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5.

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>>Guten Abend, Minister Lauffert!<<

Der Mann mit dem sichtlichen Übergewicht reichte dem Minister, einem behäbig wirkenden Endvierziger mit kinnlangen Haaren und einem dünnen Kotelettenbart, die Hand. Der Handschlag wurde mit weichem nachgiebigem Druck erwidert.

>>Herr Raedick, ich freue mich, dass Sie es doch noch hierher geschafft haben.<<

Laufferts Mimik drückte große Begeisterung aus. Kurz schielte der Umweltminister an Raedick vorbei, der ihn direkt am Ausgang des Sitzungssaals abgefangen hatte.

>>Ja, es war mir wichtig, die Umweltminister von Spanien und Deutschland zu treffen und zu dem Thema dieser Tagung Ihre Meinungen persönlich zu hören, statt nur als Meeting Note.<<

Lauffert nickte etwas zu übereifrig.

Weitere Teilnehmer der Tagung strömten aus dem Ausgang und verteilten sich auf die Stehtische und Sitzecken. Ein großes Rudel Servicekräfte schwärmte sofort aus, um den Gästen die Auswahl des Catering anzubieten. Im Hintergrund erklang leise Musik.

Raedick deutete in Richtung eines Panoramafensters gegenüber dem Sitzungssaal.

>>Lassen Sie uns einen Platz suchen. Ich stehe nicht sehr gerne!<<

Die beiden Männer hielten auf eine kleine Sitzgruppe, bestehend aus drei breiten dunkelroten Ledersesseln und einem kleinen Glastisch, zu. Raedick bestimmte mit seinem bedächtigen Gang aufgrund seiner Körperfülle das Tempo, schob dabei ungerührt einige Personen zur Seite.

Bevor eine Frau in einem dunklen Hosenanzug Platz nehmen konnte, schob Raedick auch sie mit seiner Körpermaße weg und ließ sich in einen der Sessel fallen. Mit einem unwirschen Kommentar und einem stechenden Blick wich die Frau zum nächsten Stehtisch aus.

>>Das war die Pressesprecherin der deutschen Kanzlerin!<<

Lauffert schaute der Frau hinterher, die den Vorfall scheinbar schon wieder vergessen hatte und sich mit ihrem Smartphone beschäftigte.

>>Sie hätte sich ja auf den freien Platz setzen können.<<

Mit einem Taschentuch wischte Raedick sich über das füllige Gesicht.

>>Lauffert! Ich freue mich, Sie wiederzusehen. Ich bin gerade rechtzeitig zu Ihrer Ansprache gekommen. Sie haben interessante Ansätze geliefert, wenn auch viele Fragen nicht beantwortet sind.<<

Eine Servicekraft in schwarzer Hose und gestreiftem Hemd, die ein Tablett mit Gläsern auf einer Hand balancierte, umrundete mit elegantem Schwung eine kleine Gruppe, die in knappem Abstand von der Sitzecke stand und beugte sich leicht vor. Lauffert nickte dem Mann zu und nahm zwei Sektgläser von dem Tablett herunter.

>>Konsistente Sicherheitsaspekte kontinentaler klimaneutraler Energieversorgung.<<

Raedick nahm eines der Gläser entgegen, prostete Lauffert zu und nahm einen großen Schluck. Der Sekt war ihm zwar nicht trocken genug, aber er leerte das Glas trotzdem mit einem zweiten Schluck. Immerhin war das Messezentrum gut klimatisiert und er schwitzte unter seinem Anzug nicht allzu sehr.

>>Wer kommt auf solche hochtrabenden Titel für Tagungen<<?

>>Irgendeinen Namen muss das Kind ja haben. Und die Regierungen von Frankreich, Spanien und Deutschland haben ein klares Interesse an einer hundertprozentig sicheren und ökologisch einwandfreien Energieversorgung. Ihr Unternehmen trägt dazu maßgeblich bei.<<

>>Ich habe Ihre Ideen bereits hinreichend nachgelesen und überdacht. Wen wollen Sie dafür begeistern, Milliarden auszugeben? Sollen unsere Kunden diese Rechnung bezahlen?<<

Lauffert hob beschwichtigend die Hände.

>>Natürlich ist der Bau zusätzlicher mehrerer tausend Wasserstoffkavernen samt Elektrolyteinheiten in diesen Ländern ein gewaltiges Unterfangen, aber notwendig, um eine mehrtägige Sicherheitsreserve aufzubauen. Und wir gehen von einem Planungshorizont von zehn Jahren aus.<<

Raedick schüttelte den Kopf.

