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15.

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Daniel überquerte die Veranda und ging mit zögernden Schritten auf den großen Türklopfer zu, der nicht ganz stilecht zum Baustil des Hauses neben der großen doppelflügeligen Eingangstür befestigt war. Im Maul eines protzigen Löwenkopfs steckte ein großer Metallring, den Daniel anhob und wieder fallen ließ. Der Ring schlug mit einem dumpfen Knall gegen den Hals des Löwen. Im Haus erklang eine angenehme Tonfolge ähnlich einem Glockenspiel. Wie albern, fand Daniel, eine unpassende Kombination aus Antiquität und moderner Technik.

Dann erst fiel sein Blick auf ein schlichtes Metallschild über dem Löwenkopf, in dem neben einem Wappen ein Name eingraviert war. Jacobs.

Diesen Namen hatte er an diesem Morgen schon gelesen. Ein leichter Schauer lief über seinen Rücken. Daniel fühlte sich plötzlich noch ein Stück kleiner. Aber er verstand nun das ganze Getue um die Anonymität des Auftraggebers. Jemand mit diesem Namen hatte mehr als genug Gründe, inkognito zu bleiben. Aber warum gab sich der Chef des größten europäischen Energiekonzerns mit einem unbedeutenden arbeitslosen Ex-Polizisten ab? Was zum Teufel war an ihm so interessant?

Es dauerte nur ein paar Momente und ein Türflügel wurde geöffnet. Eine grauhaarige Frau fortgeschrittenen Alters in einem schlichten dunklen Hosenanzug stand in der Tür und lächelte freundlich. Ein kühler Luftzug strömte ihm entgegen. Das riesige Haus war klimatisiert.

>>Sie sind Herr Neumann, nehme ich an?<<

Eine angenehme Stimme. Sein Fahrer wäre bei der Bewerbung um diesen Job klar durchgefallen. Ihre überkorrekt gerade Körperhaltung signalisierte ihre Funktion als Hausangestellte, wahrscheinlich eine Empfangsdame.

>>Ja, das ist richtig<<, antwortete Daniel, der fast erstaunt war, dass ihn kein stilechter Butler empfing. So viel elitäres Gehabe hätte er einem milliardenschweren Manager eigentlich zugetraut.

>>Die Herrschaften werden Sie im Salon empfangen!<<

Die Frau ging einen Schritt zur Seite und ließ Daniel eintreten.

Ein großzügiger Eingangsbereich, der Boden mit quadratmetergroßen Steinen mit marmorierter Oberfläche ausgelegt war. Ein dunkler Holzfußboden setzte den äußeren Stil des Hauses hinter dem Eingangsbereich fort. Die Wände behielten das Weiß der Fassade bei, wohl um die Ölgemälde an den Wänden besser zur Geltung zu bringen.

Möbel im Kolonialstil setzten dazu einen passenden Kontrast. Der Eingangsbereich wurde von zwei großzügigen geschwungenen Treppenläufen dominiert, deren Stufen im Erdgeschoss nach links und rechts ausliefen. Auf beiden Seiten ragte je eine Säule bis zur Decke, um die die Treppenstufen sich nach oben wanden. In der Mitte, auf halber Höhe der Etage machte dieses aufwendige Treppenhaus einer Empore Platz.

Daniel konnte sich gut vorstellen, wie Herr und Frau Jacobs zum Empfang einer Gesellschaft von dort oben herunterschritten, er in einem dunklen Smoking, sie in einem edlen Kleid, reichlich behangen mit Ketten und Diamanten, um auf der Empore zu halten, und erst die restlichen Stufen herabzuschreiten, nachdem ein Angestellter sie laut angekündigt hatte.

>>Ihre Lordschaft von Jacobs mit Gattin geben sich die Ehre!<<

Irgendwie bekam er gerade richtig Durst auf einen doppelten Bourbon, notfalls auch ohne Eis. Das hier war viel zu groß für ihn.

Die Empfangsdame schritt nahezu lautlos am Treppenaufgang vorbei zu einer doppelflügeligen Tür in dunklem Holz, und ließ dann Daniel den Vortritt in einen großzügigen Salon, der sich in eher traditionellem englischen Stil eines Klubs gab. Die Wände waren in einem gedämpften Rot gehalten. Mehrere Chesterfieldsofas und Sessel und niedrige längliche Couchtische in dunklem gebeiztem Holz waren in kleinen Sitzgruppen verteilt.

In einer großen Vitrine präsentierte sich ein antik aussehendes kunstvoll bemaltes Teeservice mit chinesischen Schriftzeichen, neben einer nicht minder wertvoll wirkenden Serie von aufwendig geschliffenen Gläsern. Eine antike Standuhr hatte ein Stück weiter Platz gefunden. Das Pendel unter dem Zifferblatt schwang gleichmäßig und geräuschlos vor sich hin. Am Kopfende des Raums befand sich ein offener Kamin. In einer Ecke standen auf einem Barmöbel mehrere Flaschen, deren Etiketten den Inhalt als Whisky, Bourbon und Cognac auswiesen. Was auch sonst, dachte Daniel, dessen geübte Augen diese kleinen Schätze über die gesamte Distanz des Zimmers identifiziert hatten.

An den Wänden hingen ein paar Gemälde, die passend zur Atmosphäre des Raums ebenfalls aus einem vergangenen Jahrhundert zu sein schienen, in dem Wohlstand noch mit Segelschiffen erwirtschaftet wurde und nicht mit Strom. Jacobs Zeitsprung aus seiner beruflichen in seine private Welt war ein Wohlstandsstatement sondergleichen.

Ein leichter Geruch von aromatischem Tabak lag in der Luft.

Dieser Raum atmete intensiv die Kolonialzeit Englands. Wenn der Stil des Hauses auf den Charakter seines Besitzers schließen ließ, dann würde das Gespräch wohl wirklich nicht lange dauern. Daniel hatte plötzlich ein Bild eines elegant gekleideten Mannes vor sich, arrogante Gesichtszüge, kalte Ausstrahlung, machtbewusst, ein Nachfahre ehemaliger Kolonialherren. Kurze Fragen in herrischem Ton, untermalt von stechenden Blicken, in Erwartung knapper präziser Antworten unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen Unterschieds.

