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Rückblende: Mesopotamien und die Minoer

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Wir wissen dank einer Vielzahl von Daten, u.a. archäologischen Artefakten, Texten und bildlichen Darstellungen, dass die Minoer von der Insel Kreta bereits lange vor ihren Beziehungen zu den ägyptischen Pharaonen des Neuen Reiches mit verschiedenen Regionen des alten Orients in Kontakt standen. Zum Beispiel kennen wir minoische Objekte, die im 18. Jahrhundert v. Chr. über die Ägäis und das östliche Mittelmeer bis ins Zweistromland, das Land zwischen den Flüssen Tigris und Euphrat, gelangten – vor fast 4000 Jahren also.

In der antiken Stätte Mari, westlich vom Euphrat im heutigen Syrien gelegen, fanden französische Archäologen in den 1930er Jahren mehr als 20.000 beschriftete Tontafeln, die solche Artefakte und ihren Handel dokumentieren. Einheimische hatten den Archäologen mitgeteilt, sie hätten einen Mann ohne Kopf gefunden – dieser stellte sich als steinerne Statue heraus, und sie war nur eine von vielen. Darunter befand sich, wie eine Inschrift bewies, das Standbild des Königs einer antiken Stadt.8 Die Tafeln waren mit Texten in Altakkadisch beschrieben und stammten aus einem Archiv mit der königlichen Korrespondenz und anderen, eher banalen Aufzeichnungen zu den Königen von Mari. Einer dieser Könige hieß Zimri-Lim und regierte ca. 1750 v. Chr. Die Tontafeln enthielten alle möglichen Informationen, die für die Verwaltung des Palastes und der Organisation des Reiches notwendig waren, und sie verraten einiges über das Alltagsleben jener Zeit.

Eine Tafel zum Beispiel beschäftigt sich mit dem Eis für Zimri-Lims Erfrischungsgetränke, zu denen Wein, Bier und Drinks aus fermentierter Gerste gehörten, die Granatapfelsaft oder Anis enthielten. Wir wissen, dass er den Bau eines Kühlhauses am Ufer des Euphrat befahl, das dazu dienen sollte, Eis, das im Winter von den schneebedeckten Bergen herangekarrt werden sollte, aufzubewahren, bis man es in den heißen Sommermonaten benötigte. Er behauptete, kein König vor ihm habe jemals ein solches Kühlhaus errichtet, und das mag durchaus der Fall gewesen sein; Getränke mit Eis zu kühlen, war jedoch alles andere als neu in der Region, auch wenn ein König einmal seinen Sohn ermahnen musste, die Diener das Eis doch bitte säubern zu lassen, bevor es im Getränk landete: »Lass sie Eis sammeln! Lass sie es waschen und von Zweigen, Dung und Schmutz befreien!«9

Die Archive enthalten Aufzeichnungen über Handel und Kontakt mit anderen Regionen des Mittelmeeres und des Nahen Ostens, und sie erwähnen ausdrücklich ungewöhnliche Gegenstände, die man erhalten hatte. Wir wissen von diesen Tontafeln auch, dass zwischen den Herrschern von Mari und denen anderer Städte und Königreiche oft Geschenke ausgetauscht wurden und dass die einen Könige mitunter die Dienste der Ärzte, Handwerker, Weber, Musiker und Sänger eines anderen Königs in Anspruch nahmen.10 Zu den Highlights der auf den Tafeln von Mari verzeichneten exotischen Importgegenstände gehören ein Dolch und andere Waffen aus Gold, verziert mit kostbarem Lapislazuli, sowie Kleidung und Textilien, hergestellt »auf kaphtorische Art und Weise«.11 Kaphtor (oder Kaptaru) war der mesopotamisch-kanaanitische Name für Kreta, das die Ägypter später Keftiu nannten. Die Objekte mussten von Kreta aus einen weiten Weg zurücklegen; sie waren aufgrund ihrer aufwendigen Verarbeitung und des hochwertigen Materials ohnehin schon Luxusgegenstände, und die lange Reise machte sie noch wertvoller.

Eine Tafel beschreibt eine ziemlich ungewöhnliche Situation: Zimri-Lim, schickte ein Paar im minoischen Kreta gefertigte Schuhe als Geschenk an König Hammurabi von Babylon. Der entsprechende Text lautet schlicht: »Ein Paar Lederschuhe im kaphtorischen Stil, das Bahdi-Lim (ein Beamter) in den Palast von Hammurabi, dem König von Babylon, brachte, die aber zurückgeschickt wurden.«12 Warum Hammurabi die Schuhe verschmähte, wissen wir nicht. Vielleicht passten sie ihm einfach nicht. Hammurabis Gesetzeskodex, in dem sich zum ersten Mal in der Literatur die Phrase »Auge um Auge, Zahn um Zahn« findet, die später durch die Bibel Berühmtheit erlangte, nennt keine Strafe dafür, wenn man Gegenstände wie Schuhe zurückgab.

Eigentlich ist es ein wenig überraschend, dass Hammurabi die Lederschuhe nicht haben wollte, ganz gleich, ob sie ihm nun passten oder nicht. In seiner Region dürften solche ledernen Schuhe nämlich eine ziemliche Seltenheit gewesen sein, bedenkt man, wie weit Kreta von Mesopotamien – mithin das heutige Griechenland von Syrien bzw. dem Irak – entfernt liegt. Eine solche Reise hätte niemand leichtfertig unternommen, und wahrscheinlich wurde sie in mehreren Etappen absolviert, über verschiedene Händler oder Kaufleute, die die Objekte jeweils transportierten. Andererseits waren solche Geschenke zwischen einander ebenbürtigen Königen im alten Orient des 2. Jahrtausends v. Chr. durchaus eine übliche Praxis.13 In solchen Fällen wurden die betreffenden Gegenstände direkt durch einen Abgesandten des Königs überbracht – heute würden wir diesen Vorgang als diplomatische Mission bezeichnen.

1177 v. Chr.

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