>>Das wird noch ein steiniger Weg für Sie. Aber vielleicht finden wir einen Weg zu einem gesunden Kompromiss.<<

>>Ich habe Ihren Vorstandskollegen Carné auch schon gesehen! Wird Herr Jacobs auch noch eintreffen?<<

Der Umweltminister deutete zu einer Gruppe von Männern, die ein Stück weiter in angeregter Unterhaltung standen. Ein Mann mit fast klassisch anmutenden Gesichtszügen, denen eines Schauspielers aus den Fünfzigerjahren nicht unähnlich, und dichtem schwarzen Haarschopf stand in einem perfekt sitzenden mittelgrauen Anzug neben einem kräftigen Mann mit fleckiger Kopfhaut, schütterem nach hinten gekämmten grauen Haaren und buschigen Augenbrauen, der trotz seiner dem Anlass angemessenen Kleidung eher wie ein Türsteher in einer Vorstadtdisco wirkte.

Der Schauspielertyp war Carné, Vorstandsmitglied von DesertEnergy, zuständig für das Geschäft in Frankreich. Der Vorstadtgorilla hieß Henderson, der einen solchen Posten bei GlobSecure bekleidete. Während der erste eine geradlinige Karriere in europäischen Finanzunternehmen absolviert hatte, bevor er den Weg zu DesertEnergy gefunden hatte, hatte Henderson eine militärische Laufbahn hinter sich gebracht, bis er aus einer Position als Major im NATO-Verbund in eine der bestbezahlten Positionen der europäischen Unternehmenslandschaft wechselte. Ihm wurde nachgesagt, er hätte sogar einige Jahre bei der Fremdenlegion verbracht und recht erfolgreich vor der asiatischen Küste Piraten gejagt.

>>Nein, unser Vorstandsvorsitzender hat neben einigen internen wichtigen Terminen heute und morgen Besuch vom ägyptischen Staatsminister. Es geht um die Erörterungen zum Aufbau von Beziehungen für zukünftige Expansion unseres Unternehmens. Sie kennen das!<<

Lauffert nickte verständig. Er beugte sich vor und sprach etwas leiser weiter, als er sich nahe genug an Raedicks fleischigem Ohr befand. Der Mann dünstete eine Geruchswolke mit einer Mischung aus einem wahrnehmbaren Schweißgeruch und einem Rasierwasser mit einer fruchtigen Note, ähnlich einem überreifen Apfel, aus. Lauffert schien das nicht im Geringsten zu stören.

>>Wir werden Ihnen bezüglich der Förderanträge von Vattengreen und RWE Solar keine Nachteile bescheren.<<

Zwei Männer blieben vor der Sitzecke stehen, nickten den beiden freundlich zu und wanderten ins Gespräch vertieft weiter.

>>Wenn man vom Teufel spricht!<<, schnaufte Raedick.

>>Vielleicht hätte ich die beiden Herren von Vattengreen mal fragen sollen, wie ihre Verhandlungen mit Griechenland bezüglich ihrer neuen HGÜ-Leitung verlaufen!<<

Ein leicht abfälliges Grinsen schlich sich in Raedicks Gesicht.

>>Wo ist eigentlich Ihre Kanzlerin? Ich habe sie im Saal gesehen, aber die Regierungsgesandten scheinen ja bis auf wenige Ausnahmen lieber unter sich zu bleiben.<<

Er schaute sich suchend um.

>>Frau Reinders-Winkelmann hat unerwartet Besuch von einem Funktionär aus Brüssel bekommen. Die beiden haben sich in einen der Besprechungsräume zurückgezogen. Es scheint sich um eine dringende Angelegenheit zu handeln. Haben Sie einen Termin mit ihr?<<, fragte Lauffert.

>>Während dieser Veranstaltung nicht. Aber Herr Jacobs wird mit ihr in ein paar Wochen über die Verteilung der zusätzlichen Strommengen sprechen, die bald über die erweiterten HGÜ-Leitungen aus Marokko nach Europa fließen.<<

Raedick schaute sich weiter um, entdeckte aber keinen weiteren interessanten Gesprächspartner. Konversation mit Lauffert war nett, aber nach gewisser Zeit langweilte sie ihn einfach. Der Mann war nützlich, mehr nicht. Nach seiner politischen Karriere würde er einen gut bezahlten Posten im Wirtschaftsgremium von DesertEnergy in Brüssel bekommen, aber dafür musste der Minister noch ein wenig strampeln und die Konkurrenz von DesertEnergy bremsen, was ihm recht gut gelang.

