Читать книгу Privatdetektive ermitteln leise: 3 Top Krimis - Earl Warren - Страница 10

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Butch musste früh aufstehen. Die Vorbereitung auf das große Rennen begann. Butch erfasste schnell, worauf es beim Boxendienst ankam. Die ganz komplizierten Sachen bei der Motorenwartung konnte er nicht machen. Aber auch mit seinen Handlangerdiensten hatte er genug zu tun.

Und wenn es galt, ein schweres Rennrad in kürzester Zeit auszuwechseln, konnten seine Bärenkräfte gut gebraucht werden.

Am Donnerstagabend telefonierten Butch und Chester Artur über die Konferenzschaltung des Hotels mit Cantrell und Noel Gorman, dem Chef des General-Motors-Sicherheitsdienstes in Detroit.

Cantrell war der Meinung, man solle die geforderte Million Dollar vorerst auf keinen Fall zahlen. Stattdessen sollten die Garagen, die Boxen, die Rennbahn und die Umgebung genau kontrolliert werden.

Der Killer würde nicht noch einmal Gelegenheit finden, einen Rennwagen mit dem Zielfernrohrgewehr aus der Bahn zu schießen. Cantrell konnte Butch einige Neuigkeiten mitteilen, die er im Lauf der Ermittlungen eruiert hatte.

Aber es war nichts darunter, was das Cantrell-Team entscheidend weitergebracht hätte. Butch unterhielt sich mit den Fahrern, den Mechanikern und dem ganzen Anhang, so oft er nur konnte. Ständig fragte und forschte er, machte Andeutungen und brachte das Thema immer wieder auf die Erpressungen.

Die Zeitungen nahmen die Sache noch nicht richtig ernst, obwohl sie natürlich darüber schrieben. FBI-Leute tauchten bei der Rennbahn und im Hotel auf und stellten viele Fragen.

Der Freitag und der Samstag vergingen, und der Tag des Rennens kam. Hauptausrichter waren der amerikanische Automobilclub sowie Goodyear und eine andere Reifenfirma und die Shell Company. Bei strahlendem Sonnenschein wurde um 14.30 Uhr die Startflagge geschwenkt.

Hundertachtzigtausend Zuschauer standen an Start und Ziel und an der Bahn. Siebzig mörderische Runden, mit allen Raffinessen gespickt, waren zu fahren. Viele von den schweren Wagen mussten angeschoben werden.

Butch erlebte das Rennen aus der Sicht des Boxenmonteurs mit. Die Motoren dröhnten, und die Zuschauermassen jubelten einzelnen Favoriten zu. Fernsehen, Rundfunk und Presse waren versammelt. Die Rennleitung saß auf der Sondertribüne, über Funk mit den einzelnen Kontrollpunkten verbunden.

Eine große Schautafel zeigte die Namen der Fahrer, den Wagentyp sowie das Rennteam und die Rundenzeit. Während der ersten Runden hatten die Monteure Ruhe. Aber dann ging es Schlag auf Schlag.

Nach der 14. Runde mussten bei Bud Bradlock alle vier Reifen gewechselt werden. Der Zentralverschluss des Vorderrades hatte sich festgefressen, und Chester Artur tobte. Drei Minuten dauerte es, bis die schweißüberströmten Monteure das Rad losgehämmert und gewechselt hatten.

Die anderen Räder waren längst erneuert. Bradlock, der kein Wort gesagt hatte, wurde wieder auf die Bahn gewinkt, die von Reklametransparenten gesäumt war. Auch bei den anderen Wagen mussten Reifen gewechselt und es musste aufgetankt werden. Einige leichtere Defekte wurden korrigiert, Spoiler und Stabilisatoren anders eingestellt.

Das war zwar vor dem Rennen alles unzählige Male getestet worden, aber jetzt ergaben sich doch wieder andere Situationen. Butch schaffte es, trotz all des Trubels die Bahn und die anderen Boxen im Auge zu behalten.

FBI-Agenten in Zivil wimmelten herum. Es sollte kein zweites Watkins Gien geben. Auch die Sicherheitsmänner der großen Automobilfirmen waren mehr als reichlich vertreten.

Butch wusste, dass Cantrell und sein Kollege Morton Philby, wegen seiner Vorliebe für seidene Krawatten und Ziertücher Silk genannt, sich irgendwo an der Bahn befanden. Er hatte sie am Morgen, als einige Vorrennen stattgefunden hatten, flüchtig begrüßt. Butch trug ein Taschenfunksprechgerät bei sich, über das Cantrell und Silk ihn verständigen konnten, wenn etwas passierte.

Jedes Mal, wenn ein Wagen zu den Boxen fuhr, herrschte ein hektisches Gedränge. In der 50. Runde lag Morgan Franchette hinter dem vorjährigen Can-Am-Gewinner Brian Marchwell mit zehn Sekunden Rückstand auf Platz zwei der Rangliste.

Jake Jenkins war unter den ersten zehn, und Bud Bradlock an siebenter Stelle. Troy Nashville hatten mit einem Differentialschaden aufgeben müssen und machte jetzt im Garagengebäude eine Übung des Zen-Buddhismus, um sich abzureagieren.

In der 55. Runde musste der Eagle Rennwagen mit dem Spezialmotor, den Chester Artur so gefürchtet hatte, mit Getriebeschaden aufgeben. Franchette hatte es vorausgesagt. Der Eagle aus Donovan Cooleys Rennstall hatte zuvor so viel Öl verloren, dass die gelb-rot gestreifte Flagge gezeigt wurde: Öl auf der Strecke.

In der 62. Runde war auch Franchette dran. Seine Bremsen verglühten, und seine Reifen waren in Fetzen. Das bedeutete für ihn das Aus. Fluchend sprang er bei den Boxen aus dem Wagen und lief im Hintergrund auf und ab wie ein Tiger.

Das Rennen ging weiter. Es gab eine Karambolage, bei der es zum Glück mit Sachschaden abging. Drei Wagen fielen aus. Die Wagen vom Ford-Rennstall, die alle den Acht Zylinder-Coswoth-Motor hatten, lagen klar an der Spitze.

Es sah ganz so aus, als würde der Große Preis von Spokane zu einem Triumph für Ford werden. Ford Teamleiter Francis Micholson klopfte bereits große Sprüche und grinste zu Chester Artur herüber, der vor Wut beinahe seinen Schnurrbart auffraß.