Mann, hatte er plötzlich Durst auf einen ordentlichen Schluck aus einer der Flaschen auf dem Bartisch. Wahlweise hätte er auch das Angebot, das Haus wieder verlassen zu können, wahrgenommen. Das hier war nicht seine Welt, das war sogar ein anderes Universum. Ein viel Größeres als sein Eigenes.

Die Anspannung gab ihm das Gefühl auf eine handliche Größe zu schrumpfen. Es fehlten nur noch Magenschmerzen und Übelkeit.

>>Die Herrschaften werden gleich kommen!<<

Die Frau blieb an der Tür stehen, als müsste sie darauf aufpassen, dass der Gast nicht versuchte, wertvolles Inventar einzupacken, um sich damit aus dem Staub zu machen.

Daniel nickte ihr freundlich zu und schlenderte zu einem der mit Vorhängen behängten Fenster. Von hier aus bot sich ein wunderbarer Blick auf einen Teich und einen offenen Pavillon.

>>Kontrolliert tief und ruhig durchatmen. Denk an etwas Angenehmes. Das ist nur ein Besuch, ein nettes Gespräch. Wenn es nicht passt, sitzt Du wieder in diesem Flugzeug und bist auf dem Weg nach Hause<<, dachte er.

Er fühlte sich versucht, der Empfangsdame ein paar Fragen über die Familie Jacobs zu stellen, aber ihre Antworten würden, wenn sie überhaupt welche geben würde, nur sehr nichtssagend ausfallen. Diskretion, Sie müssen verstehen. Die Herrschaften lehnen den Tratsch über ihr Privatleben in der Öffentlichkeit strikt ab. Es wird so viel geredet, was nicht der Wahrheit entspricht.

Endlich hörte Daniel Stimmen näher kommen und beeilte sich, wieder in die Nähe des Eingangs zurückzugelangen. Das machte bestimmt einen besseren Eindruck, als wenn er am Fenster die Aussicht genoss. Die Empfangsdame machte den Eingang frei und kurz darauf betrat ein Mann den Salon, der in seiner gesamten Person Autorität ausstrahlte. Das musste Frederic Jacobs sein, hochgewachsen, schlank, etwa Mitte vierzig, sportliche Erscheinung, mit kurzem grau meliertem Haar und einem etwas dunkleren Drei-Tage-Bart. Seine Augen waren dunkel und sein Blick vermittelte eine klare Botschaft, wer den Ton angab.

Er trug einen dunkelblauen Rollkragenpullover zu einer hellgrauen Anzughose und dunklen Schnürschuhen, Budapester, soweit Daniel das beurteilen konnte. Die Armbanduhr mit goldenem Gehäuse wirkte an diesem Mann nur wie eine notwendige Ergänzung seiner Erscheinung, die keine Konkurrenz durch andere Schmuckstücke duldete. Immerhin trug er nicht passend zum Stil des Hauses ein Jackett mit Ärmelaufschlägen, Weste, Spitzenjabot und Kniehose nebst Gehstock und Spitzentaschentuch. Und so sehr stach auch sein Blick nicht. Vielleicht würde doch ein ganz passables Gespräch stattfinden. Daniel atmete einmal tief durch.

Trotzdem ihn die Erscheinung des Mannes beeindruckte, musste sich Daniel über diese Vorstellung ein Lachen verbeißen. Der Gedanke war wie ein Schluck guter Whiskey. Er wärmte ihn und entspannte sogar seinen Magen. Warum dachte er nur ständig an Alkohol. Vielleicht hatte er sich in den letzten Monaten doch ein kleines Problem angetrunken.

Frederic Jacobs maß Daniel mit abschätzigem Blick und nahm in der nächstgelegenen Sitzgruppe in einem der Sessel Platz. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Ihm folgte eine Frau mit langen blonden Haaren, wie Jacobs vermutlich etwas über vierzig Jahre alt. Sie trug ein dunkelgraues schlichtes Kleid mit kurzen Armen zu dunkelroten Schuhen mit relativ kurzen Absätzen. Ihr Gesicht war sehr dezent geschminkt. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie Jacobs Frau war. Sie nahm neben ihrem Mann Platz. Frau Jacobs legte ein Touchpad auf den Tisch.

Beide musterten Daniel ausdruckslos von Kopf bis Fuß. Daniel erwiderte die Blicke, obwohl ihm dabei immer unwohler zumute wurde. Er fühlte sich ein wenig, als würde er in einem Käfig im Zoo stehen und sich von Besuchern begaffen lassen.

>>Sie sind der Mann, der sich um die Stelle als Detektiv beworben hat!<<

Jacobs schoss diese banale Feststellung in einer Schärfe heraus, die Daniel fast zusammenzucken ließ. Von allgemeinen Höflichkeitsfloskeln wie etwa einer Begrüßung und gegenseitiger Vorstellung schien Familie Jacobs nicht viel zu halten. Na ja, in seinen Unterlagen stand alles über ihn und am Türschild genug über den Herrn mit den teuren Schuhen. Warum also Worte verschwenden.

Ihm einen Platz anzubieten wäre aber zumindest eine Geste der Höflichkeit gewesen. Daniel blieb also stehen, die Hände hinter dem Körper zusammengelegt. Einen so coolen Eindruck wie sein Chauffeur machte er dabei nicht.

>>Ja, das ist richtig, Herr Jacobs!<<, erwiderte er reflexhaft und bemerkte, dass er eingeschüchtert klang. Wenn er hier nicht, wie von dem glatzköpfigen Fahrer angekündigt, ganz schnell wieder rausfliegen wollte, musste er dringend mehr Selbstbewusstsein ausstrahlen. Es gab nur keine Chance sich das nötige Maß davon anzutrinken. Ein neues Ziel nach dem, dieses Gespräch zu überstehen, mehr Abstinenz wagen.

>>Sie haben das Türschild richtig gelesen. Sie wissen also, wer wir sind!<<

Jacobs musterte ihn, als hätte er sich bereits ein Urteil über den Bewerber gebildet, das nicht gut ausgefallen war.

>>Ich habe auch die Informationsbroschüre im Flugzeug gelesen! Vielen Dank für die angenehme Anreise!<<

Das klang schon besser. Daniel war entschlossen, dem unhöflichen Ton entgegenzuhalten, was zumindest bei Frau Jacobs ein leichtes Lächeln hervorrief. Sie warf einen Blick auf das Touchpad.

