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Morgengrauen. Gestern Abend hatte ein Zettel auf meinem Kopfkissen gelegen: Bitte morgen nochmal Katzen füttern. Marzia muss wieder in die Klinik. Kuss, Lia

Warum war Justin gestern einfach so gegangen? Warum strahlte er immer wieder diese Kälte aus? Was war los mit ihm? Das Grübeln hatte mich die halbe Nacht wach gehalten. Vielleicht stellte ich ja einfach die falschen Fragen. Vielleicht hätte die erste Frage lauten sollen: Warum war er überhaupt gekommen? Für einen Moment schöpfte ich Hoffnung, dann fiel mir zumindest dazu die Antwort ein: Wegen seiner Fotos. Er hatte eigentlich Marzia treffen wollen. Nicht mich.

Und warum beschäftigte mich das eigentlich so? – Dem wollte ich lieber nicht nachgehen. Aber ich fühlte mich eindeutig verletzt.

Dazu kamen die Bilder aus der Knochenkapelle, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen …

Ich schlüpfte in meine Jeans, schlich mich hinaus – nicht ohne einen langen Blick auf die stille Erdgeschosswohnung zu werfen - und schlurfte schließlich mit Marzias Topf durch die ruhigen Straßen. Wie gestern.

Die Katzen schienen schon zu warten. Sie maunzten aufgeregt, strichen mir um die Beine und machten sich fauchend gegenseitig das Futter streitig, während ich versuchte, allen einen gerechten Anteil an Nahrung und Streicheleinheiten zukommen zu lassen. Die meisten kannte ich bereits. Die Graue maunzte mich wieder von dem Mäuerchen aus an, als wollte sie mit mir sprechen. Ich miaute zurück und musste lachen. Ein Glück, dass mich niemand hörte. Da raschelte es hinter mir in den Zweigen.

Herzstillstand!, dachte ich. Wie lange hat er wohl schon da gestanden? Ich wusste, auch ohne mich umzudrehen, dass es nur er sein konnte. Justin. Und eigentlich war ich gar nicht so überrascht, als hätte ein Teil meines Bewusstseins geahnt, dass er kommen würde, dass er kommen musste. Justin starrte mich finster an und wieder erschrak ich vor der düsteren Intensität seines Blicks. Dann lächelte er sein seltsam schräges Lächeln. „Du fütterst immer noch die Katzen“, stellte er fest. Seine Stimme klang rau. Ich zuckte leicht mit der Schulter und versuchte gleichmütig zu wirken, in dem sicheren Bewusstsein, dass mir das im Leben nicht gelang. „Marzia musste wieder zur Untersuchung.“

Er schwieg einen Moment, dann hoben sich seine Augenbrauen und er blickte mich fast verwundert an. „Du bist gekränkt.“

So viel zur hohen Kunst der Verstellung! Ich rollte genervt die Augen und sammelte die Blechteller ein.

„Warum?“ Er trat aus den Büschen auf die kleine Lichtung heraus.

Wie ein fernes Echo hörte ich die Stimme meiner Großmutter: Ein Mädchen zeigt einem Mann nie seine Gefühle, Selina. Es sei denn, sie wäre eine … eine … Noch nicht einmal das Wort war ihr über die Lippen gekommen. Arme Großmutter Charlotte! Die musste aus einer harten Welt kommen! Es war lächerlich, aber trotzdem gelang es mir nicht, ihre Stimme loszuwerden. „Scheiße!“, sagte ich laut, meiner Meinung nach die einzige Antwort auf so einen Unsinn.

Justin starrte mich verblüfft an, dann grinste er plötzlich. „Jetzt würde ich zu gern wissen, woran du gerade gedacht hast. Ich hoffe, an nichts, was irgendwie mit uns zu tun hat.“

„Oh.“ Ich spürte, wie ich rot wurde. „Verstehst du denn Deutsch?“

„Das eine oder andere.“

„Was ist das andere?“

„Ach, nichts.“ Er blickte zu Seite.

„Du warst gestern ziemlich schnell weg.“

„Ah, deswegen! Das war nicht so gemeint.“ Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans, ließ seinen Blick über die alten Steine und die Katzen wandern. „Das war überhaupt nicht so gemeint“, sagte er noch einmal leiser.

Ich nickte vage und kraulte die Graue, die sich vor mir auf der Mauer ausgestreckt hatte. Sie begann zu schnurren, als hätte ich dabei ihren Motor angeschaltet.

„Ich finde das … gut, dass du die Katzen fütterst.“ Er runzelte die Stirn und nickte bekräftigend. „Ja, echt gut! Ich kenne sonst kein Mädchen, das das macht!“

„Nur alte Frauen“, sagte ich, „Gattaras“, und musste grinsen.