Aber dann drängte sich Jake Jenkins doch noch mit einem tollkühnen Spurt in den letzten fünf Runden zwischen die drei führenden Fords und belegte mit seinem Brabham BT 23 den zweiten Platz. Chester Artur strahlte. Den Sieg hatte der Ford Fahrer Brian Marchwell errungen.

Die Auslaufrunde wurde gefahren, unter dem Jubel der Zuschauer, denn jetzt zeigte die Schautafel schon die Ergebnisse des Rennens. Dann kamen die Wagen zu den Boxen. Bud Bradlock war auf Platz Neun zurückgefallen, weil sein Wagen übersteuerte, wie er sagte.

Um ihn kümmerte sich niemand, um Jake Jenkins aber drängten sich alle. Offizielle von der Rennleitung, Sportjournalisten, Leute von General Motors und andere. Die Menschentraube um Jake Jenkins löste sich erst auf, als die drei Sieger über Lautsprecher zur Ehrenrunde aufgefordert wurden.

Nebenan bei Ford war der Teufel los.

Butch hatte jetzt Ruhe. Er verließ die Boxen und traf auf Tony Cantrell. Der große, schlanke Chicagoer Rechtsanwalt und Leiter des Cantrell-Teams trug seine dunkle Brille, wie immer bei hellem Tageslicht oder strahlendem Sonnenschein.

Nach einem Säureattentat im Gerichtssaal waren seine Augen, die zeitweise erblindet gewesen waren, gegen helles Tageslicht sehr empfindlich. Dafür konnte Cantrell auch bei Nacht sehen.

Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.

Butch trug einen blauen Overall, der einige Ölflecken aufwies, und eine blaue Schirmmütze mit einem Aufdruck der Reifenfirma Firestone.

„Während des Rennens ist nichts passiert“, sagte Cantrell. „Die Gangster lassen sich Zeit.“

„Mit ihnen werden wir es schon wieder zu tun bekommen“, meinte Butch. „Wie es aussieht, muss ich noch eine Zeit lang die Monteursrolle spielen.“

„Ich beginne mich zu fragen, ob das etwas einbringt“, sagte Cantrell. „Vielleicht wäre es besser, mit offenen Karten zu spielen und dich und Silk offen als Privatdetektive anzusetzen.“

„Das können wir immer noch tun. Vorerst mache ich so weiter. Wo steckt Silk überhaupt, dieser dürre Kleiderständer?“

„Irgendwo im Getümmel.“ Cantrell klopfte auf das Sprechfunkgerät in seiner Tasche. „Ich nehme dann Verbindung mit ihm auf.“

„Okay. Ich gehe wieder zur Box zurück. Ich weiß, in welchem Hotel ihr abgestiegen seid, und melde mich.“

Cantrell und Butch trennten sich. Die Zuschauer waren auch schon im Aufbruch begriffen. Auf den Tribünen und längs der Bahn blieben Papierabfälle, Flaschen und Dosen in rauen Mengen zurück. Als Butch an den beiden Boxen von Buick vorbeikam, sah er einen Rennfahrer im weißen Dress sich mit einem einzelnen Sportreporter unterhalten.

Butch kannte den Rennfahrer. Es war der kahlköpfige Marvin Catloe, mit fünfunddreißig Jahren ein Oldtimer des Rennsports. Er erklärte dem Reporter umschweifig, weshalb es bei ihm nicht weiter als Platz zehn gereicht hatte.

„Glauben Sie, dass der Verband Sie mit den Ergebnissen, die Sie bisher gebracht haben, in der nächsten Saison noch aufstellen wird?“, fragte der Reporter.

Catloe tönte direkt ins Diktaphon, dessen Mikrophon ihm der Reporter vor den Mund hielt.

„Ich bin noch sehr steigerungsfähig, die Saison ist noch lange nicht um. Bisher habe ich einfach Pech gehabt, die Wagen waren nicht optimal, im Gegenteil. Heute waren die Stoßdämpfer und Federn mangelhaft, der Wagen holperte zu sehr, ich konnte ihn unmöglich voll ausfahren.“

Es war das übliche Rennfahrerlatein. An irgendetwas lag es immer. Butch hätte nicht zugehört, wenn ihm nicht Marvin Catloes Begleiterin aufgefallen wäre. Es war jene bildschöne junge Mulattin, die er schon ein paarmal gesehen hatte. Ganz in Weiß gekleidet, bot sie mit ihrem tief ausgeschnittenen Sommerkostüm bezaubernde Ausblicke auf milchkaffeefarbenes Fleisch.

Kaffee mit einem knappen Schuss Milch, wie Butch feststellte. Die Kleine musterte ihn hochmütig, und Butch grinste und kniff ein Auge zu. Sie wandte sich ab, aber erst nach einem Augenblick. Butch ging nun weiter, zu den beiden General-Motors-Boxen.

Wenig später begann die Siegerehrung. Ein großer Teil der Zuschauer war schon aufgebrochen, um dem nach Abschluss der Veranstaltung folgenden allgemeinen Verkehrschaos zu entgehen. Nachdem sie das Rennen gesehen hatten, fühlten sich viele als Rennfahrer.

Und dann krachte es regelmäßig nicht zu knapp.

Kurz nach 23.00 Uhr verließ Butch das Ambassador Hotel, um Cantrell und Silk im „Essex Inn“ am Sprague Freeway aufzusuchen. Er hatte die Münch auf dem Parkplatz stehen. Im Hotel ging es wie überall, wo die Rennteams und der ganze Tross abgestiegen waren, hoch her.

Die Sieger feierten und tranken eine Menge. Die Verlierer und die, die sich nicht platzieren hatten können, feierten nicht, sorgten aber trotzdem für Trubel und tranken noch mehr. In der Bar, im Restaurant und in der Cocktail Lounge stand alles kopf.

Auch beim Swimmingpool herrschte Lärm und Trubel. Alle, die das Rennen gesehen oder dabei mitgewirkt hatten, waren noch aufgetunt von dem Erlebnis. Butch ging über den Plattenweg zwischen den Bäumen und Büschen des Hotelgartens hindurch zum Parkplatz.

Plötzlich tauchte ein Mann vor ihm auf. Anscheinend angetrunken, schwankte er leicht beim Gehen. Er war gebaut wie ein zweibeiniger Stier und trug eine helle Cordjacke. Ein durchdringender Fuselgeruch strömte von ihm aus, als er näher kam.