>>Ich bin immer wieder davon beeindruckt, wie engagiert DesertEnergy den Ausbau seiner Kapazitäten betreibt<<, setzte der Umweltminister seine Gefallensstrategie fort.

>>Wir wollen die absolute Nummer Eins der Energieversorger werden. Das wird man nicht durch Stillhalten. Aber dank Ihnen ist der Weg nicht ganz so steinig.<<

Lauffert kniff kurz etwas zu vertraulich ein Auge zu und beugte sich leicht vor.

>>Der Neuentwurf des Gesetzes zum Betrieb von regionalen Stromerzeugern wird Ihnen sehr entgegenkommen! Ein paar Steine weniger!<<

Sven Raedick nickte dem Umweltminister zu, während der weitersprach.

>>Das Gesetz ist auch in Bezug auf die Sicherheitsaspekte relevant. Wenn lokale Versorger ausfallen, kann das sehr bedenkliche Auswirkungen haben. Dann wäre es gut, wenn diese abgeschotteten Versorgungsnetze wieder an das landesübergreifende Netz angeschlossen wären.<<

>>Ich kann Ihnen da nur beipflichten. DesertEnergy wird in absehbarer Zeit in der Lage sein, das europäische Stromnetz mit deutlich größeren Energiemengen zu beliefern. Dann macht es Sinn, auch die autonomen Kleinversorger durch uns unterstützen zu lassen. Und Sie als Umweltminister sehen ohnehin auch die ökologische Relevanz.<<

Lauffert nickte eifrig.

>>Ja, gerade die sogenannten Biogasanlagen sind immer noch ein Problem bezüglich der CO2-Problematik. Wir haben unsere Ziele noch nicht erfüllt.<<

Schwerfällig erhob sich Raedick, als er endlich den Mann entdeckte, mit dem er unbedingt noch sprechen wollte.

>>Lassen Sie uns das noch einmal in Ruhe erörtern. Was halten Sie davon, wenn Sie mich nächste Woche auf meiner Jacht besuchen? Sie könnten mich auf einer kurzen Reise von Marseille nach Barcelona begleiten. Dann hätten wir genug Zeit, uns eingehend zu unterhalten.<<

Der Umweltminister strahlte über das ganze Gesicht, während er aufsprang und Raedicks breite Hand schüttelte.

>>Diese Einladung werde ich nur zu gerne annehmen. Ihr Schiff soll ja sehr eindrucksvoll sein. Und ein Brennstoffzellenantrieb. Das würde ich mir nur zu gerne einmal ansehen.<<

>>Lassen Sie uns in der nächsten Pause noch einmal ein wenig reden! Jetzt muss ich dringend noch jemand begrüßen!<<

Er drückte sich aus seinem Sessel, stapfte davon und ließ Lauffert stehen. An der dem Tagungssaal gegenüberliegenden Seite des Raumes befanden sich einige kleine Besprechungsräume, hinter deren Milchglasscheiben genügend Anonymität und Ungestörtheit zu finden war. Mehrere Sicherheitskräfte riegelten den Bereich ab und sorgten zusätzlich für Zugangsbeschränkungen zu diesen Räumen.

An einem einzelnen Stehtisch direkt davor stand jetzt Henderson neben einem zweiten groß gewachsenen Mann mit stoppelkurzen dunklen Haaren und einem Drei-Tage-Bart. Unter dem Sakko konnte man die kräftige Statur gut erkennen. Die beiden Männer wirkten fast wie Brüder, waren aber nur beruflich miteinander verbunden.

>>Herr VanDreed! Was für eine Überraschung!<<

Den Wettbewerb um den kräftigeren Händedruck verlor Raedick eindeutig. Der eher wie ein Soldat wirkende Vorstandsmanager von GlobSecure, nickte mit kühler Freundlichkeit, in die sich ein Hauch von Spott mischte.

>>Schau an! Einer unserer Sonnenkaiser! Wie gefällt Ihnen die Show da drinnen? Wird ganz schön teuer für Sie, wenn Reinders-Winkelmann und Präsident Benoir diese Sicherheitsreserven durchsetzen.<<

Raedick zuckte mit den Schultern. Der andere GlobSecure-Manager schaute auf sein Smartphone, nickte beiden Männern kurz zu und schlenderte in Richtung der Besprechungsräume.

>>Zum Glück sind solche Entscheidungen auf Parlamentsebene nicht einmal in Brüssel zeitnah umsetzungsfähig.<<

Eine Augenbraue in Raedicks Gesicht zuckte kurz.