„Ja, nur alte Frauen. Das heißt, nein, das klingt jetzt auch irgendwie komisch. Ich meine …puh!“ Er blies sich eine Strähne aus der Stirn und lachte verlegen. „Die Bilder sind übrigens wirklich gut geworden, richtig mystisch. Die Herrin der Katzen.“

Ich nahm den Korb und stand vor ihm.

„Hast du heute Schule?“

„Ja.“ Ich blickte auf die ersten Sonnenstrahlen, die, gefiltert durch das Laub der Platanen, sein Gesicht modellierten und Schatten unter seine Wangenknochen und seine Augen legten. Ich habe nie einen schöneren Mann gesehen, dachte ich, und plötzlich war sie wieder da, diese atemabschnürende Sehnsucht, die mich traf wie eine Faust. Ich senkte schnell den Blick, wollte nicht, dass er das mitbekam.

„Soll ich den nehmen?“ Er deutete auf meinen Korb.

„Wenn du willst.“

Er nahm mir den Henkel aus der Hand und ich spürte für einen Moment die Wärme seiner Finger, die meine streiften.

„Die gleiche Bar wie gestern?“ Er blickte mich von der Seite an. Ich nickte. Mit einem Mal war alles so einfach. Der Kies knirschte unter unseren Schritten, Sonnenflecken tanzten auf dem trockenen Gras und Spatzen hüpften vor uns über den Weg. Ich fühlte mich leicht wie ein Vogel.

Wir hatten sogar den gleichen Tisch wie am Vortag.

Justins Mutter war Italienerin, sein Vater Amerikaner. Justin war in den Südstaaten aufgewachsen. Er arbeitete jetzt schon ein paar Jahre als Assistent bei Valentina und lebte seitdem auch bei ihr. Sie war sehr nett, er hatte Glück gehabt, sagte Justin und für einen Moment dachte ich, dass er älter sein musste, als er aussah.

Ich erzählte ihm dafür vom Schloss, von meiner Großmutter und wie glücklich ich in Rom war. Dass ich hier das Gefühl hatte dazuzugehören, einen Platz zu haben. Dann blickte ich aus Versehen auf die Uhr und bekam einen Schreck. Ich würde wieder zu spät kommen! Für einen Moment überlegte ich, die Schule für heute überhaupt sausen zu lassen, da sprang Justin auf. Er wirkte schlagartig abwesend, die Vertrautheit, die eben noch zwischen uns gewesen war, schien wie fortgewischt. Er setzte an, etwas zu sagen, zögerte. „Ich muss jetzt wirklich”, murmelte er schließlich. „Ciao, bis dann!“ Bevor die Tür noch ins Schloss gefallen war, war er schon die Straße hinunter verschwunden. Als könnte er gar nicht schnell genug wegkommen.

Ich saß wie betäubt. Was sollte das heißen, bis dann? Er war extra in den Park gekommen, um mich zu treffen, und jetzt … bis dann. Hatte ich irgendetwas gesagt, das ihn verletzt hatte? Ich ließ unser Gespräch Revue passieren, Wort für Wort. Da war nichts, im Gegenteil, wir hatten gerade noch zusammen gelacht. Das musste ja ein wichtiger Termin sein, zu dem er gerannt war … Aber selbst wenn – wieso war er plötzlich wieder so kühl gewesen?

*

Er: Was tat er nur hier? Nichts wie weg! Er hatte sie bei Sonnenaufgang aus dem Haus schleichen hören. Hatte einfach hinterher gemusst. Der Gedanke, dass da vielleicht wieder einer von denen auf sie wartete … Es hatte ihm keine Ruhe gelassen. Aber warum war er dann zu ihr gegangen? Er hätte doch einfach warten können. Versteckt. Sie hätte es nicht gemerkt, obwohl sie so aufmerksam war. Warum hatte er sich gezeigt? Es war verantwortungslos, was er tat. Er wusste doch, wie das lief. Er war ja auch einer von ihnen. Natürlich nicht von … denen, das war nochmal eine andere Geschichte, und zumindest war er nicht völlig ohne Skrupel, aber trotzdem … Er musste sich von ihr fernhalten. Er konnte ihr das nicht antun. Nicht ihr. Sie … gefiel ihm. Rührte etwas an in ihm. Mit ihr war er ein anderer. Hatte plötzlich so etwas wie … Gefühle. Es war schön, aber auch bedrohlich. Und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie sich das auswirken würde. Ob er das Singen dann noch kontrollieren konnte. Und wenn nicht? Was wurde dann aus ihr?

