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Der Besuch bei der Magierin

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Die Magierin war in Salvador de Bahia geboren und aufgewachsen und hatte dort die geheimen Rituale des Candomblé- und Macumba-Kults von ihrer Mutter gelernt, die eine Priesterin der afrikanischen Religionen war. Die afrikanischen Sklaven hatten bei ihrer Verschleppung nach Brasilien ihre Götter und ihren Glauben mitgebracht und übten ihn heimlich aus oder vermischten ihn mit dem katholischen Glauben ihrer Herren, indem sie vor Jesus Christus niederknieten und beim Gebet an Oxala und Iemanja dachten.

Die weiß gekleidete Priesterin betrachtete lange das Foto von Roberto und rieb dabei seine Haare zwischen ihren Fingern. Dann sagte sie: „Er muss um Mitternacht zu mir kommen und ein Beschwörungsritual mitmachen. Dabei werde ich die Orixas anrufen und um Hilfe bitten.“


Als seine Mutter ihm davon erzählte, wollte er erst nicht und überlegte eine Woche lang hin und her.

Dann sagte er sich, was kann ich schon verlieren außer 50 Reais, die die Priesterin für die Zeremonie verlangte, und ging hin.


Die alte Frau saß in einem halbdunklen Raum, der nur von vier Kerzen erleuchtet war und sagte ihm, er müsse den Göttern nackt und demütig begegnen und sich vor dem Altar auf einen Tisch mit einem großen Tuch legen. Roberto genierte sich erst, aber dann sagte er sich, die Frau ist älter als meine Mutter, was soll´s. Er zog sich aus und kniete vor der ganz in weiß gekleideten alten Frau. Sie legte ihm ihre Hand auf den Kopf und schloss die Augen. Roberto fühlte einen warmen Energiestrom durch sich hindurchfließen und rührte sich nicht.

Schließlich sagte die Heilerin: „Leg dich auf die Bank vor dem Altar!“

Er erhob sich, ging zur Bank, legte sich auf den Rücken und faltete seine Hände unter seinem Bauch.

Die Alte tanzte um ihn herum, murmelte afrikanische Worte und nahm bei jeder Runde einen Schluck Zuckerrohrschnaps aus einer großen Flasche. Nach der 7. Runde fiel sie in Trance und sprach plötzlich mit einer furchterregenden Männerstimme: „Was willst Du von mir?“

Roberto erschrak und war völlig verdattert, aber schließlich stammelte er: „Ich will wachsen und ein großer, starker Mann werden.“

Die Stimme lachte und dann sagte sie: „Du sollst wachsen, von heute an wirst Du wachsen, bis Du groß und stark bist, aber denk immer daran, wer dich stark gemacht hast. Wenn Du das vergisst, dann werde ich Dir deine Stärke wieder nehmen! Hast Du verstanden?“

Roberto bekam es mit der Angst und flüsterte: „Ja, ich habe verstanden.“


Die Magierin kam jetzt ganz nah an sein Gesicht und plötzlich sprühte sie ihm den letzten Schluck Zuckerrohrschnaps ins Gesicht und auf die Brust, nahm einen neuen Schluck und sprühte ihn auf seinen Bauch und sein Geschlecht. Den dritten Schluck sprühte sie auf seine Beine, und dann begann sie alles zu verreiben und flüsterte beschwörend: „Xango, lass ihn wachsen, Oxala, gib ihm Kraft, Iemanja, halte deine Hand über ihn!“

Dann klappte sie zusammen und sank zu Boden.

Roberto wagte nicht, sich zu rühren, bis sie nach einiger Zeit die Augen aufschlug und ihn ansah: „Du kannst dich anziehen, die Götter sind wieder fort.“

Benommen zog Roberto seine Sachen an und beim Hinausgehen legte er noch 20 Reais extra in die Opferschale.


Auf dem Nachhauseweg kam er an einigen Kneipen und Tanzschuppen vorbei, aus denen Samba-Musik erklang.

„Wann kommst Du zu mir“, hörte er eine Sängerin schmachtend singen, „ich sehne mich so nach Dir, nach deinen starken Händen, die mich berühren, die mich verführen, in der Nacht. Wann kommst Du zu mir , ich sehne mich so nach Dir, nach deinen weichen Lippen, die mich berühren, die mich verführen in der Nacht. Wann kommst Du zu mir, ich sehne mich so nach Dir, die ganze Nacht.“

Roberto blieb stehen und lauschte der weiblichen Stimme, und zum ersten Mal fühlte er eine unbestimmte Sehnsucht, die er bisher noch nie verspürt hatte und die er nicht benennen konnte.

Jugend unterm Zuckerhut

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