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3. Theologische Bewertung

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Nach dem Dargelegten ist es wahrscheinlich, dass Paulus auf der zweiten Missionsreise aus eigenem Antrieb ein Nasiräat eingegangen ist und bei seinem letzten Jerusalembesuch auf Anraten des Jakobus und der Ältesten die Ausweihkosten für vier Nasiräer übernommen hat. Je nachdem, welches Bild man von dem Heidenapostel Paulus, seiner Mission und seiner Theologie hat, mag es schwerfallen, diese Nasiräatsfrömmigkeit in das gedachte Bild einzuordnen. Wenn man der Interpretation des Nasiräats, wie durch P. Billerbeck gegeben, Glauben schenkt, dann hätte Paulus mit einer Leistung der „Werkgerechtigkeit“ seine Mission abgeschlossen.1 H.J. Holtzmann gibt der seiner Zeit voraufgehenden Tendenzkritik an dem lukanischen Bericht mit einem Votum von A. Hausrath Ausdruck: „Eher aber sei glaublich, dass […] Calvin auf seinem Totenbette der Mutter Gottes einen goldenen Rock gelobt, als dass Pls solche Wege beschritten habe.“2 Da uns jedoch die Historizität des Nasiräats und der Übernahme der Ausweihkosten nach der Analyse der Berichte der Act wahrscheinlich ist, muss abschließend unvoreingenommen nach der theologischen Interpretation gefragt werden.

Der Bericht des Lukas, demzufolge Paulus selbst ein Nasiräat übernommen hat und die Ausweihkosten für vier Nasiräer zu übernehmen bereit war, bezeugt zunächst positiv, dass der Apostel an dieser Stelle keinen absoluten Bruch mit Tora und jüdischer Frömmigkeit vollzogen hat; mit der ToraTora, da das Nasiräatsgesetz ja ein Teil von ihr ist (Num 6). Den religiösen Stellenwert des Nasiräatsgelübdes im hellenistischen Judentum, dem Paulus entstammt, zeigt nicht nur die Bezeichnung μεγάλη εὐχή an (Philo, All 1,17 u.ö.; vgl. ähnlich Num 6,2 LXX), sondern auch seine vielfache Behandlung im Schrifttum Philos (Agr 174–178, Imm 87–90; All 1,17; ausführliche Darlegung des Nasiräatsgesetzes in SpecLeg 1,247–254 im Zusammenhang der Behandlung der Opfergesetze). Allein bei der Übernahme der Ausweihkosten durch Paulus kann gefragt werden, ob sein Verhalten aus „taktischen“ Erwägungen erklärbar ist und seinerseits eine Position zur Tora, ähnlich wie in Act 16,1–5, freilegt. In Act 18,18–22 hingegen kann die Übernahme des Nasiräats kaum anders als durch einen persönlichen Entschluss bedingt erklärt werden. Insofern ist die Erwägung, innerhalb des missionarischen Kanons des Paulus – „den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne“ (1 Kor 9,20a) – sei das Verhalten erklärlich, abwegig, da gar kein Motiv zur Rücksichtnahme erkennbar ist. Vielmehr stoßen wir hier auf eine Grundschicht jüdischer Torafrömmigkeit, die auch nach der Berufung zum Heidenapostel nicht gebrochen wurde.3 Weshalb aber wird diese Grundschicht in Fragen der Speisegesetze, der Beschneidungs- und Kalenderfragen gebrochen, hier aber offenbar nicht? Grundsätzlich ist Paulus bereit, die bislang Juden und Heiden trennende Größe der ToraTora als Norm aufzuheben, wo sie eine Gemeinschaft von Juden- und Heidenchristen unmöglich macht. Dies ist bei dem Nasiräatsgesetz nicht der Fall, weil das Nasiräat eine individuelle Möglichkeit, nicht aber eine alle verpflichtende Norm ist. Ein Heidenchrist hätte nie ein Nasiräat übernehmen können, da ihm zur Auslösung des Nasiräats der Zugang zum Tempel verwehrt war. Er war freilich auch nicht an diese Form der Selbstweihe gebunden, da ihm andere religiöse Übungen, wie Askese, Gebet und Wohltätigkeit, bereitstanden. Insofern ist das Nasiräat für das Beieinander von Juden- und Heidenchristen irrelevant. Gleichwohl hätte PaulusNasiräer sich im Rahmen seiner Theologie kritisch zu dem Brauch des NasiräatsNasiräat verhalten müssen, sobald dieser als Möglichkeit des „Gesetzeseifers“ und des „Rühmens“ in Blick gekommen wäre.

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