Der Weg, eine Abkürzung, war zu schmal, als dass er und Butch aneinander vorbeigekonnt hätten.

„Hast du Feuer, Kumpel?“, fragte der zweibeinige Stier Butch.

Butch war sofort auf der Hut. Sein Warnsystem schlug an. Er hatte solche Situationen im Halbdunkel schon erlebt. Der kräftige Kerl stank für Butchs Geschmack auch zu sehr nach Schnaps. Das war keine normale Fahne, eher kam es Butch so vor, als hätte sein Gegenüber sich Whisky auf Hemd und Jacke gespritzt.

Butch schüttelte den Kopf. Er sagte nichts, weil er kein noch so leises Geräusch in seinem Rücken übertönen wollte. Tatsächlich hörte er ein leises Knirschen. Butch steppte zur Seite und wirbelte herum. Zwei Männer standen vor ihm. Der schmale Durchgang zwischen den Bäumen und Büschen war nur spärlich erleuchtet.

Einer der Männer schwang eine kurze Eisenstange. Butch knallte ihm den Motorradhelm ins Gesicht, den er in der Hand hielt. Dem Helm schadete es nichts, aber der Schläger mit der Eisenstange taumelte aufbrüllend und mit blutigem Gesicht zurück.

Das Knirschen seines Nasenbeins hatte Butch deutlich gehört. Der zweite Mann unterlief Butchs Schlag mit dem Helm. Er verstand etwas vom Boxen, denn seine Rechts-Links-Kombinationen kamen sehr schnell und präzise.

Er brachte ein paar Körpertreffer an, die Butch spürte. Der blonde Zweimetermann, ein ehemaliger Boxchampion, war aber hart im Nehmen. Grunzend brachte er den Schläger mit einem linken Haken auf Distanz.

Der Mann wollte es wissen. Den Kopf gesenkt, stürmte er auf Butch los und schlug mit beiden Fäusten zu wie ein Schlagautomat. Butch ließ ihn kommen. Er machte die Bauchmuskeln hart, um den Treffern die Wucht zu nehmen, drückte den Angreifer mit der linken Hand nach unten und hieb ihm den Ellbogen ins Genick.

Sein Knie kam hoch und traf den schon Stürzenden unterm Kinn. Der Schläger blieb bewusstlos liegen. Nun versuchte es der Dritte im Schlägerbunde, der zweibeinige Stier, der Butch vorhin um Feuer gebeten hatte.

Jetzt gab ihm Butch welches, aber nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Kerl konnte eine Menge einstecken, und das musste er auch. Butchs Ringzeiten waren zwar vorbei, aber er verfügte über eine lange Kampferfahrung, war fit und schlug eine Rechte, die auch einen Stier fällen konnte, ob er nun vier oder zwei Beine hatte.

Der letzte Gegner flog rücklings in die Büsche. Er raffte sich gleich wieder auf und flüchtete quer durch das Gebüsch. Butch hörte ihn hindurchbrechen. Er verfolgte ihn nicht. Sein Atem ging schnell, und sein Herz hämmerte.

So ein Kampf mit drei Gegnern war doch eine anstrengende Sache. Der Mann, dessen Nasenbein Butch geknickt hatte, versuchte es nun mit dem Messer. Er nahm das Messer mit Daumen und Zeigefinger an der Spitze und holte weit aus.

Butch wartete nicht ab, bis er warf. Er griff unter die Jacke und zog die Colt Government. Der Messerheld brauchte die 45er Pistole nur zu sehen, schon verging ihm die Lust zum Messerwerfen. Er ließ das Messer fallen und lief davon.

Butch ließ auch ihn laufen. Ein Mann blieb ihm immer noch. Der blonde Hüne spannte die Pistole für alle Fälle, bevor er sie wieder ins Schulterholster schob, entsicherte sie aber nicht.

Er kümmerte sich nun um den Mann, den er bewusstlos geschlagen hatte. Er tätschelte ihm etwas die Wangen, und seufzend kam der Bursche wieder zu sich. Er hatte krauses schwarzes Haar.

Von Gestalt war er groß, hager und knochig. Butch zerrte ihn auf die Beine und durchsuchte ihn nach Waffen. Er fand ein Stilett, das er an sich nahm.

„Los, komm mit ins Hotel“, sagte er dann zu dem immer noch benommenen Schläger. „Du wirst mir jetzt ein paar Sachen erzählen.“

„Muss das sein?“, fragte der blessierte Schläger. „Du hast mir ein paar ganz schöne Dinger verpasst. Reicht das nicht?“

„Ja, das muss sein. Du kommst jetzt mit, sonst kriegst du noch ein paar von der gleichen Sorte. Los, bevor ich dir Beine mache.“

Der Kerl versuchte im Aufzug, Butch das Knie zwischen die Beine zu stoßen. Butch verpasste ihm ein paar harte Schläge, sodass ihm die Lust zu derartigen Aktionen verging. Er packte den Kerl am Kragen und schleppte ihn in sein Zimmer. Hier stieß er ihn auf einen Stuhl und rief Cantrell und Silk im „Essex Inn“ an.

Cantrell sagte, dass er mit Silk sofort herkommen wolle, als er hörte, was passiert war. Der Mann schaute Butch feindselig an.

Der blonde Hüne schüttelte zwei Zigaretten aus der Packung und gab dem Mann eine. Er ließ das Feuerzeug aufflammen. Die beiden Männer rauchten.

„Los, Junge, heraus mit der Sprache“, sagte Butch. „Wer hat euch auf mich gehetzt?“

„Keiner. Ehrlich, Mann, wir waren auf Stunk aus. Wir hätten dir nicht viel getan, wirklich nicht. Nun mach doch nicht so eine Affäre aus der Sache. Du hast gezeigt, dass du viel stärker bist als ich, stärker als wir drei zusammen. Das reicht doch.“

Kraft war offenbar das Einzige, was diesem Schläger imponierte. Butch dachte da anders.

„Rede nur keinen Käse“, sagte er. „Das kannst du einem Dümmeren erzählen, dass ihr zufällig an mich geraten seid. Jemand hat euch dafür bezahlt, dass ihr mich so zusammenschlagt, dass ich ein paar Wochen im Krankenhaus liege. Ihr habt vor dem Hotel auf mich gewartet, gib es zu!“

Der Mann schwieg. Er schaute zu Boden und kaute an seiner Unterlippe. Die Zigarette hielt er in der Hand. Butch, der auf dem Bettrand gesessen hatte, trat zu ihm und packte ihn am Kragen.