>>Sie haben Ermittlungserfahrung als Polizist! Warum sind sie jetzt arbeitslos?<<

Aha, doch ein Bewerbungsgespräch. Antall hatte sich doch zu weit aus dem Fenster gelehnt. Vielleicht hätte er sich darauf vorbereiten sollen. Was sind Ihre größten Schwächen, was Ihre größten Stärken. Na, ich kann Alkoholika am Geschmack unterscheiden. Das kann eine Stärke, aber auch eine Schwäche sein. Und ich kann perfekt auf einem Bein humpeln.

Wo sehen Sie sich in fünf Jahren. Keine Ahnung. Wahrscheinlich unter einer Brücke, weil ich bereits in ein paar Monaten aus meiner Wohnung fliege und kein Geld mehr in der Tasche habe.

Aber solche Antworten kamen möglicherweise nicht so gut an. Ein wenig mehr Seriosität mochte ihm helfen, den Weg unter die Brücke hinauszuzögern.

>>Viele Aufgaben der Polizei wurden durch private Unternehmen übernommen. Also werden Polizisten entlassen. Die Jüngsten sind die, die man am einfachsten loswird! So hat es mich getroffen.<<

Jacobs nickte, während er ihm direkt in die Augen sah.

>>Die Personalagentur, die wir beauftragt haben, einen Detektiv zu finden, hat uns eine Anzahl Leute vorgeschlagen, darunter auch ein paar professionelle Detektive. Ich habe Sie ausgewählt, weil Sie jung genug und damit erwartungsgemäß flexibel sind. Außerdem waren Sie Polizist und als Ermittler tätig. Dazu gehe ich davon aus, Sie können mit Begriffen wie Ehrlichkeit und insbesondere Verschwiegenheit umgehen!<<

Das klang fast schon freundlich. Aber seine Zunge wollte trotzdem noch ein wenig am Gaumen kleben. Dem nächsten Satz ging mangels ausreichenden Speichels ein leichtes Schnalzen voraus.

>> Das kann ich Ihnen zusichern!<<

Jacobs legte den Kopf etwas zur Seite. Er schien kurz zu überlegen.

>>Ihre Unterlagen sahen einwandfrei aus, abgesehen von Ihrer körperlichen Einschränkung. Aber das sollte kein Hindernis sein. Körperliche Defizite lassen sich kompensieren.<<

Daniel zog die Stirn hoch. Er überlegte, was Jacobs damit sagen wollte. Kein Knock-out Kriterium? Sollte der Job ein Spaziergang werden?

>>Meine Knieverletzung stammt aus einem Einsatz während der Zeit der Unruhen. Ich habe damit keine Probleme, solange ich nicht zu einem Hürdenlauf antreten muss.<<

Jacobs ging über die Antwort einfach hinweg.

>>Sie haben bei einer Internetermittlungsgruppe gearbeitet. Sie können also mit einem Computer umgehen und sind nicht nur in der Lage eine Suchmaschine zu bedienen!<<

Nicht eine Frage von Jacobs. Alles aus seinem Mund war eine Feststellung.

>>Ich habe einiges in meinem Job gelernt! Datensuche mit Möglichkeiten jenseits der Standardsuchmaschinen. Ich kenne Kontakte im Netz, die bei Ermittlungen sehr nützlich sein können.<<

Daniel gönnte sich ein verschmitztes Grinsen. Sollte ihn Jacobs ruhig für selbstsicherer halten, als er sich eigentlich fühlte. Seine schweißnassen Handinnenflächen sah niemand.

>>Sie können also Dinge über unsere Familie herausfinden, die uns möglicherweise unangenehm wären?<<

Frau Jacobs Stimme klang weich, ganz anders als die des Mannes.

>>Das hängt davon ab, welche Informationen über sie überhaupt im Umlauf sind. Sie werden wohl an Informationen interessiert sein, die sich in geschlossenen Communities finden lassen oder die in abgeschotteten Netzwerken gespeichert sind! Wenn Sie mir etwas Zeit geben und ein wenig Geld erübrigen, kann ich das meiste herausfinden, das außerhalb des Netzwerks Ihres Unternehmens zu finden ist.<<

>>Ah, wir sind schon beim Geld, ohne dass Sie wissen, was überhaupt die Aufgabe ist! Solche Leute habe ich gerne!<<

Jacobs zog ein Gesicht, als hätte Daniel ihn beleidigt.

Die Frau lehnte sich leicht nach vorne und schob einen abgespreizten Finger über das Touchpad. Sie schien etwas zu suchen.

>>Ich denke nicht, dass Herr Neumann aus eigener Tasche seine Quellen bezahlen möchte, wenn er etwas für uns herausfindet. Darum geht es doch, nicht wahr?<<

Daniel nickte. Allmählich fühlte er sich etwas wohler. Frau Jacobs wirkte interessiert.

>>Ja, auch im Internet gibt es Spitzel, die Wissen gegen Geld tauschen.<<

>>Ist das legal?<<

>>Es macht für beide Seiten Sinn, bei manchen Ermittlungen anonym zu bleiben. <<

Jacobs stand auf und ging zu einem der Fenster hinüber. Er lehnte sich an die Fensterbank und verschränkte die Arme vor der Brust.

>>Uns interessiert das Ergebnis! Wie Sie es erreichen, ist ohne Belang. Wenn Sie etwas Illegales machen und dabei erwischt werden, ist das ausschließlich Ihr Problem!<<

Daniel schaute zwischen beiden hin und her. Während Jacobs weiter seine Unnahbarkeit als Manager herauskehrte, schien die Frau seine Einstellung nicht zu teilen. Das Gespräch lief. Daniel gönnte sich einen Blick auf einen Silberstreif am Horizont. Die Aussicht auf einen schnellen Rückflug verschlechterte sich. Sollte hier doch etwas gehen?

Frau Jacobs schüttelte über den Kommentar ihres Mannes den Kopf.

>>Nein, das ist nicht sein Problem! Wir können den Mann nicht mit der Suche beauftragen und ihn anschließend hängen lassen, wenn er für uns seinen Kopf riskiert!<<

Jacobs wirkte etwas irritiert. Der Widerspruch seiner Frau kam wohl unerwartet.

