden in den Kopf. Dann betrachtete er mit einem Ausdruck von Befriedigung die Toten, die mit dem Kopf nach unten im Wasser trieben.

>>Halten wir uns an das, was wir am besten können!<<, sagte er leise und gab dem Mann am Steuer einen Wink. Beide ahnten nichts von ihrer Verspätung. Das Boot drehte ab und hielt auf die spanische Küste zu, von der es ursprünglich gekommen war.

Etwas mehr als zehn Seemeilen entfernt, in marokkanischen Hoheitsgewässern, barg in diesem Moment ein anderes Fischerboot einen hölzernen Schwimmbehälter, aus dem ein junger erschöpfter Mann herausstieg und froh darüber war, seinen schwimmenden Sarg verlassen zu können. Er wäre noch glücklicher gewesen, wenn er gewusst hätte, wie sich Zeitzonen auf die Beauftragung einer Schiffsversenkung auswirken konnten.

Sonnenkaiser

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