„Ich rede jetzt vernünftig und freundlich mit dir, zum letzten Mal. Es geht da um eine ganz haarige Sache. Wenn du nicht den Mund aufmachst, übergebe ich dich dem FBI, das auch in den Fall verwickelt ist. So wie du aussiehst, hast du bestimmt schon ein paar Vorstrafen weg, und du kannst dir ausrechnen, was du für die Sache heute bekommst.“

Der Gangster riss die Augen auf.

„FBI?“

„Allerdings. Also, wie ist es? Versuch nur nicht, mich anzulügen. Ich weiß, was los ist, und wenn ich es merke, bist du fällig.“

„Lässt du mich laufen, wenn ich alles sage? Meine zwei Kumpels und ich sind kleine Fische. Wir hatten keine Ahnung, dass das ein FBI-Fall ist. Uns hat nur einer gesagt, dass ihm ein Schnüffler auf die Hühneraugen getreten ist.“

„Vielleicht lasse ich dich gehen“, sagte Butch. „Erzähle erst mal.“

Er erfuhr nun, dass d er Mann und seine beiden Kumpane stadtbekannte Schläger waren. Ein Mann, der seinen Namen nicht nennen wollte, hatte sie in ihrer Stammkneipe angerufen, hatte von Butch erzählt und jedem von den dreien zweihundert Dollar geboten, wenn sie ihn zusammenschlugen. Aber so, dass er für eine Weile bettreif war.

„Augie, das ist mein Kumpel, dem du die Nase eingeschlagen hast, hat den Typ im Terminal des Felts Airport getroffen“, erzählte der Gangster. „Ein mittelgroßer dürrer Mann, gut gekleidet, mit roten Haaren, Hut und Sonnenbrille. Er zahlte das Geld im Voraus. Heute Morgen bekam Augie die Kohlen. Der Rothaarige beschrieb dich genau und sagte auch, in welchem Hotel du abgestiegen seist und all das. Wir sollten dich bei der nächstbesten Gelegenheit schnappen.“

„Und da habt ihr vor dem Hotel auf mich gewartet?“

„Als wir erst mal wussten, dass dein Motorrad auf dem Parkplatz steht, dachten wir uns, dass du noch einmal aus dem Hotel kommen würdest. So eine teure Mühle stellt man über Nacht in die Tiefgarage. Lange genug hat es gedauert, bis du aufgekreuzt bist.“

„Entschuldige, dass ihr so lange warten musstet“, sagte Butch sarkastisch. „Aber ich kann dir als Entschädigung ja noch eine reinhauen.“

„Nein, nein. - Kann ich jetzt gehen?“

Es klopfte nun, und Cantrell und Silk traten ins Zimmer. Butch erzählte, was er erfahren hatte. Cantrell erschien die Geschichte genau wie Silk und Butch akzeptabel. Er fragte den Mann nach seinem Namen.

„Gib uns nur keinen falschen“, sagte er. „Wenn wir dich finden wollen, finden wir dich. Ich will morgen mit deinem Freund Augie sprechen, um von ihm vielleicht noch etwas über den Mann zu erfahren, der euch das Geld gegeben hat.“

„Kann ich dann gehen, oder wollt ihr uns in die Sache mit reinziehen?“

„Wenn du die Wahrheit gesagt hast, kannst du gehen. Es geht mir zwar gegen den Strich, aber wir lassen euch laufen. Mit kleinen Fischen können wir uns nicht abgeben. Aber überlegt es euch nächstens, bevor ihr für Geld jemanden zusammenschlagen wollt.“

Er sagte, dass er Max Corner hieße und in der Francis Avenue 623 wohne. Seine beiden Kumpane hießen Augie Gregwell und Mort Sumner. Der Mischling wollte am nächsten Tag um 13.00 Uhr mit ihnen in Pedro's Cafeteria in der Nevada Street aufkreuzen.

Cantrell gab ihm ein Glas in die Hand, um sich für alle Fälle seine Fingerspuren zu sichern. Dann schickte er den Kerl weg.

„Geh mir aus den Augen, damit ich dich nicht mehr zu sehen brauche für heute. Für zweihundert Dollar schlagt ihr einen Menschen krankenhausreif. Ihr habt sie wohl nicht mehr alle. Wenn ihr aus Versehen mal einen totschlagt, sitzt ihr alle drei in der Tinte. Raus!“

Max Corner rannte fast aus dem Zimmer, heilfroh, noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen zu sein. Cantrell wandte sich Butch zu.

„Jetzt hat es keinen Zweck mehr, Versteck zu spielen. Die Gegenseite weiß, dass du Privatdetektiv bist. Du kannst mit offenem Visier auftreten, Butch.“

„Das nächste große Rennen findet in Kansas City statt“, sagte der blonde Hüne. „Dass vorher etwas passiert, glaube ich nicht. Aber wir werden es sehen.“

Von Max Corner und seinen beiden Schlägerkumpanen erfuhr das Cantrell-Team nichts mehr. Zu den Fahrern gehörte der dürre rothaarige Mann, der die Schläger angeheuert und bezahlt hatte, nicht. Zu den Mechanikern und den übrigen Leuten aus der Rennbranche auch nicht.

Das fand das Cantrell-Team schnell heraus. Die Forderung der Erpresser - Zahlung von einer Million Dollar - war nicht erfüllt worden. Jetzt musste wieder etwas geschehen, sonst platzte die ganze Sache wie eine Seifenblase. Und daran glaubte niemand.

Das Rennen um das Motodrom von Kansas City war auf den 8. oder 9. August festgesetzt. Am neunten, am Sonntag, sollte das Vier-Stunden-Rennen der Formel-1-Wagen stattfinden, das große Rennen. Am Samstag und am Sonntagvormittag wurden in allen möglichen Klassen Rennen gefahren, von den Serien-Tourenwagen über die Grand-Tourisme-Wagen bis zu den Sport- und Rennwagen.

Die Höhepunkte der zwei Tage von Kansas City waren das Formel-2-Rennen am Samstagnachmittag und das Formel-1-Rennen, der Grand Prix, am Sonntagnachmittag. Butch kam schon am Montag in der Woche vor dem Rennen in Kansas City an, allein.