>>Wie würde es wohl wirken, wenn in der Presse Schlagzeilen auftauchen, in denen wir beschuldigt werden, jemand mit gesetzeswidrigen Dingen beauftragt zu haben?<<

>>Darum geht es doch nicht. Aber wenn Herr Neumann für uns etwas riskiert, solltest Du in der Lage sein, ihn davor zu bewahren, anschließend vor einem Richter zu landen! Mir ist wichtig, dass wir Marc finden!<<

Die Frau schaute zu Boden und nahm eine Hand vor das Gesicht, als wolle sie einen Gefühlsausbruch verbergen. Frederic Jacobs wandte sich um und schaute aus dem Fenster. Daniel konnte leider nur noch Jacobs Hinterkopf sehen. Es hätte ihn interessiert, was in diesem Moment in dessen Gesicht vorging. Die Situation war spannend, seine Unsicherheit vergessen. Das hier interessierte ihn brennend. Wer war der Gesuchte? Ein Sohn?

Jacobs nickte.

>>Gut! Ich denke, wir versuchen es. Erklär ihm, was wir von ihm wollen! Ich werde machen, was ich kann, um Herrn Neumann zu unterstützen!<<

Die Stimme klang etwas gepresst. Jacobs Brustkorb hob sich sichtlich, als er tief durchatmete.

Die Frau erhob sich und kam auf Daniel zu, um ihm die Hand zu reichen.

>>Ich bin Diana Jacobs, die Ehefrau von Frederic Jacobs! Entschuldigen Sie den etwas unhöflichen Empfang! Aber bei uns liegen die Nerven ein wenig blank!<<

Die Hand war schmal und weich, der Händedruck nicht wirklich fest. Frau Jacobs lächelte ihn an. Der Duft eines Parfüms mit einer fruchtigen Note umgab sie.

>>Wir suchen jemand, der vertrauenswürdig ist, weil es bei dem Suchauftrag um eine familiäre Angelegenheit geht! Ihre Bewerbungsunterlagen haben gerade deshalb unseren Zuspruch gefunden, weil Sie Polizist waren. Der Gedanke, dass ein professioneller Ermittler uns nur als einen von vielen Aufträgen behandelt, war mir nicht sympathisch! Und meinem Mann ging es da nicht anders!<<

Sie deutete auf die Sessel.

>>Nehmen Sie doch Platz! Möchten Sie etwas trinken, einen Kaffee vielleicht? Charleen!<<

Die angenehme Stimme vermittelte ihm ein Gefühl von Vertrautheit. Was sie sagte, bestärkte das. Eigentlich waren die Jacobs gar nicht so elitär. Sie waren lediglich in Sorge. Um ein wichtiges Unternehmen, das Europa mit Strom versorgte, um ihre Privatsphäre, um Marc.

Die beiden waren so nett. Man konnte mit ihnen sogar zu einem Kaffee zusammensitzen, um ein wenig Konversation zu betreiben, über Familienangelegenheiten. War er Teilnehmer einer satirischen Fernsehshow?

Hinter Daniel betrat die Empfangsdame den Raum.

>>Gnädige Frau! Sie haben gerufen!<<

>>Bringen Sie uns doch bitte Kaffee!<<

>>Jawohl, gnädige Frau!<<

Charleen verschwand wieder aus dem Raum und Daniel setzte sich in den Sessel neben Diana Jacobs.

>>Es geht um unseren Sohn Marc! Er ist seit etwa zwei Wochen verschwunden!<<

Frau Jacobs Stimme verlor spürbar von ihrer Festigkeit.

>>Wie alt ist Ihr Sohn?<<

Es wurde Zeit für eine tief greifende Konversation. Der Job war zum Greifen nah. Es war sinnvoll, jetzt einen guten Eindruck zu hinterlassen. Das machte auch die Hände trockener und entspannte den Magen. Daniel fühlte sich plötzlich gut.

>>Dreiundzwanzig! Er studiert an der Harold-Dahne-Universität in Frankfurt Energietechnik. Er wohnt dort in einem eigenen Apartment. Normalerweise besucht er uns an jedem zweiten Wochenende. Und wir telefonieren regelmäßig. Aber seit einiger Zeit ist er nicht mehr erreichbar! Wir haben vor einer Woche jemanden vom Sicherheitsdienst zu seinem Apartment geschickt, aber Marc war nicht anzutreffen. Der SecGuard hat sich auch in seinem Apartment umgesehen, aber keine Hinweise auf seinen Verbleib gefunden. Ich mache mir Sorgen um ihn. So lange hatten wir noch nie keinen Kontakt!<<

Frau Jacobs war die Sorge, die sie beschäftigte deutlich anzusehen. Während sie erzählte, befühlte sie nervös ihre Fingernägel.

>>Dass er vielleicht nur Urlaub macht oder Freunde besucht, schließen Sie aus?<<

Frau Jacobs schüttelte heftig den Kopf.

>>Die Semesterferien sind vorbei und er nimmt sein Studium sehr ernst. Außerdem war Marc erst im März in New York. Er hat vor, dort im nächsten Jahr ein Auslandsjahr einzulegen. Er hat sich dort an einer Universität vorgestellt und dann mehrere Wochen dazu genutzt, sich das Land anzuschauen.<<

>>Wie wird Ihre Vorgehensweise sein?<<

Frederic Jacobs hatte sich wieder umgedreht und lehnte an der Fensterbank. Die Fakten waren geklärt. Das Vorstellungsgespräch aber aus seiner Sicht noch nicht beendet. Noch war Daniel nicht auf der Zielgerade.

>>Ich nehme an, Sie haben bereits die Ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft und dabei kein Ergebnis erzielt!<<

Aber er fühlte sich allmählich wieder zurückversetzt in bessere Zeiten, als er noch gebraucht wurde.

>>Sein Smartphone kann seit zwei Wochen nicht geortet werden, wenn Sie das meinen, ebenso wenig ist sein Internetzugang aktiv! GlobSecure überwacht das kontinuierlich und informiert uns sofort, wenn ein Signal aufgefangen wird!<<

>>Trägt Ihr Sohn einen Ortungschip im Körper?<<

Solche Maßnahmen waren in vermögenden Bevölkerungsschichten nicht unüblich, um bei einer Entführung das Opfer finden zu können. Daniel spulte routiniert ein Frageschema ab. Professionalität ausstrahlen. Er hatte sich entschieden, er wollte diesen Job und vor allem das Geld dafür. Hier schwamm sein Rettungsring und er wollte zugreifen.

