Читать книгу Katastrophen im Spätmittelalter - Gerhard Fouquet - Страница 13

Am Tag danach – Hilfen? Lehren?

Оглавление

„Am siebenundzwanzigsten Tag des zweiten Monats war die Erde trocken. Da sprach Gott zu Noach: Komm heraus aus der Arche, du, deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne! Bring mit dir alle Tiere heraus, alle Wesen aus Fleisch, die Vögel, das Vieh und alle Kriechtiere, die sich auf der Erde regen. Auf der Erde soll es von ihnen wimmeln; sie sollen fruchtbar sein und sich auf der Erde vermehren. Da kam Noach heraus.“ (Genesis, 8,14–18)

Doch was ‚lernten‘ die Basler von den Hochwassern des Birsigs tatsächlich, die am 14. Juni 1529 und mit schwächerer Wucht am 4. Juli 1530 die Stadt heimsuchten? Welche Erfahrungen daraus setzten sie ‚am Tag danach‘ in einen aktiven Katastrophenschutz um? Dem Autor der Chronik des Fridolin Ryff war bei dem Schadensereignis von 1529 aufgefallen, dass den Fluten nieman werren konnte, keiner konnte ihnen wehren. Hilflos seien die Menschen angesichts der Größe, der Schnelligkeit und der Tiefe des Wassers gewesen, keiner sei deswegen dem andren […] zu hilff kumen. Doch erst nach der offenkundig werdenden erneuten Taten- und Hilflosigkeit angesichts des zweiten Hochwassers vom Juli 1530 fällte der Basler Rat offenbar weiterreichende Beschlüsse über die Räumung und den Ausbau des Birsigs: Künftige Schäden sollten dadurch eingedämmt werden, wobei die Ratsherren wohl wussten, wie Konrad Schnitt dies in seiner Chronik kommentiert, dass dem wasser kein widerstand ze thund sei.51

Nach dem Hochwasser vom 4. Juli 1530 teilte der Basler Rat am 9. Juli zwanzig Handlanger zu Nachtwachen am Birsig ein und ließ dreißig Männer für Räumungsarbeiten in der Stadt einstellen.52 Der Rat allein aber sah sich mit dem Problem heillos überfordert. Daher wurde, wie der Verfasser der Ryffschen Chronik berichtet, gemeinnen burgeren […] in allen zunfften und geselschafften, geistlich und weltlich, edel und unedel, geboten zu fronen.53 Die Zünfte Großbasels und die Gesellschaften der kleinen Stadt jenseits des Rheins wechselten sich Tag für Tag ab. Wer es sich leisten konnte, schickte seinen Knecht dorthin oder löste sich mit Geld von der Fronpflicht. An die 200 Menschen sollen auf diese Weise täglich damit beschäftigt gewesen sein, vil grümsz, das durch den Birsig in die Stadt gespülte, teilweise mannshoch liegende Geschiebe, den unsäglichen, aus Birsig und übergetretenen Jauchegruben stammenden Morast, wegzuschaffen, mit Unterstützung der städtischen Werkleute auch den Schutt der zerborstenen Brücken und Gewölbe abzutragen. Konrad Schnitt hat bei der Abfuhr des Unrats in den Rhein über 20.000 Schubkarren gezählt.54

Danach ließ der Basler Rat vom Steinentor an bis nach Binningen (ca. 10 km) die Uferböschungen des Birsigs mit hölzernen Befestigungen einfassen, das Flussbett säubern und den Aushub hinter die Holzplanken am Ufer führen. Auch zu dieser großen Baumaßnahme mussten alle Zünfte und Gesellschaften sowie auch die Landschaft, die Untertanen Basels im Umland, Frondienste leisten. Konrad Schnitt beziffert die Kosten für Räumung und Ausbau des Birsigs auf 8.000 Rheinische Gulden. In den Stadtrechnungen werden sie „ohne Pfahleisen, Kreuzhacken, Hauen, Schaufeln, Wein und Brot“, auch ohne den Frondienst, so dy burger daran gton haben, etwas nüchterner mit ca. 2.037 Rheinischen Gulden, immer noch bedeutend genug, namhaft gemacht.55

Der Basler Rat komplettierte seine gezielten Maßnahmen zum Hochwasserschutz in der sogenannten Wasserordnung vom 4. April 1531, in der die durch Zünfte und Gesellschaften zu übernehmenden Schutzmaßnahmen koordiniert wurden.56 So war u. a. vorgesehen, dass bei der Alarmierung durch die Papstglocke im Münster je 15 Mann aus den Vorstädten sofort zum Steinentor und mithin zum Birsigeinlass im Süden der Stadt zu laufen hätten, um dort an drei festgelegten Plätzen angeschwemmtes Holz und andern unrat wegzuschaffen. Die Birsigbrücken, die Steinen-, Barfüßer-, Schinderbrücke etc., der Korn- und Fischmarkt sollten von den Zunftabordnungen und von 18 Mann der Kleinbasler Gesellschaften besetzt werden. Zünfte und Orte wurden dabei genau bezeichnet. Maurer, Zimmerer, Fischer und Schiffleute hatten sich entlang des Birsigs zu verteilen, vier Weidlinge waren für den Einsatz auf dem Fluss bereitzuhalten. Die Stadt, d. h. im wesentlichen der städtische Werkhof, hatte bestimmtes Gerät, z. B. Haken, Äxte, Seile etc. abzustellen.

Doch schon vor den Schrecknissen von 1529/30 hatten die Ratsherren keineswegs untätig den Gefährdungen ihrer Stadt durch Hochwasser und Eisgänge zugesehen: Spesen für Rettungsmannschaften wurden gezahlt – bei der wassernot im Juli 1519 beispielsweise waren zeitweise 178 Personen imEinsatz –, die städtische Administration ließ Tagelöhner anstellen, um die Brücken zu enteisen, um die Joche der Rheinbrücke von angeschwemmtem Holz zu befreien, um die Brücken in den Hochwassernächten zu bewachen – die rinbrug zu behuten, zu bewaren, das ysee ze brechen, holz abweisen, so heißt es immer wieder in den Rechnungsbüchern des Basler Rates. Niemand im Rat dachte jedoch daran, für private Schäden Hilfe zu leisten. Die ethischen Vorstellungen des ‚Gemeinen Nutzen‘ beinhalteten ein derartiges Modell von Sozialpolitik nur sehr bedingt.


‚Erinnerungsort‘: Portal der Marktarkade des Basler Rathauses und die Hochwasserinschriften von 1529/30 (1537)

Katastrophen im Spätmittelalter

Подняться наверх