Tony Cantrell war in Chicago unabkömmlich. Er stand in einem schlagzeilenträchtigen Mordprozess als Verteidiger vor Gericht. Silk musste eine alte Schussverletzung auskurieren, die ihm plötzlich zu schaffen gemacht hatte.

Und Carol, Cantrells bildhübsche Ehefrau, musste in Chicago in der Clinton Street die Stellung halten.

Great Kansas City, das waren eigentlich zwei gleichnamige Städte in zwei Staaten und dazu noch ein paar Vororte wie Leavenworth und Overland Park. Mit allem Drum und Dran und Vororten kam Great Kansas City auf knapp eine Million Einwohner.

Für Chicagoer Begriffe war es ein Nest. Aber das Rennen hier hatte es in sich. Butch kam das Treiben beim Motodrom vor wie eine Mischung zwischen Zirkus und dem NASA Rummel auf Cape Kennedy. In der Woche vor dem Rennen traten Motorradakrobaten und Todesspringer im Stadion von Kansas im Staat Kansas oder auf freiem Feld auf.

Sie fuhren an der Todeswand, bauten auf dem Motorrad bei halsbrecherischer Geschwindigkeit Pyramiden oder sprangen über ein paar Autos hinweg. Es gab auch Kunstfahrer, die mit Autos auftraten und durch die Luft flogen oder spektakuläre Karambolagen bauten.

Ein paar hunderttausend Leute waren zu dem Spektakel gekommen. Butch wusste, dass er Ergebnisse bringen musste. Der Präsident von General Motors und die Top-Manager des Spitzengremiums wurden schon ungeduldig.

Butch war auch davon überzeugt, dass die Killer und Erpresser in Kansas City wieder zuschlagen würden. Wenn sie wirklich Geld haben wollten, mussten sie es tun.

Der blonde Hüne war im Motodrom Hotel abgestiegen, dem Hotel der Rennfahrer der Spitzenklasse, der Rennteams und des ganzen Anhangs. Er traf auf einen auf Hochtouren laufenden Chester Artur. Zuerst besprach er sich am Montagmittag kurz mit dem Leiter des General-Motors-Racing-Teams in dessen Hotelzimmer.

„Die Jungs wissen alle, dass du Privatdetektiv bist, Butch“, sagte Chester Artur. „Sie mögen dich, und sie werden dir helfen, wo sie können. Auch bei den anderen Teams wird man dich unterstützen, wir wollen nämlich alle, dass diese Gangster und Erpresser in unserer Mitte gefasst werden. Weshalb ist denn Cantrell nicht mitgekommen, zum Teufel?“

„Vor dem Wochenende ist er nicht abkömmlich. Dann wird er nach Kansas City kommen, vielleicht noch mit unserem dritten Mann, Morton Philby. Das FBI ist auch noch nicht weitergekommen.“

Chester Artur winkte ab.

„Die G-Men tappen im Dunkeln wie Blinde mit einem Sack über dem Kopf. Wenn du die Halunken wirklich erwischst, die für Jim Stones Tod verantwortlich sind und die uns alle in Atem halten, brauchst du sie nur den Jungs von den Rennteams zu überlassen. Dann braucht es keine Gerichtsverhandlung mehr. Ich werde mich nicht viel um dich kümmern können, denn ich habe bei der Rennbahn eine Menge zu tun. Wir haben uns einiges einfallen lassen, um Ford ein Schnippchen zu schlagen. Zwei unserer Wagen haben einen brandneuen Spezialmotor, einen um 27 PS stärkeren BRM Zwölfzylinder. Damit hauen wir Ford in die Pfanne.“

Er freute sich wie ein kleines Kind. Butch, vom Rennfieber noch nicht ergriffen, waren dergleichen Details herzlich egal. Er wollte seinen Mörder und den oder die Erpresser finden. Er überlegte sich noch einmal den ganzen Werdegang der Erpresser-Gang.

Am Anfang hatten Drohbriefe gestanden, die keiner ernst nahm, und erpresserische Forderungen. Dann waren kleinere Sabotagen passiert. In der Halle des Lotus-Teams waren ein paar zusammengebündelte Handgranaten explodiert, aber es hatte nur Materialschaden gegeben.

Eine Brandbombe in einem Wagen des AMC-Rennverbandes war rechtzeitig entdeckt worden. Dann hatte jemand im Dunkeln mit einem Trommelrevolver auf den CanAm-Gewinner Brian Marchwell geschossen, einen dreiundzwanzigjährigen Millionärssohn. Marchwell hatte sich zu Boden geworfen und war nicht verletzt worden.

Bis dahin hatten die Rennteamleiter und die anderen Verantwortlichen geglaubt, die Sache könne man getrost den Sicherheitsspezialisten der Automobilkonzerne und dem FBI überlassen. Bis Jim Stone aus der Bahn geschossen worden war.

Von da an war es blutiger Ernst. Die Presse hatte natürlich mitbekommen, dass auf den Rennplätzen etwas gespielt wurde, wusste aber nicht in vollem Umfang Bescheid.

Butch überlegte. Er war keineswegs dumm, wenn viele das auch nicht wahrhaben wollten. Es sah aus, als wolle jemand mit allen Mitteln zu Geld kommen, hätte erst herumprobiert und wäre dann immer entschiedener geworden. Aber wer, das war die Frage!

Zum Ende der Mittagszeit stellte Chester Artur Butch seinem Team von Fahrern und Mechanikern als Privatdetektiv vor. Sie kamen alle in der Bar des Hotels zusammen. Auch die Teamleiter von Buick, Ford und Lotus sowie dem AMC-Rennverband und ein paar andere Leute waren da.

Die Reaktion war unterschiedlich. Morgan Franchette verzog das Gesicht.

„In Spokane hat dieser blonde Büffel nichts herausgefunden, hier wird er auch nicht mehr Erfolg haben“, sagte er. „Den Kerl kannst du als Elefanten in einen Porzellanladen schicken, Chester.“

Butch sagte nichts. Er hatte im Hintergrund die bildhübsche Mulattin entdeckt, die ihm schon in Spokane ein paarmal aufgefallen war. Um sie wollte er sich gelegentlich kümmern. Die blonde Schönheit Dinah Dorman, Morgan Franchettes Gespielin, stand in ihrer Nähe.