*

Ich stand vor dem Eingang zur Krypta und blickte an der schmucklosen Fassade hoch. Gleich nach dem Unterricht war ich mit der U-Bahn hergefahren. Pino wartete sicher schon, aber ich konnte mich nicht entschließen, hineinzugehen. Ein seltsames Unbehagen hatte sich in mir breitgemacht.

Kein Wunder! So ein schöner Herbsttag, über dem sich ein Himmel wie Seide spannt, dachte ich. Kein Mensch würde so einen Tag gerne in der zugigen Kälte einer Gruft verbringen, zusammen mit Skeletten und grinsenden Totenschädeln! Aber die Arbeit ist doch spannend, versuchte ich mir selbst Mut zu machen. Und du hattest dich so darauf gefreut.

Das stimmte, ich hatte mich darauf gefreut und ich konnte viel dort lernen. Außerdem gab es schwerlich einen ausgefalleneren Platz für ein Praktikum und das gefiel mir. Ich fürchtete mich auch nicht wirklich vor den friedlichen verstaubten Kapuzinerknochen, doch ich hatte ein Gefühl von … Gefahr.

„Da bist du ja!“ Pino sah mich zur Eingangspforte heraus prüfend an. „Alles in Ordnung? Siehst so blass um die Nase aus.“

„Nur schlecht geschlafen“, murmelte ich.

Avanti! Ich muss dir noch ein paar Sachen zeigen, dann kannst du allein weitermachen. Ich geh dann wieder an die Türen.“

„Aber die Signora? Die ist doch da?“, fragte ich hoffnungsvoll.

„Nein. Sie hat mir den Schlüssel gegeben, damit wir unabhängig sind.“

Also würde es wieder ein einsames Arbeiten sein. Mit einem innerlichen Seufzer folgte ich Pino in die Gruft.

Über eine Schadstelle in der Vertäfelung war bei einem halbherzigen Rettungsversuch einfach ein Stück neues Holz geleimt worden, das ich jetzt in Kleinarbeit herunterstemmen sollte. Dabei konnte ich nicht allzu viel Schaden anrichten, meinte Pino, das würde ich schon schaffen. Später, wenn wir Feierabend machten, würde er dann kommen und die Gruft zusperren. Mit Stemmeisen und Holzhammer bewaffnet, machte ich mich an die Arbeit.

Das monotone Hämmern mit erhobenen Armen ließ meine Schultergelenke bald müde werden. Zur Erholung nahm ich mir das kleine Stecheisen und kratzte den alten Leim aus den Fugen. Wie still es schon wieder war! Ich begann vor mich hin zu summen, brach aber schnell wieder ab, da meine Stimme so dünn und einsam klang. Beklommen blickte ich in den leeren Gang. Mit einem Mal fühlte ich mich beobachtet. Ich warf einen Blick über meine Schulter. Nichts.

Trotz der Kühle des Gemäuers spürte ich eine leichte Schweißschicht auf meine Stirn treten. Mein Unbehagen war inzwischen fast mit Händen zu greifen. Ich ertappte mich dabei, dass ich angestrengt lauschte. War da etwas? Oder wartete ich nur darauf, dass irgendein menschlicher Laut aus dem Kloster oder von der Kirche zu mir herunterdrang? Wunschhorchen, dachte ich und hämmerte weiter. Pausierte. Hämmerte. Pausierte.

Was war das? Ich horchte auf. Ach, nichts. Dabei hätte ich schwören können … Ich hob das Stemmeisen, setzte es an … Da! Jetzt hatte ich es deutlich vernommen. Ich war nicht die Einzige, die hier klopfte. Toktok … Ein feines Pochen. Ich lauschte wieder. Stille. Vielleicht … Ich hämmerte gegen die Wand, brach ab … Da! Es klopfte zurück. Als würde mir jemand antworten, würde versuchen, mit mir Kontakt aufzunehmen. Wieder klopfte ich und wieder klang das leise Toktok zurück. Mit gespitzten Ohren ging ich den Gang entlang. Das Pochen pausierte, fing wieder an. Es kam … von dort unten? Kalte Luft wehte von den Katakomben herauf. Und … war da wieder das Singen? Die Musik? Kam das etwa auch von dort?