>>Und notfalls gibt es noch den Kapitalfondsvertrag?<<, stichelte sein Gegenüber.

>>Würden Sie auf eigene Kosten das Sicherheitsniveau der Windparks in Marokko und Algerien steigern? Dachte ich mir! Das Thema für den Nachmittag wird daher ganz ihren Geschmack treffen. Der spanische Verteidigungsminister referiert zusammen mit seinem Think Tank über optimierte militärische Absicherung der europäischen Energienetze. Da wird dann Ihr Einsatzpotenzial optimiert, nach gleichen Prinzipien.<<

VanDreed rang sich ein Grinsen ab.

>>Auf diesen Tagungen wird viel heiße Luft produziert. Politische Wichtigtuer versuchen hier zu glänzen, weil sie ansonsten nicht viel bewegen können. Sobald die Kapitalfonds mit Blick auf die Erträge kurz mit den Verträgen winken, ist ganz schnell wieder Ruhe!<<

VanDreed deutete in Richtung von Umweltminister Lauffert, der sich zu Carné gesellt hatte und gestikulierend erzählte. Kurz überzeugte er sich davon, dass niemand zu nahe bei ihnen stand, um zuhören zu können.

>>Haben Sie sich zu unserem gemeinsames Projekt schon Gedanken gemacht?<<

Der DesertEnergy-Manager stockte kurz, überrascht von dem Themenwechsel, der überhaupt nicht an diesen Ort passte.

>>Ja, das habe ich! Aber ich glaube, wir sollten das nicht hier erörtern! Ich bin in ein paar Tagen in Barcelona und kann zu Ihnen nach Madrid fliegen, um das Vorgehen im Detail durchzusprechen!<<

In Raedicks Augen funkelte es.

>>Das wird ein kleines Erdbeben auslösen! Und vieles sehr einfach machen!<<

>>Erdbeben? Das wäre eine Katastrophe für unsere Energieparks! Wovon sprechen Sie?<<

Der starke französische Akzent ließ Raedick zusammenzucken. Carné tauchte plötzlich in seinem Gesichtsfeld auf und grinste ihn an.

>>Sven, ich hatte Sie gerade zwar gesehen, aber wollte Sie in Ihrem Gespräch mit dem Umweltminister nicht stören!<<

Carné hob ein Glas und prostete beiden Männern zu.

>>Sagen Sie mal, habe ich das richtig mitbekommen? Sie sind seit Jahresbeginn Miteigentümer der Harold-Dahne-Universität? Ist so etwas ein lohnendes Investment?<<

>>Die Ertragslage deutscher Universitäten ist sehr gut! Und der Fachbereich Energietechnik dieser Universität hat einen sehr guten Ruf. Das bedeutet für DesertEnergy Zugriff auf hoch qualifizierten Nachwuchs!<<

>>Ist der Sohn von Jacobs nicht auch an dieser Uni eingeschrieben? Ein Schelm, der da Zusammenhänge sieht!<<

Carné schlug Raedick lachend auf die Schulter.

>>Würde mich nicht wundern, wenn Sie gemeinsam etwas aushecken. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Ich suche auch noch lohnende Investments.<<

>>Keine Sorge! Ich denke an Sie!<<, erwiderte Raedick mit gönnerhaftem Ton.

>>Vielleicht hat aber auch Herr VanDreed eine Empfehlung für Sie. Ich denke, der Kurs von GlobSecure wird auch in Zukunft nur eine Richtung kennen, nach oben!<<

Mit unbewegter Miene raffte sich der Angesprochene zu einem Nicken auf.

>>Ich denke, das stimmt. Genauer kann Ihnen das unser Finanzvorstand erklären. Meine Kompetenzen liegen im Militärischen. Ich kann Ihnen eher etwas über die Sicherheitslage Ihrer Stromerzeuger in Afrika erzählen.<<

>>In den letzten Monaten war es sehr ruhig. Die Lage ist also wohl sehr gut!<<, lieferte Carné in bester Plauderlaune eine Vorlage für angenehmen Small Talk. VanDreeds rechte Augenbraue zuckte kurz. Dann nahm er den Ball auf.

>>Erwerben Sie ruhig Anteile von GlobSecure. Sie werden auch in Zukunft nicht enttäuscht sein! Da bin ich mir sicher!<<

Eine Stimme aus der Lautsprecheranlage unterbrach ihn und informierte über den nächsten Tagungspunkt.

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