Butch bemerkte auch, dass Bud Bradlock, der Formel-1-Fahrer, der wegen Raubüberfalls vorbestraft war, verwirrt erschien. Bradlock musste er auf den Zahn fühlen. Der blonde Hüne sagte ein paar Worte, dass alle zusammenarbeiten sollten, um die Gangster unter den Rennleuten so schnell wie möglich zu entlarven.

Die Versammlung dauerte nicht lange. Die Leute vom General-Motors-Rennteam und auch die anderen gingen. Butch begab sich in die Cafeteria des Hotels, um mit Kenneth Slaughter zu reden, dem Chef der Sicherheitsleute von General Motors, der rechten Hand von Noel Gorman.

Gorman selber war in Detroit geblieben, wo er den Werkschutz und die Sicherheitsabteilung leitete, für die Abschirmung der Werksgeheimnisse verantwortlich war und eine Menge zu tun hatte. Slaughter hatte zwei von seinen Untergebenen dabei. Leute, die sich Security Agents oder Special Agents nannten.

Slaughter war ein hagerer Intellektuellentyp mit schütterem Haar und Hornbrille. Seine grauen Augen funkelten kalt. Ein intelligenter, gefährlicher Mann, mit dem man rechnen musste, so schätzte Butch ihn ein.

Der blonde Hüne merkte bald, dass Slaughter ihn nur nach seinem Äußeren beurteilte und ihn falsch einschätzte. Aus irgendeiner Quelle hatte Slaughter erfahren, dass Butch einmal geboxt hatte. Er hielt ihn für einen hirnlosen Kraftprotz, den Elefanten im Porzellanladen, den Morgan Franchette zitiert hatte.

„Hier passiert nichts“, verkündete Slaughter. „Wir und die Agenten von den anderen Sicherheitsabteilungen haben alles unter Kontrolle. Außerdem sind auch noch G-Men da. Wenn der Killer etwas versucht, schnappen wir ihn.“

Butch ließ Slaughter reden. Er verabschiedete sich bald von dem General-Motors-Sicherheitschef und seinen beiden Leuten und fuhr mit der Münch nach Kansas City, Missouri, hinüber. Er überquerte den Missouri auf dem US Highway 435.

Das Gebäude des FBI befand sich in der Birmingham Road. Butch wusste bereits, an welchen G-Man er sich wenden musste. Horace Bond war der Einsatzleiter im Fall Grand-Prix-Killer. Bond war ein Mann um die vierzig. Er hatte eine Glatze und war untersetzt und dynamisch.

Ein Typ, der rund um die Uhr rotieren konnte und dann mit vier oder fünf Stunden Schlaf den Akku wieder auflud und weitermachte. Sein Büro hatte keine Klimaanlage. Er begrüßte Butch hemdsärmelig und verschwitzt.

„O’Reilly vom Cantrell-Team, das große Wundertier“, sagte er aufgeräumt. „Schon etwas herausgefunden, großer Meister?“

„Bis jetzt noch nicht. Was liegt beim FBI an?“

„Nichts, das Gleiche wie immer in diesem Fall. Es sieht fast so aus, als hätte der Killer nach dem Tod von Jim Stone kalte Füße bekommen. Wenn er sich aus der Sache zurückzieht, werden wir ihn vielleicht nie schnappen.“

„Das glaube ich nicht. Wer so viel riskiert hat, macht auch weiter. Ich rechne damit, dass in Kansas City etwas passiert. Slaughter, der General-Motors-Sicherheitschef, hält das wegen der Sicherheitsmaßnahmen für ausgeschlossen. Ich behaupte das Gegenteil.“

Bond bewies, dass er denken konnte.

„Sie meinen, wenn die Erpresser trotz der Sicherheitsmaßnahmen wieder einen Coup landen, ist das ein gewaltiges Plus für sie.“

„Immer. Es wird heißen, das gesamte Sicherheitsaufgebot von General Motors und den anderen Firmen und Verbänden hat nichts verhindern können, auch nicht das FBI. Die Automobilfirmen und die Rennstars werden sich ernsthaft überlegen, ob sie nicht besser zahlen sollen. In Kansas City geht es für den Killer und seine Komplizen ums Ganze.“

„Wir werden höllisch aufpassen, O’Reilly. Sie arbeiten allein?“

„Bis am Wochenende Tony Cantrell, mein Chef, und vielleicht noch mein Freund und Kollege Morton Philby kommen.“

„Dann hoffe ich auf eine gute Zusammenarbeit. Die Presse wird allmählich lästig. Die Reporter ahnen, dass es beim Tod von Jim Stone nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Erst heute stand wieder ein Artikel im Examiner: 'Der geheimnisvolle Tod von Jim Stone'.”

„Der Killer muss auf jeden Fall ein Scharfschütze gewesen sein. Es ist nicht einfach, einen mit zweihundert Meilen in der Stunde fahrenden Rennwagen ins Rad zu treffen. Kann man vielleicht herausfinden, wer von den Fahrern und Mechanikern und vielleicht auch noch von den anderen Leuten, die öfters bei Rennen dabei sind, ein Schießexperte ist?“

„Sie werden lachen, das hat das FBI schon getan.“

Horace Bond sah keinen Grund, Butch die Aufstellung nicht zu zeigen. Der Privatdetektiv überflog die Liste. Ein paar Namen fielen ihm auf. Bud Bradlock war bei der Armee, bevor er straffällig wurde, als Scharfschütze hervorgetreten. Brian Marchwell, der Gewinner der CanAm-Meisterschaft, war Sportschütze und hatte sich einmal sogar in die Olympiaqualifikation geschossen. Marvin Catloe, der in dieser Saison ziemlich erfolglos für den AMC-Verband fuhr, hatte das Schießen beim Marinecorps gelernt.

Sogar Chester Artur gehörte zu einem Schießklub, und seine Trefferzahlen konnten sich sehen lassen. Butch las noch weitere Namen. Von den Mechanikern waren allein acht als gute Schützen erwähnt.

Insgesamt enthielt die Aufstellung fünfundzwanzig Namen.

