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Roman Gilanian kehrt in »Schubumkehr« mit großen und beeindruckenden Erfahrungen aus Brasilien nach Österreich zurück – im Jahr der mitteleuropäischen politischen Wenden. Über »Schubumkehr« schrieb Wendelin Schmidt-Dengler einführend: »›Schubumkehr‹ war als Begriff einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden, als im Mai 1991 ein Flugzeug der Lauda-Air über Thailand abstürzte, wobei die Ursache in der Schubumkehr lag, die sich automatisch eingeschaltet hatte; wenn dies geschähe, so müßte es, wie Lauda erklärte, alles zerreißen: Statt nach vorne, würde nun das Flugzeug in die Gegenrichtung geschleudert. Menasse meinte damals, daß dies der Begriff sei, der wie kaum ein anderer die europäische Situation nach 1989 träfe: Es würde eben alles zerrissen. ›Schubumkehr‹ zielt, so will es der Wille des Autors mit dem Sinn fürs Epochale, auf eine Zäsur, deren Konsequenzen kaum überdacht oder bedacht worden wären.«10

Schauplatz des Romans ist das Waldviertel, die tiefste österreichische Provinz, deren kleine Gemeinde Komprechts touristisch entwickelt werden soll. Die Figur Roman fällt familiär, sozialpolitisch und mental in eine Welt zurück, die er einmal schon überwunden hatte. Er muss also wieder vor der totalen Zusammenhanglosigkeit der Welt fliehen. Mit einer Videokamera versucht er, sein Leben zu registrieren und ihm so einen Sinn zu geben. Er nimmt alles auf, aber in den Aufnahmen ist dennoch nichts Wesentliches zu sehen. Er ist trotz seiner Zielsetzung nie am richtigen Ort und nie zur richtigen Zeit. Die Geschichte kann nicht einmal technisch objektiviert werden. Informationen über die bereits thematisierten Videoaufnahmen in »Schubumkehr«bekommen wir von gestaltlosen Figuren in Form unbenannter Dialoge. Roman selbst erscheint nie in den Szenen des Films, er bildet sich nicht ab, er kann nicht evoziert werden. Deshalb gibt es nur leere Lichteffekte im selbst gemachten Film: Es gibt niemanden mehr, der zu sehen ist, aber auch niemanden, der sehen könnte. Es wird noch immer das Ganze beansprucht, die Welt erlebt aber die letzten wahnsinnigen Stadien einer negativen Entwicklungsgeschichte, die globale Züge trägt. Roman verschwindet am Ende des Romans, er ist wieder dort angelangt, von wo er sich aufgemacht hatte: Die Heimatlosigkeit am Anfang in Brasilien und am Ende in Österreich werden übereinander kopiert.

TEXT + KRITIK 234 - Robert Menasse

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