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Isabella lernt Surfen.

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Isabella hatte zufällig das Foto von Roberto in der Zeitung gesehen und weil ihr das Bild irgendwie gefiel, hatte sie auch den Artikel gelesen über Roberto Marrom, den kleinen Surf-Champion.

„Auf den Wellen tanzen, ob das wohl auch ein Sport für mich sein könnte?“, dachte Isabella.

Die Typen sahen wirklich cool aus mit ihren kleinen Brettern auf den großen Wellen.

In der Zeitung stand, dass am Wochenende die Weltmeisterschaften im Frauen-Surfen stattfinden und dass vorher auch die Jugend-Stadtmeisterschaft für Mädchen bis 16 Jahre ausgetragen wird. Sie beschloss, sich das einmal anzuschauen.

Am Samstag fuhr sie mit dem Bus nach Ipanema. Nur durch den Tunnel durch, der Botafogo mit Copacabana verbindet und auf der Avenida Atlantika am Meer entlang durch Copacabana, dann war sie schon in Ipanema. Als sie die vielen Leute und den großen LKW, mit der Aufschrift „Rede Globo“ und einer Satellitenschüssel auf dem Dach, sah, stieg sie aus.

Das war ein anderes Meer als in der windgeschützten Bucht von Botafogo, das war der offene Atlantik! Heute war schlechtes Badewetter, mit hohen Wellen und viel Wind, aber toll zum Surfen! Sie zog ihre Schuhe aus und genoss den warmen Sand unter ihren Füßen.


Der Wettbewerb war schon in vollem Gang, immer vier Surferinnen zeigten parallel ihr Können auf dem Brett und wurden von einer Jury bewertet. Je nach Schwierigkeitsgrad und Performance erhielten sie mehr oder weniger Punkte. Nach und nach wurden es immer weniger Sportlerinnen, die noch im Wettbewerb standen und dann kam das Finale. Die letzten vier Mädchen wurden von jungen Männern auf Jet-Skiern hinaus aufs Meer gefahren.

Die Mädchen saßen seitlich im Damensitz auf der Bank und klammerten mit der einen Hand ihr Board fest und mit der anderen Hand hielten sie sich an dem jungen Mann fest.

„Wie eine Prinzessin auf dem Pferd des Prinzen“, dachte Isabella und musste selbst lachen über ihre Mädchen-Fantasie.

Draußen auf dem Meer glitten die Mädchen ins Wasser und suchten „ihre Welle“. Dann erhoben sie sich und fingen an, ihre Kunststücke zu zeigen und die Wellenkämme hoch und runter zu tanzen.


Der Fernsehsender „Rede Globo“ machte eine Reportage über das Ereignis und hatte zwei Kameras mit riesigen Objektiven auf zwei Podeste am Strand postiert, drei Kameraleute fuhren als Sozius auf Jet-Skiern mit den Surferinnen, die Mädchen trugen winzige Helmkameras und über ihnen kreiste ein Helikopter mit einer Kamera mit Superteleobjektiv. Die großen Kameras übertrugen ihre Bilder per Kabel oder Funk in die Regie, wo sie gemischt und aufgezeichnet wurden. Nach dem Lauf wurden den Mädchen die Helmkameras abgenommen und in den Regiewagen gebracht. In Windeseile wurden die Effekt-Bilder von den Mini-Kameras in das Masterband geschnitten und ab ging es über den Sender und per Satellit in die Wohnstuben im ganzen Land von Porto Alegre im Süden, nahe der Grenze zu Uruguay, bis Fortaleza im Norden, direkt am Äquator.

Brasilien, ein Land mit 5000 Kilometer Küste, größer als ganz Europa, wurde von „Rede Globo“ Tag und Nacht mit Bildern versorgt, mit Nachrichten, Reportagen und Telenovelas, jenen Endlosgeschichten, die den Sender reich und mächtig gemacht hatten.

Mächtig, weil die Menschen jeden Tag „Rede Globo“ einschalteten, um ihre Portion Glückseligkeit zu konsumieren und reich, weil die Werbeindustrie die enorme Reichweite des Senders nutzte, um ihre Produkte zu bewerben und dafür große Geldbeträge an den Sender überwies.


Als der letzte Durchgang vorbei war, wurde ein Mädchen von den Juroren aussortiert.

4. Platz, wie bitter, kein Treppchen, keine Medaille, kein Foto in der Zeitung, dafür Tränen im Überfluss.

Der 3. Platz brachte immerhin eine Medaille und die Sportlerin war bei der Sieger-Ehrung dabei.

Beim 1. Platz ging es um den Pokal und den Eintritt in die Medienwelt. Der war das Sprungbrett für eine Karriere, vielleicht sogar für einen Werbevertrag für irgendein Produkt von einem Sponsor.


Die Mädchen waren gleich gut auf ihren Brettern, die eine war blond und gebräunt, die andere hatte schwarze Kraushaare und war von Geburt an tiefbraun. Die Juroren entschieden sich für das blonde Mädchen, das überglücklich in die Kameras strahlte und ihr Surfboard mit der Aufschrift des Herstellers jubelnd über ihren Kopf hielt.

Roberto durfte ihnen, als amtierender Stadtmeister der Jungen unter 16, vor laufenden Kameras die Medaillen und den Pokal überreichen und jeder zwei Küsschen auf die Wangen geben. Bei der Siegerehrung war die Sendung „live on air“ und alle strahlten in die Kameras. Dann fragte die Reporterin die Mädchen, wie ihr Ritt auf den Wellen gelaufen sei und wie sie sich fühlten.