>>Seinen Ortungschip trägt Marc seit ein paar Jahren nicht mehr! Er hat ihn sich kurz nach seiner Volljährigkeit entfernen lassen!<<

>>Das klingt nach einer Art Protest gegen die Familie!<<

Frau Jacobs schüttelte den Kopf.

>>Er hat mir erklärt, dass man jemanden damit auch identifizieren kann, um ihn dann möglicherweise zu entführen. Und Entführer, die sich damit auskennen, wissen, wie sie den Ortungschip ausschalten können!<<

>>Damit hat er nicht ganz unrecht!<<, musste Daniel zustimmen.

>>Zu der Behauptung, unser Sohn würde sich gegen die Familie auflehnen, kann ich Ihnen versichern, dass wir ein gutes Verhältnis haben.<<

Frau Jacobs wirkte mit ihrer Aussage auf Daniel überzeugend.

>>Hat Ihr Sohn einen Wagen oder ein anderes ortungsfähiges Fahrzeug?<<, setze er seine Befragung fort. Das bedrückende Gefühl seiner eigenen Bedeutungslosigkeit war weggewischt. Er war zurück.

>>Nein! Marc sagte, er braucht an seinem Studienort keinen Wagen. Er benutzt dort einen Mietwagenservice und ein Elektrorad!<<

>>Gibt es irgendwelche Unstimmigkeiten, die ihn veranlasst haben können, ein wenig Abstand von Ihnen zu nehmen?<<

>>Nein! Es gab in den letzten Monaten keine unangenehmen Situationen oder Streitigkeiten zwischen uns!<<

Daniel dachte für einen Moment nach. Es blieb ihm momentan nur die Feststellung, dass die einfachen Möglichkeiten, den Gesuchten zu finden, kollektiv in die Sackgasse führten, was auch nicht anders zu erwarten gewesen war.

>>Um Ihre Frage nach meiner Vorgehensweise zu beantworten, Herr Jacobs. Ich werde an der Universität mit den Nachforschungen beginnen. Er wird dort Freunde haben, die mir etwas über ihn sagen können. Es gibt Nachbarn, die vielleicht etwas Ungewöhnliches bemerkt haben. Ich benötige Zugang zu seinem Apartment, um mich darin umzuschauen. Außerdem werde ich die Zeit bis zu seinem Verschwinden rekonstruieren müssen. Und ich werde mich um die Spuren kümmern, die er im Internet hinterlassen hat, also Äußerungen in Communities etwa. Es wird sich ein Ansatzpunkt finden lassen, der den Grund seines Verschwindens erklärt!<<

>> Und wenn sich dabei nichts ergibt?<<

>> Niemand verschwindet, ohne eine Spur zu hinterlassen! Das ist schon physikalisch unmöglich! Ich werde also etwas finden!<<

Daniel musste sich eingestehen, dass er sich ziemlich weit aus dem Fenster lehnte.

Es gab mit Sicherheit eine Menge Möglichkeiten, warum der Sohn plötzlich verschwand, ein familiärer Streit als Anlass, eine Liebe, die der Familie nicht ins Konzept passte, das Bedürfnis, einfach aus dem eigenen Leben auszusteigen, oder ein Verbrechen.

Und es war schon eine große Zahl Menschen verschwunden und niemand war in der Lage gewesen, herauszufinden, wo sie geblieben waren. Manche tauchten irgendwann wieder auf, unversehrt oder in Resten dessen, was auf natürliche Weise verwertet worden war. Natürlich war den Angehörigen diese letzte Möglichkeit der Rückkehr die Unangenehmste. Manchmal kam die Nachricht vom Tod des Gesuchten auch gelegen, meistens in Erbschaftsfällen. Aber das war hier auszuschließen. Falsche Reihenfolge. Marc war verschwunden, nicht sein Vater.

>>Sie sind also überzeugt, Sie finden Marc wieder?<<

Frau Jacobs strahlte ein Übermaß an Erleichterung aus.

>>Ich möchte Ihnen nichts vormachen. Solange ich noch nach Spuren über seinen Verbleib suchen muss, kann ich nichts ausschließen. Wenn Sie mich beauftragen, werde ich ihn suchen und Ihnen meine Ergebnisse präsentieren!<<

>>Sie meinen, im schlimmsten Fall bringen Sie uns einen Toten zurück?<<

Frederic Jacobs klang kalt. Seine Haltung war noch immer ablehnend, die vor dem Körper verschränkten Arme zeigten das allzu deutlich. Die Vorstellung, dass sein Sohn tot sein könnte, schien ihn aber nicht wirklich zu berühren. Oder er hielt seine Gefühlswelt auf bemerkenswerte Weise von seiner Umgebung fern.

Frau Jacobs hielt den Atem an und legte eine Hand erschrocken auf ihre Brust. Die Geste wirkte etwas zu theatralisch. Empathische Überdosis oder einstudierte Affektiertheit.

>>Nehmen Sie nicht das Schlimmste an! In weit mehr als neunzig Prozent aller Fälle findet sich ein Vermisster wohlbehalten wieder an. Die anderen hatten meist einen Umgang, der zwangsläufig dazu führte, dass ihr körperliches Wohlergehen beeinträchtigt wurde oder ihr Leben abrupt beendet wurde. Ich denke aber, dass man das wohl bei jemandem aus Ihrer gesellschaftlichen Umgebung ausschließen kann.<<

Daniel hielt einen Moment inne.

>>Das bringt mich natürlich zu einer wenn auch nicht sehr wahrscheinlichen Vermutung!<<

>>Sie meinen eine Entführung? Aber Entführer werden in einem solchen Fall wohl nicht lange warten, um eine Lösegeldforderung zu präsentieren! Wer Marc entführt, sollte wissen, wen er sich für eine Erpressung ausgesucht hat!<<, wehrte Jacobs Daniels Einwand ab.