Nein, nie im Leben würde ich da hinunter gehen! Allein in die Katakomben! Obwohl … Ich horchte. Da, wieder diese Musik! Gesang? Lauschend neigte ich den Kopf. Nichts. Oder war es möglich, dass ich das Singen nicht hörte, sondern … spürte? Fast kam es mir so vor. Hier war ein Lichtschalter. Ich drückte ihn hinunter. Eine nackte Glühbirne baumelte an einem Kabel von der Decke, erleuchtete ausgetretene, rohe Steinstufen. Sie führten gerade hinunter. Unsicher setzte ich einen Fuß auf die oberste Stufe. Wieder dieses Singen. Wie es mich anzog! Fast ohne es zu merken, war ich am Ende der Stiege angelangt. Unschlüssig blickte ich mich um. Ein schmaler gemauerter Gang, der Boden aus festgestampftem Lehm, führte weiter, vorne hing noch eine Glühbirne. Über mir konnte ich nach wie vor das Rechteck des leeren Türrahmens sehen und das helle Licht der Spots. Einigermaßen beruhigt blickte ich in den Gang. Ein Stückchen weiter konnte ich wohl noch gehen, jetzt, wo ich schon mal hier unten war. Oder sollte ich lieber warten, bis Pino kam, und mit ihm zusammen …

Toktok! Jetzt klang es viel lauter. Kamen eigentlich Touristen hier herunter? Ich wusste gar nicht, ob es irgendwo anders noch einen Eingang zu diesen unterirdischen Begräbnisstätten gab. Vielleicht hatte sich jemand hier verlaufen und wartete verzweifelt auf Hilfe! Entschlossen ging ich weiter.

Bis jetzt konnte ich nur Nischen entdecken, roh in den Stein gehauen, keine Gräber. Auch der Lehmboden war in Stein übergegangen. Totenstill war es hier. Ich lauschte, dann klopfte ich gegen die Wand. Nichts. Der Fels verschluckte jeden Laut. Wie konnte ich dann dieses merkwürdige Pochen gehört haben? Da vorne, unter der nächsten Glühbirne, schien eine Kreuzung zu sein. Ein Gang mündete seitlich ein und lief in die entgegengesetzte Richtung weiter. Bis dahin würde ich noch gehen und dann umkehren. Auch von dem seltsamen Singen war nichts mehr zu hören.

Der neue Gang führte rechts steil nach unten. Hier waren Stufen in den Stein gehauen und ein leichter Luftzug wehte herauf. Er roch feucht und ein wenig modrig. Waren dort vielleicht die Grabnischen? Irgendetwas an dem Geruch …

Ich wurde unruhig. Erneut fühlte ich mich beobachtet. War da jemand? Hinter mir? Ich wandte mich um, einmal, zweimal. Nichts. Wo war jetzt mein Gang? Es war doch dieser hier, oder? Warum sah er plötzlich so fremd aus. Hatte er wirklich einen gemauerten Bogen gehabt? War es rechts oder links die Stufen hinuntergegangen? Warum flackerte das Licht mit einem Mal so?

Ein trockener kleiner Knall fuhr so scharf durch die Stille, dass ich zusammenzuckte, und die Glühbirne verlöschte. Schlagartig herrschte absolute Finsternis. Im gleichen Moment erkannte ich den Geruch wieder: Die Keller! Die Keller von Schloss Razburg! Genau so hatte es dort gerochen. Modrig, einsam und getränkt mit etwas Unaussprechlichem.

Ich stand erstarrt. Mein Kopf war plötzlich wie in Watte gepackt, die Kehle so zugeschnürt, dass ich das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. Ich hielt die Arme steif von mir gestreckt, als wollte ich vermeiden zu fallen oder von den Mauern verschlungen zu werden. Auf, zu, auf, zu blinkten meine Augenlider, aber es machte keinen Unterschied in der Schwärze, die mich umgab. Dann drang eine Art Winseln an meine Ohren und ich spürte etwas Feuchtes in meinem Gesicht.

Ich wusste nicht, wie lange es dauerte, bis ich es schaffte, meine Hände zum Gesicht zu heben, mit dem Verlöschen des Lichts hatte mich auch jedes Zeitgefühl verlassen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Schließlich begriff ich: Es waren Tränen, die mir feucht übers Gesicht liefen und ich selbst war es, die das Winseln ausstieß. Nur ich selbst.

Ich raffte mich auf und rannte, rannte einfach hinein in die Dunkelheit. Das nächste, was ich spürte, war ein scharfer Schmerz an meiner Stirn. Dann war nichts mehr.

„Selina! Dio mio! Selina! Selina …“ Die Stimme rief immer wieder meinen Namen. Nervig. Lass mich in Ruhe, dachte ich verschwommen. Schlafen …

Jetzt rüttelte auch noch jemand an meinen Schultern. Sofort fuhr mir ein heißer Schmerz durch den Kopf. „Ah!“ Hatte ich so gestöhnt?