Da fing die kraushaarige Zweite an zu heulen und meinte, sie sei genauso gut wie die blonde Siegerin, aber die Blonden würden ja immer bevorzugt.

Die blonde Reporterin war etwas überrascht und wollte das nicht live so stehen lassen, da fiel ihr Blick auf den kraushaarigen Roberto, der immer noch dabeistand und zuhörte.

„Roberto, Du bist doch auch Stadtmeister geworden und bist nicht blond, was sagst Du zu dieser Aussage, die Blonden würden immer bevorzugt?“

Sie hielt ihm das Mikrofon unter die Nase und eine Kamera zoomte ihn groß auf alle Bildschirme des Landes.

Roberto blieb fast das Herz stehen vor Schreck - was sollte er jetzt sagen?

Er holte tief Luft und dann sagte er: „Bei mir spielte die Haarfarbe keine Rolle, aber bei den Mädchen könnte das anders sein. Viele Männer lieben blonde Frauen und bevorzugen sie.“

Die blonde Reporterin hakte nochmal nach und fragte: „Und wie ist das bei Dir, Roberto?“

Wieder musste Roberto gegen die aufkommende Panik ankämpfen, doch dann fiel ihm ein Satz ein, den Paulo gerne benutzte, und er antwortete mit einem breiten Grinsen: „Ob blond, ob schwarz ob braun, ich liebe alle Frauen.“

Die blonde Reporterin lachte und war glücklich, dass sie so gut aus der Nummer herausgekommen war und sprach ihren Schlusssatz: „Mit diesem Statement von Roberto, dem amtierenden Surf-Champion von Rio, gebe ich zurück in die Sportredaktion.“


„War das der Beginn einer Karriere?“, fragte sich Isabella, die auf einem großen Monitor das Live-Interview verfolgt hatte und dachte an ihre eigenen Träume vom Ruhm. War der Surf-Sport vielleicht auch für sie eine Möglichkeit berühmt zu werden? Aber eigentlich wollte sie nicht auf den Wellen tanzen, sondern im Sambodromo!

„Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen“, sagte sich Isabella und ließ die Surf-Karriere gedanklich wieder sausen.


In der Mittagspause flaute der Wind ab und die Wellen wurden sanfter. Ein Schnupperkurs für Anfänger wurde per Lautsprecherdurchsage von einer Surfschule angeboten, kostenlos.

„Warum nicht?“, dachte sich Isabella, Handtuch und Badezeug habe ich ja dabei.


Roberto war von der Surfschule angeheuert worden, um als frisch gebackener Champion Werbung für sie zu machen und den Schnupperkurs zu leiten. Für jede neue Schülerin, die den Vertrag unterschrieb, war ihm eine Prämie von 50 Reais versprochen worden.

„50 Reais pro Kopf, das spornt an“ hatte der Chef zu Roberto gesagt und breit gegrinst. Roberto hatte zugestimmt und jetzt hatte er eine Schar von Interessentinnen um sich herum, die alle seinen Fernsehauftritt verfolgt hatten und ihn anhimmelten. Alle wollten von ihm die Grundbegriffe des Surfens lernen und hingen an seinen Lippen.

Er machte am Strand vor, wie man auf das Brett krabbelt, paddelt, aufsteht und die richtige Haltung einnimmt. Nachdem alle den Bewegungsablauf geübt hatten, schüttete er einen kleinen Sandhügel auf und legte sein Surfbrett darauf.

„Jetzt machen wir Gleichgewichtsübungen“, rief er den Mädchen zu und machte es vor.


„Wer will anfangen?“, fragte er und schaute in die Mädchenrunde.

Isabella blickte ihm direkt in die Augen, ging als Erste zu ihm und ließ sich an seiner Hand aufs Brett führen. Dabei schauten sie sich wieder in die Augen und irgendwie fanden sie sich sehr sympathisch.

Das war schon ziemlich wackelig auf dem Sandhaufen und nun musste Isabella durch Gewichtsverlagerungen das Brett vorne heben und senken ohne auf den Boden zu kommen.

„Das machst Du gut“, sagte Roberto zu Isabella und schaute ihr nochmals tief in die Augen, „Du bist ein Naturtalent.“

Isabella fühlte sich zum ersten Mal richtig verstanden und beschloss, den Kurs bei ihm zu buchen.

Auch die anderen Mädchen waren von ihm und seinem Unterricht angetan, am Ende hatte er 22 Anmeldungen.

Dem Chef fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er den Packen Anmeldungen durchzählte. Das hatte er nicht gedacht, dieser Bursche war ja ein Verkaufstalent und hatte Schlag bei den Frauen! Und vielleicht würde das Surfen für Mädchen ja ein neuer Jugendtrend werden, so wie Fußball!

In Gedanken sah er sich schon als größte Surf-Schule von Rio.


Isabella ging jetzt abwechselnd in die Samba-Schule und zum Surf-Kurs. Die Schule und die Hausaufgaben waren ihr erstmal nicht mehr so wichtig. Außerdem fand sie den Surflehrer süß, wenn auch ein bisschen klein für sein Alter. Sie hatte herausgefunden, dass er sogar ein paar Monate älter war als sie, er war Zwilling und sie war Waage. In einem Buch über Sternzeichen hatte sie herausgefunden, dass das keine schlechte Kombination war und unter seiner Anleitung machte sie gute Fortschritte beim Surfen. Jeden Tag freute sie sich aufs Neue auf die nächste Übungsstunde.

Jugend unterm Zuckerhut

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