>>Damit haben Sie absolut recht! Ich sagte ja, eine unwahrscheinliche Vermutung.<<

Frederic Jacobs stützte sich wieder an der Fensterbank ab. Seine Brustmuskeln wölbten sich unter dem Pullover etwas vor.

>>Ich denke, wir können Ihnen vertrauen! Im Endeffekt haben wir auch keine Wahl. Wenn wir noch länger nach einem geeigneten Ermittler suchen, kann es nur noch schwieriger werden! Sie sind an dem Job interessiert?<<

>>Insofern Sie mir Ihr Vertrauen entgegenbringen wollen, nehme ich den Auftrag an<<, antwortete Daniel.

Innerlich vollführte er einen Luftsprung.

>>Was bedeutet das genau?<<, fragte Diana Jacobs Daniel.

>>Ich benötige etwas Zeit, um die Fakten aufzunehmen, mir ein Bild zu machen. Wenn ich weitergehende Unterstützung benötige, begründe ich das gerne. Aber wenn Sie das Gefühl haben, ich würde Sie hintergehen oder mit der Arbeit nicht zurechtkommen, sollten wir schnellstens überlegen, ob es Sinn macht, mir diese Aufgabe weiter zu übertragen. Ich möchte mich nicht ständig rechtfertigen müssen!<<

Dünnes Eis. Idiot. Wenn Frederic Jacobs nur einen Moment zu lange darüber nachdachte, saß er binnen Minuten wieder bei dem netten Fahrer im Auto. Aber es sprudelte aus ihm heraus.

>>Das verstehe ich!<<, erwiderte Frau Jacobs.

>>Allerdings sollten Sie uns auch nicht den Eindruck von Unfähigkeit vermitteln, indem Sie kaum Ergebnisse haben, oder versuchen, es sich finanziell ein paar Tage auf der Angelegenheit bequem zu machen.<<

>>Frederic, es ist gut jetzt!<<, bremste Frau Jacobs ihren Mann ein.

Der nahm wieder die Arme vor die Brust.

>>Ich erwarte von allen meinen Mitarbeiter, dass sie effizient arbeiten und ihr Geld wert sind. Ich werde keine andere Maßstäbe an Herrn Neumann anlegen.<<

Die Unterhaltung wurde kurz unterbrochen, als Charleen erst anklopfte und dann eintrat. Sie schob einen kleinen Wagen vor sich her, auf dem ein paar kunstvoll bemalte Tassen, eine Kanne Kaffee sowie ein silbernes Milchkännchen und ein Zuckertopf aus gleichem Material standen. Charleen stellte den Wagen am Tischchen neben Frau Jacobs ab und schenkte routiniert Kaffee in drei Tassen. In eine Tasse legte sie mit einem Löffel zwei Stück Zucker, in die andere goss sie etwas Milch und rührte um. Dann reichte sie beide Tassen an die beiden Jacobs weiter. Der Duft, der plötzlich durch den Raum zog, war unglaublich, fand Daniel.

So roch Kaffee von sehr guter Qualität, ganz anders als das billige Zeug, das man im Supermarkt kaufen konnte, viel zu stark geröstet, eher schon verbrannt, um den viel zu früh geernteten Bohnen einen Hauch von Aroma beizufügen. Daniel sog den wunderbaren Geruch ein.

Zuletzt wandte sich Charleen an Daniel, der aus seinem kleinen Genussrausch geweckt wurde.

>> Nehmen Sie Zucker oder Milch?<<

>>Ich trinke schwarz, danke!

Auch ihm wurde eine Tasse gereicht. Dann verließ die Bedienstete wieder den Raum.

>>Wir haben schon etwas vorbereitet. Auf dem Touchpad finden Sie Informationen über Marc. Wir haben ein paar Dinge zusammengesucht, die uns eingefallen sind. Dazu ein Foto von Marc.<<

Frau Jacobs nahm das Touchpad vom Tisch und reichte es Daniel.

>>Ich erwarte von Ihnen einen täglichen Bericht, abends um neunzehn Uhr, per Anruf. Wenn ich nicht abnehme, werden Sie an einen GlobSecure Mitarbeiter umgeleitet, der über Ihren Auftrag informiert ist.<<

Jacobs nahm einen Schluck Kaffee und stellte die Tasse auf der Fensterbank ab. Er blieb seinem Stil eindeutig treu. Daniel fand es erstaunlich, wie er das Verschwinden seines Sohnes als ein geschäftliches Problem betrachtete, bei dem es wichtig war, sich nicht übers Ohr hauen zu lassen. Er tippte auf das Display des Touchpads und öffnete das Dokumentverzeichnis. Neben einem Foto eines jungen Mannes fand er eine Tabelle. Namen, Adressen und Telefonnummern.

Er schaute sich das Bild genauer an.

Jacobs Sohn ähnelte seinem Vater äußerlich sehr. Er hatte die gleichen gerade geschnittenen Gesichtszüge und dunklen Augen. Die beiden hätten als kleiner und großer Bruder durchgehen können, was aber auch ein Ergebnis gewisser operativer Maßnahmen an Frederic Jacobs Gesicht sein konnte.

Was Daniel vermisste, war irgendeine Ähnlichkeit Marcs mit seiner Mutter. Jacobs Gene schienen wie er selbst zu sein, dominant.

>>Das sind wohl hauptsächlich Freunde von Marc aus Frankfurt. Hier in Berlin hat er keine nennenswerten Kontakte. Wir haben uns die Nummern besorgt, die Marc angerufen hat und die ihn in den letzten Wochen angerufen haben. Dazu hat uns GlobSecure mit den Adressen und Namen zu den Nummern versorgt<<, informierte Jacobs ihn.

Freunde? Als Ergebnis von Anruflisten. Die Jacobs schienen entweder naiv oder hinsichtlich des Lebens ihres Sohnes sehr unbedarft zu sein. In der Liste steckten womöglich ein paar Überraschungen.

>>Haben Sie nicht selbst versucht, diese Leute zu kontaktieren?<<

>>Natürlich sind wir schon selbst auf diese Idee gekommen, aber auf den meisten nicht öffentlichen Nummern nimmt niemand ab.

Die Freunde, die wir erreichen konnten, wussten nichts über Marcs Verbleib. Zu den Adressen haben wir GlobSecure bereits mit Nachforschungen beauftragt.<<

Frederic Jacobs Stimme hatte einen verächtlichen Klang. Eine Frage nach solchen Selbstverständlichkeiten bewertete er eindeutig als Angriff auf seinen Intellekt.