„Das ist ja der halbe Grand Prix“, sagte Butch. „Nun, mit dieser Liste ist mir jedenfalls sehr geholfen. Ich kann sie doch mitnehmen?“

„Eine Fotokopie auf jeden Fall. Ich lasse gleich eine machen. Mehr als die Hälfte von den hier aufgeführten Leuten kann allerdings nicht geschossen haben. Bei denen, die wegfallen, steht eine kurze Notiz hinter dem Namen.“

Horace Bond rief über die Sprechanlage eine Angestellte herbei, und Butch bekam seine Fotokopie. Er verließ das FBI-Gebäude, nachdem er sich von Bond freundschaftlich verabschiedet hatte, und fuhr zum Motodrom.

Hier dröhnten die Motoren, die Fahrer drehten ihre Trainingsrunden, und die Mechaniker arbeiteten an den Boxen und in den Hallen. Butch schaute sich bei den Boxen um. Bud Bradlock kam angefahren.

Nur drei von acht General-Motors-Mechanikern befanden sich bei den beiden Firmenboxen. Bradlock stieg aus und setzte den Schutzhelm und die Brille ab. Sein Gesicht war noch finsterer als sonst.

„Der Wagen hat Untersteuerungstendenzen“. sagte er und deutete mit dem Daumen über die Schulter auf seinen giftgrünen McLaren M 7 A. Ihr solltet weniger an den neuen Zwölf-Zylinder-Motoren herumbasteln und euch mehr um die beiden anderen Wagen kümmern.“

„Der Zwölfzylinder ist Chester Arturs große Hoffnung“, feixte einer der Mechaniker. „Wenn er könnte, würde er die Motoren mit ins Bett nehmen und mit ihnen schlafen.“

Bradlock winkte ab.

„Ich habe schon reihenweise Supermotoren kommen und kaputtgehen sehen. Freilich, es hat etliche Verbesserungen gegeben in den letzten Jahren, die Benzineinspritzung und so weiter. Aber manche Sachen sind ganz einfach technisch noch nicht ausgereift und werden maßlos überschätzt. Und dann kommt natürlich das große bittere Erwachen.“

Es war Nachmittag. Die Sonne brannte gnadenlos herunter auf die Ebene und heizte das Motodrom auf wie einen gigantischen Grill. Wenn das Wetter bis zum Sonntag so blieb, musste das Rennen mörderisch werden.

Die Hitze war eine zusätzliche Belastung für die Fahrer, und die hochgetunten, empfindlichen Motoren verloren bis zu zwanzig Prozent an Leistung.

Butch, der sein Motorrad hinter den Boxen abgestellt hatte, trat zu Bud Bradlock.

„Ich möchte mit Ihnen sprechen. Mr. Bradlock.“

Der Rennfahrer mit dem Narbengesicht musterte Butch finster.

„Ah, der Schnüffler. Das war zu erwarten, dass Sie zu mir kommen würden, O’Reilly. Bradlock ist vorbestraft, der hat es sicher getan, wie?“

Bei den Boxen von Buick, die sich gleich nebenan befanden, waren die vier Buick-Rennfahrer von einem ganzen Schwarm weiblicher Fans umringt. Die Fahrer führten saloppe Redensarten, und die Mädchen flirteten mit ihnen und himmelten sie an.

„Gehen wir doch ein Stück zur Seite, Mr. Bradlock“, sagte Butch. „Es braucht nicht jeder zuzuhören.“

Sie schlenderten ein Stück von den Boxen, die hier direkt an die Hallen angebaut waren, weg. Ein paar Rennsportbegeisterte schauten den Fahrern bei den Trainingsrunden zu. Die Rennfahrer wollten die Piste in den Griff bekommen, wie sie es nannten, wollten ihre Gefahren und Tücken erkunden und die fahrerische Ideallinie finden.

Zu diesem Sport gehörten Nerven wie Drahtseile, blitzschnelle Reaktion und körperliche Fitness wie kaum zu einem anderen. Ein Fehler konnte leicht der letzte sein bei Geschwindigkeiten von zwei-, drei-, manchmal sogar vierhundert Kilometern und darüber.

„Was wollen Sie, O’Reilly?“

„Sie waren bei der Army Scharfschütze, Bradlock. Sie haben mehrere Schießwettbewerbe gewonnen und wurden ausgezeichnet.“

„Na und? Ist das vielleicht verboten? Jetzt hören Sie mir mal genau zu, O’Reilly, und vergessen Sie es nicht. Ich habe weder Jim Stones Reifen zerschossen noch die anderen Sachen gemacht oder die Erpresserbriefe geschrieben. Ich bin selber in Watkins Gien gestartet, aber schon früh ausgeschieden, weil das Differential wegflog und die vordere Halbachse einen leichten Schlag weghatte, weil ich gegen eine Bande geprallt war. Da bin ich ins Hotel gefahren, mir reichte es.“

Er holte tief Luft.

„Da schindet man sich wie ein Affe, ist vom Start weg in der Spitzengruppe, und dann passiert so etwas. Ich war die ganze Zeit im Hotel, auf meinem Zimmer, wenn ich auch keine Zeugen dafür habe. Mir reicht es, dass ich schief angesehen werde, nur weil ich vor Jahren eine Dummheit gemacht habe. Damals kam ich gerade von der Armee, und ein Bursche, den ich dort kennengelernt hatte, riss mich mit rein. Ich habe für diese Sache bezahlt, noch und noch. Franchette sieht mich über die Schulter an. Er ist damals Sturm gelaufen, als ich ins General-Motors-Rennteam aufgenommen werden sollte. Zum Glück hat sich Chester Artur doch durchgesetzt, sonst würde ich heute für irgendeinen windigen Verband herumgurken und Startgelder schinden oder mich von einem privaten Rennstallbesitzer ausbluten lassen.“

Butch ließ den erregten Bud Bradlock ausreden. Er hatte gelernt, aufgeregten Leuten zu begegnen. Wenn man ihnen widersprach, trieb man sie nur künstlich hoch. Dagegen regten sie sich von selbst ab, wenn sie Dampf ablassen konnten.