„Selina! Mädchen! Was ist denn geschehen?“

Pino, das war Pino. Ich versuchte die Augen zu öffnen. Meine Lider flatterten wie zwei gefangene Insekten.

Oddio! Was mach ich bloß? Du brauchst einen Arzt, aber ich kann dich doch nicht allein hier liegen lassen! Porca miseria! Diese verdammte Gruft!“ Ich hörte einen dumpfen Knall, als wäre etwas gegen eine Wand gekracht.

„Ah, nichts … werfen“, murmelte ich mühsam. „Das tut … weh.“

„Du liebe Güte, Mädchen, was ist denn passiert?“

„Stromausfall“, murmelte ich. „Bin gestolpert und muss … mit dem Kopf …“

„Diese verdammten alten Leitungen! Ein Wunder, wenn nicht der ganze Kasten in Flammen aufgeht, das sage ich dir“, polterte Pino.

Mühsam öffnete ich die Augen und richtete mich auf einem Ellenbogen auf. Nur eine Lampe brannte, die Spots waren ausgeschaltet. Rechts gähnte die Stiege zu den Katakomben hinunter.

„Ein Glück nur, dass du nicht da hinuntergefallen bist!“ Pinos Blick war meinem gefolgt.

„Habe ich … hier gelegen, als Sie mich gefunden haben?“

„Hier, ja. Du scheinst mit dem Kopf gegen den Türrahmen gerannt zu sein. So was!“ Pino schüttelte den Kopf. „Auf jeden Fall schaffen wir dich jetzt erst mal hinüber ins Kloster. Meinst du, du kannst dich aufrichten, wenn ich dich stütze?“

„Ja, geht schon …“ Etwas schwankend kam ich auf die Beine und legte den Arm über Pinos Schultern. „Ich glaube, ich brauch nicht ins …“

„Papperlapapp! Wozu ist das denn ein alter Krankenpflegeorden, hm?“ Pino war eisern. Behutsam lotste er mich hinaus und hinüber zur äußeren Klosterpforte und ließ mich erst in einem kleinen, nackten Raum, der nach Bohnerwachs und Weihrauch roch, wieder los. Ich ließ mich auf die Holzbank sinken um mich im nächsten Moment auch schon wieder erschrocken an Pinos Arm zu klammern: Die braune Kutte, die zur Tür hereinwehte, die gebeugte Haltung – als wäre eines der Skelette aus der Krypta uns gefolgt. Als aber die Kapuze zurückgeschlagen wurde, blickten mich milde Augen an. Hinter dem Mönch kam die Signora hereingeflattert. „Der Padre wird dich jetzt untersuchen, mein Kind.“ Sie tätschelte mir den Arm. „Keine Sorge, er versteht sein Amt gut. Er ist Arzt.“

Eine halbe Stunde später war ich, ein Pflaster auf der Stirn und ein Stück Zucker mit Melissengeist im Mund, als so weit wiederhergestellt entlassen. Keine Gehirnerschütterung, nur eine Beule. Ruhe, hatte der Pater mahnend gesagt. Für die Nerven. Ruhe!

Wenn er gewusst hätte, wie zerrüttet mein Nerven wirklich waren! Pino hatte mich oben an der Stiege gefunden, das hieß, ich hatte mir entweder meinen Ausflug in die Katakomben nur eingebildet, oder ich war den Weg zurückgegangen, ohne etwas davon mitzukriegen. Die zweite Version schien mir eher unwahrscheinlich, da ich ja ohnmächtig gewesen war. Also blieb nur die Einbildung.

Ich schlüpfte in die Wohnung und gleich ins Bett. Ich hatte keine Lust, Lia zu treffen. Nie, niemals würde ich sie nach den Kellern unseres Familiensitzes fragen. Wahrscheinlich hatte ich mir das alles auch nur zusammenfantasiert. Die Vorstellung, dass ich offensichtlich im Begriff war, durchzudrehen, gefiel mir ganz und gar nicht.

Ich stecke in dem Gang fest, komme weder vor noch zurück, er zieht sich um mich zusammen, immer enger, und irgendwoher kommt dieses Lachen, kommt näher, lacht und lacht, jetzt … gleich hat es mich …

Wimmernd wachte ich auf. Schon wieder der Albtraum.

Und wieder das Gefühl, dass etwas mich belauerte. Dass etwas auf meiner Fährte war. Etwas mich jagte. Was? Was?

Es war doch alles so gut hier! Also was?

Dunkle Seele Liebe

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