>>Vielleicht haben Sie mehr Glück mit denen.<<

Daniel warf noch einmal einen Blick auf die kurze Liste. Ein paar Nummern gehörten zu öffentlichen Einrichtungen, zu Bereichen der Universität, zu ein paar Firmen. Besonders fielen ihm vier Namen mit Adressen auf, die die besagten Freunde sein konnten. Dahinter befanden sich ein paar Seiten, die auf den ersten Blick ein paar Informationen über den Gesuchten preisgaben.

>>Hat Ihr Sohn eine Partnerin oder einen Partner?<<

Frau Jacobs schüttelte den Kopf.

>>Davon wissen wir nichts! Er hatte letztes Jahr eine Freundin, aber die beiden haben sich getrennt. Seitdem hat Marc von niemandem mehr gesprochen! Über kurzfristige Liebschaften wird er verständlicherweise seinen Eltern gegenüber weniger berichten wollen.<<

>>Unser Sohn hat eben seinen Fokus auf sein Studium gelegt!<<, fügte Frederic Jacobs hinzu.

Natürlich. Ganz der Vater. Geradlinig, präzise, scharfsinnig, intelligent. Der Fokus war nur in den letzten Wochen ein wenig weggerutscht. Wohin blieb herauszufinden.

>>Aber GlobSecure hat die junge Dame auch überprüft! In ihren Telefonverbindungen und Internetaktivitäten hat sie tatsächlich seit damals keinen Kontakt mehr zu Marc gehabt.<<

Daniel war sprachlos. Er wagte nicht, zu fragen, warum die Jacobs GlobSecure nicht weiter mit der Suche beauftragen wollten. Scheinbar war der Sicherheitsdienst bereit, für seine Auftraggeber in den privaten Angelegenheiten beliebiger Personen herumzuschnüffeln, und besaß auch die Möglichkeiten dazu. Ein schlechtes Gewissen schienen die Jacobs auch nicht zu haben. Dass Persönlichkeitsrechte und Datenschutz nur im öffentlichen Raum wahrgenommen wurden, wusste Daniel aus seiner Polizeiarbeit. Die Strafverfolgung durfte diese Rechte großzügig ignorieren. Nur war dies hier keine polizeiliche Ermittlung. Marc war wohl nicht einmal von den Jacobs als vermisst gemeldet worden.

Aber er hatte sich, trotz der Erkenntnis, dass Daten für die, die sie sammeln konnten, stets im Zugriff standen und in jeglicher erdenklichen Hinsicht analysierbar waren, eingeredet, allein die Masse an Informationen gewährleiste eine gewisse Anonymität für jeden. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Interesse derer, die auf die Daten zugreifen konnten, sich auf eine bestimmte Fragestellung oder eine bestimmte Person konzentrierte, womit diese Anonymität verloren ging.

Die Antwort auf die Frage, wer diesen Zugriff hatte, war erstaunlich. Staatliche Instanzen hatten zwar das Recht, Kommunikationsinformationen bei Providern jederzeit umfassend einsehen zu können, aber wer genügend Geld auf den Tisch legte, bekam eindeutig nicht weniger geboten. Oder hatte eigene Möglichkeiten der Datenbeschaffung.

>>Ihr Sohn hat doch bestimmt auch hier ein Zimmer? Es könnte Sinn machen, mich dort umzusehen!<<

>>Nein! Er benutzt das Zimmer nur zur Übernachtung, wenn er hier ist. Wir haben es gründlich durchsucht, aber nur Kleidung und Badezimmerartikel gefunden.<<

Die Antwort kam so schnell und in einem spürbar scharfen Ton, dass Daniel sofort die Idee kam, Frederic Jacobs wollte ihm den Zugang in die Wohnräume nicht gestatten, und ihm damit einen Einblick in die Welt der Familie zu verwehren. Eine Verschärfung der Diskretionsforderung.

Daniel verzichtete darauf, das Thema weiter zu erörtern, was absehbar nur zu einer weiteren Abwehrreaktion führen konnte. Möglicherweise würde Jacobs ihn sogar hinauswerfen lassen, wenn Daniel seinen Unmut wecken würde. Und letztendlich lockte in Sichtweite eine Entlohnung. Frau Wolenskis Gesicht tauchte in seinen Gedanken auf. Er schüttelte sich innerlich.

>> Haben Sie weitere Kinder?<<, fragte Daniel, um elegant von diesem Thema umzuschwenken.

>>Nein, Marc ist unser einziges Kind<<, antwortete Diana Jacobs.

Ihr Mann stieß sich von der Fensterbank ab und ging einen Schritt nach vorne.

>>Jetzt wollen Sie wahrscheinlich noch wissen, was Ihnen der Auftrag einbringt?<<

Jacobs Blick hatte etwas Stechendes. Bei Daniel wollte keine Sympathie für diesen Mann aufkommen.

>>Ich gebe Ihnen eine Woche Zeit, um etwas Interessantes vorzuweisen. Sollten Sie unseren Sohn vorher finden, bekommen Sie die Woche trotzdem bezahlt und ich lege eine Prämie dazu. Haben Sie Marc nicht in dieser Zeit gefunden, entscheide ich, ob Sie der Sache gewachsen sind und weitermachen. Für die Begleichung von Spesen wird ebenso gesorgt. Pro Tag bekommen Sie zweitausend als Honorar und zwanzigtausend am Ende als Prämie im Fall des Erfolgs. Das ist mehr, als ein Privatdetektiv üblicherweise erwarten kann!<<

Damit hatte er absolut recht, dachte Daniel und erinnerte sich an das Gespräch mit Antall.

>>Ich nehme an, Sie sind einverstanden, oder hatten Sie andere Vorstellungen?<<

>>Nein, das Angebot ist sehr großzügig!<<

Was auch sonst. Je später er wieder zu dieser Wolenski musste, umso besser.

>>Gut! Sie erhalten diese Vereinbarung zugestellt. Eine Kopie geht an die Vermittlungsagentur.<<

Jacobs nickte knapp.

Diana Jacobs warf Daniel einen dankbaren Blick zu. Für sie schien er ein echter Rettungsanker zu sein, im Gegensatz zu ihrem Mann.