„Ausgerechnet Franchette, dieser Fatzke“, fuhr Bradlock fort. „Er hat Schulden wie ein Lord, hat beim Gran Premio de Mexico auf der Rückfahrt im Rennwagen-Transporter Rauschgift über die Grenze geschmuggelt, nur um an Geld zu kommen. Franchette überfährt Frauen und vergiftet kleine Kinder, wenn es ihm was nützt. Er kann übrigens auch gut schießen, sein Hobby ist nämlich Tontaubenschießen.“

„Er kann in Watkins Gien aber nicht geschossen haben, er fuhr nämlich bis zum Ende mit.“

„Ich habe auch nicht geschossen, verdammt. Wann geht das endlich in Ihren Dickschädel, O’Reilly?“

„Ich habe nicht behauptet, dass Sie geschossen haben, Bradlock. Ich stelle nur Fragen, das ist mein Job. Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen? Haben Sie einen Verdacht?“

„Nein. Wenn ich etwas wüsste, hätte ich es längst gesagt.“

Bud Bradlock drehte sich wütend um und lief davon. Butch sah ihm nach. War Bradlock aufgebracht, weil er sich zu Unrecht verdächtigt fühlte, oder hatte er ein schlechtes Gewissen?

„Hallo“, sagte jemand hinter Butch. Er drehte sich um. Die bildhübsche Mulattin, die er zuvor am Mittag in der Bar gesehen hatte, stand vor ihm. Sie trug helle Jeans und eine hautenge, orangefarbene Bluse, die schon fast den Transparent-Look hatte.

„Vielleicht habe ich etwas gesehen“, sagte sie und zeigte lächelnd ihre makellosen Zähne. „Warum verhören Sie mich nicht?“

Das hübsche Mädchen hörte auf den klangvollen Namen Wendy Morocco und stammte aus Nicaragua. Sie hatte den Rennklatsch über Jim Stones Tod gehört. Gesehen hatte Wendy Morocco nichts, und sie wusste auch von nichts.

Sie hatte nur mit Butch ins Gespräch kommen wollen. Das Girl mit der appetitlichen braunen Haut trieb den Blutdruck des Privatdetektivs nach oben. Wendy Morocco hatte viel reizvollere und besser proportionierte Kurven als eine Rennbahn.

Aber sie waren mindestens ebenso gefährlich.

Sie war eine Rennfahrerbraut, wie sie freimütig bekannte, einer der größten weiblichen Fans des Motorsports. Für sie waren nur Sieger interessant. Männer mit großen Erfolgen.

„In dieser Saison habe ich mich anscheinend vertippt“, sagte sie zu Butch. „Ich bin im Moment mit Marvin Catloe liiert, doch er bringt in diesem Jahr nichts. Nachdem er bei Lotus abgesägt wurde, fuhr er eine Weile auf eigene Faust. Es sah ganz so aus, als sei er der kommende Mann, als hätte er sogar Aussichten auf die Weltmeisterschaft. Aber das war nur ein Strohfeuer. Seitdem er in Silverstone in England seinen Wagen zu Bruch fuhr und sich ein paar Rippen brach, ist es vorbei mit ihm. Er hat keinen Kampfgeist mehr, findet tausend Ausreden und das Pech klebt an ihm.“

„Bei Rennfahrern kann man sich leicht verschätzen. Vielleicht sollten Sie es einmal mit einem Privatdetektiv versuchen. Einen Rennwagen habe ich nicht, aber eine heiße Münch Mammut. Sie legt mit 100 PS glatt 240 Sachen auf die Piste.“

Wendy Morocco musterte Butch auf sinnliche Weise. Dem blonden Hünen wurde heiß.

„Ich mag mutige und draufgängerische Männer, sie haben etwas Besonderes. Und hochtourige Motoren machen mich heiß. Ich bin nicht wie Dinah Dorman, die im Moment mit Morgan Franchette befreundet ist. Sie sieht in erster Linie aufs Geld, dann kommt der Ruhm und an letzter Stelle der Motorsport. Wenn Morgan nicht Weltmeister wird oder wenigstens unter die ersten vier in der Weltmeisterschaftswertung kommt, machen ihn seine Schulden kaputt, und Dinah ist er los. Wenn sie nicht schon früher abspringt.“

Butch erinnerte sich gut an die blonde Schönheit Dinah Dorman, die so kühl aus ihren blauen Augen blickte. Es gab noch einige andere Rennfahrerbräute und natürlich eine Menge williger Fans. Aber Wendy Morocco und Dinah Dorman waren Butch am meisten aufgefallen.

„Drehen wir doch mal eine Runde auf deiner Münch“, sagte Wendy Morocco. „Auf so einem heißen Ofen habe ich schon lange nicht mehr gesessen.“

Butch führte sie zu seinem Motorrad. Er setzte den Schutzhelm und die Brille auf. Eine zweite Schutzbrille holte er aus der Satteltasche und gab sie Wendy. Bei der brütenden Augusthitze trug Butch keine lederne Motorradkleidung.

Wendy Morocco saß hinter Butch auf. Er betätigte den Kickstarter, und die Maschine röhrte auf. Butch gab Gas und ließ den Motor ordentlich dröhnen. Wendy Morocco drängte sich an ihn.

Er spürte den Druck ihres Körpers und die Berührung ihrer Brüste. Butch fuhr los. Die rote, chromblitzende Münch mit den Doppelscheinwerfern ließ sich für eine so schwere Maschine überraschend leicht lenken. Die Federung nahm Straßen- und Geländeunebenheiten wie nichts.

Butch fuhr querfeldein und dann auf die Straße, die am Kansas River entlangführte. Bei dem warmen Wetter war das Motorradfahren ein Genuss. Der Fahrtwind orgelte an der Frontverglasung der Maschine vorbei und zauste in Butchs und Wendys Haaren. Das Vibrieren der schweren Maschine ging durch ihren Körper. Butch spürte, wie sich Wendys Finger an seiner Brust öffneten und schlossen. Sie hatte die Wahrheit gesagt, starke Motoren machten sie heiß.

Der blonde Hüne überlegte nicht lange. Er drehte die Maschine voll auf und raste über die breit ausgebaute Straße, wendete dann und fuhr zum Hotel. Wendy Moroccos Augen waren weit vor Verlangen, als sie vor dem Hotel von der Maschine stiegen.

Sie hatten einen Schimmer, der für Butch eindeutig war.

„Gehen wir“, sagte er einfach und führte sie auf sein Zimmer.

Er umarmte die bildhübsche Mulattin, und sie küssten sich. Wendy Moroccos Kuss schmeckte wie Honig mit Pfeffer. Die Küsse wurden leidenschaftlicher, und dann fielen sie aufs Bett Ihre Kleider versammelten sich auf dem Boden.

Wendy Morocco merkte, dass bei Butch nicht nur das Motorrad stark war.

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