>>Vielen Dank, dass Sie unseren Sohn suchen werden!<<

>>Ich werde mein Möglichstes versuchen! Das möchte ich Ihnen zusichern!<<

Er nahm einen Schluck Kaffee und noch einmal die Gelegenheit, das fantastische Aroma einzuatmen, das ihm aus der Tasse entgegenwehte. Alles war wieder gut. Das Leben konnte manchmal richtig schön sein, wenn das Glück im richtigen Moment arbeitswillig war.

Für einen kurzen Moment.

>>Da wir Sie nicht kennen und Ihnen daher kein unbegrenztes Vertrauen schenken können, und auch nicht wissen, wohin Sie Ihre Suche führt, werden Sie zur allseitigen Absicherung einen Begleiter bekommen!<<

Frederic Jacobs ging zur Tür. Leise sprach er in den Eingangsbereich, in dem vermutlich Charleen darauf wartete, gebraucht zu werden. Er kam zurück und setzte sich in den zweiten Lehnsessel der Sitzgruppe, in der Frau Jacobs und Daniel saßen.

Jacobs schien ein durch und durch misstrauischer Mensch zu sein. Daniel spürte genau, der Mann hielt Informationen zurück. Die Daten auf dem Touchpad, die Absage an die Besichtigung von Marcs Zimmer. Jacobs hielt definitiv Informationen zurück. Und nun auch noch ein Aufpasser.

Im Eingangsbereich öffnete sich die Haustür. Als der den Türrahmen füllende dunkle Schatten den Raum betrat, hatte Daniel eine Ahnung, was nun kommen würde. Wie es aussah, war das Glück an diesem Tag sehr wankelmütig.

Der SecGuard blieb im Eingang des Salons stehen und nahm die Haltung eines Türstehers ein, leicht breitbeinig mit vor dem Körper zusammengeführten Händen. Sein Blick ging stoisch geradeaus, als würde er die Anwesenden nicht wahrnehmen.

Jacobs machte eine Handbewegung zum Eingang.

>>Sie werden von einem Mitarbeiter von GlobSecure begleitet. Sie kennen ihn schon. SecGuard Vermont hat Sie vom Flughafen hierher gefahren. Er wird Ihnen sehr hilfreich sein, wenn Sie unangenehmen Mitmenschen begegnen sollten. Und er sorgt für die Begleichung der anfallenden Spesen!<<

Vermont stand immer noch ohne Regung in der Tür und machte den Eindruck, dass er sich noch mit dem Verdauen eines Typs beschäftigte, der ihm quer gekommen war.

>>Das wird eine bemerkenswert unterhaltsame Woche werden<<, dachte sich Daniel.

>>Ja, wir haben bereits die allgemeinen Verhaltensregeln abgestimmt, die bei GlobSecure gelten.<<

Kaum hatte er das gesagt, hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Aber der Drang dazu, Vermont aus der Reserve zu locken, war zu stark gewesen. Doch der lebende Kleiderschrank reagierte überhaupt nicht. Sein Gesicht blieb eine unbewegliche Maske.

>>Herr Vermont ist ständig für die Betreuung meiner Familie zuständig. Ich schätze ihn für seine Verschwiegenheit und Loyalität.<<

Diese Worte und Jacobs anerkennender Blick in Richtung des humorlosen Kahlschädels ließen keinen Zweifel daran, dass ihm diese Maximalkonzentration an Muskelkraft samt sonstiger Eigenschaften imponierte.

>>Sie sollten jetzt keine weitere Zeit verschwenden! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, werden Sie zunächst nach Frankfurt fliegen. Der Jet steht für Sie ebenfalls in dieser Woche bereit! Herr Vermont wird als Ihr Fahrer fungieren. Er ist über alle Ergebnisse der Nachforschungen durch GlobSecure in Kenntnis gesetzt worden. Und wenn Ihr Bein Probleme macht, übernimmt er auch jegliche Laufarbeit.<<

Lediglich Vermonts Augen bewegten sich bei diesen Worten. Daniel spürte fast den stechenden Blick seinen Körper durchdringen.

Jacobs stand auf.

>>Ich denke, wir sind am Ende unserer Unterhaltung. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie sich an den Sicherheitsdienst wenden. Herr Vermont wird Ihnen bei der Kontaktaufnahme helfen. Brauchen Sie noch etwas?<<

Nach dieser Unterhaltung wirkte die Frage eher rhetorisch.

Daniel erhob sich und nickte den Jacobs freundlich zu. Frau Jacobs lächelte ihn mit ihrem hoffnungsvollen Blick an.

>>Nein danke! Ich habe erst einmal alles, was ich brauche!<<

Frederic Jacobs schaute auf seine Uhr.

>> Gut, Sie sollten sich beeilen. Je schneller Sie an Ihrem Ziel eintreffen, umso eher werden Sie Ergebnisse erzielen!<<

Damit schien die Unterhaltung für ihn beendet. Wie auf ein unhörbares Kommando machte Vermont den Weg aus dem Salon frei und Jacobs verließ den Raum. Diana Jacobs erhob sich langsam und reichte Daniel die Hand erneut. Sie lächelte zaghaft.

>>Herr Neumann! Ich bin sicher, Sie werden Ihr Bestes geben! Und schauen Sie sich das Touchbook noch einmal gut an! Sie werden am Ende vielleicht noch wichtige Details finden! Enttäuschen Sie mich bitte nicht. Ich liebe meinen Sohn über alles und ich verspüre momentan Angst um ihn!<<

Daniel horchte auf. Das klang irgendwie nach einer verschlüsselten Botschaft. Ein leichter Hauch von Intrige zog durch die Luft. Es kribbelte ihn in den Fingern, das Touchbook sofort zu öffnen, aber das musste noch warten.

Frau Jacobs verließ den Raum ebenfalls und ließ Daniel und den SecGuard allein zurück. Vermont deutete mit dem Kopf nach draußen.

>>Verschwenden Sie keine Zeit! Herrn Jacobs Geduld ist sehr begrenzt!<<

Daniel seufzte in Erwartung spannender Gespräche mit seinem Zwangsbegleiter. Dann folgte er dem SecGuard zum Wagen.

Sonnenkaiser

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