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Einleitung der Herausgeber

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Christentum und Islam sind, neben Judentum, Hinduismus und Buddhismus, die zwei meistverbreiteten Weltreligionen, die seit ihrer Entstehung aus verschiedenen Perspektiven heraus diskutiert werden. Sie stehen historisch eng miteinander in Verbindung und sind von Gemeinsamkeiten und erhellenden Unterschieden geprägt. Historisch betrachtet sind in der Regel entweder ihre Differenzen oder ihre Gemeinsamkeiten betont worden. Es geht um Ereignisse wie Kreuzzüge und Begriffe wie ‚Djihad‘ und ‚Scharia‘, welche die geschichtlichen und gegenwärtigen Diskussionen beherrschen.

Wenn wir diese dichotomisierenden Kontroversen, die einen stark apologetischen Charakter haben, beiseitelassen, so stellt sich die Frage nach Sinn und Zweck der Religion. Bezogen auf Christentum und Islam dürften die Antworten ähnlich sein: Liebe, Glaube, Hoffnung und Gerechtigkeit. Christentum und Islam sind zwei geistesverwandte Religionen. Sie wollen nicht gegenseitiger Entfremdung Vorschub leisten, sondern Brücken bauen und auf ihre je eigene Weise Zuversicht und Geborgenheit sowie Solidarität und Mitmenschlichkeit fördern. Eben weil es mittels zweifelhafter Verbiegungen der religiösen Botschaften des Christentums und des Islam sowie immer wieder aufkommender Instrumentalisierung der Heiligen Schriften, der Bibel und des Korans, zu Auseinandersetzungen kommt, wird es umso nötiger, den Dialog um gegenseitige Verständigung und Toleranz auf einer übergeordneten Ebene interkulturell und interreligiös neu zu entfachen.

Die vorliegende Aufsatzsammlung möchte solche und ähnliche Bemühungen im christlich-islamischen Kontext fördern und dadurch einen Beitrag für Frieden und Verständigung leisten. Sie will keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, sondern versteht sich als der Beginn eines langen und wendungsreichen Weges. Die Autorinnen und Autoren lassen durch ihre Beiträge ein innovativ-konstruktives und lebendig-kritisches Gespräch entstehen. Die Beiträge des Bandes bilden eine vielfältige Einheit, deren Inhalt im Folgenden überblickartig dargestellt ist:

Hamid Reza Yousefi diskutiert die Möglichkeiten der Bedingungen der Kommunikation und stellt das Konzept einer kontextuellen Kommunikation vor. Ihm geht es darum, unterschiedliche Traditionen mit ihren jeweils eigenen Terminologien, Fragestellungen und Lösungsansätzen als gleichberechtigte Diskursbeiträge zur Sprache kommen zu lassen, um dadurch gemeinsame Perspektiven entwickeln zu können. Dem Thema nähert sich Yousefi in drei Schritten: In einem ersten Schritt begründet er kurz, was Kommunikation bedeutet und welcher Kulturbegriff zugrunde gelegt wird. Dieses Modell umfasst sieben ‚Korrelatbegriffe‘, die er in gebotener Kürze zu umreißen versucht. Fünf Bereiche begleiten diese Korrelatbegriffe, die ebenfalls interkulturell-kontextuell verfahren. Es handelt sich um Kultur-, Sozial-, Medien-, Berufs- und schließlich Erwachsenenpädagogik. Die Vermittlung dieses Wissensrepertoires erfordert eine solide Korrelationsdidaktik, die ebenfalls interkulturell-kontextuell orientiert ist. In einem zweiten Schritt diskutiert Yousefi die Gründe, die das Scheitern aller Formen der Kommunikation verursachen können. Das sind vor allem der exklusivistische Wahrheits- und Absolutheitsanspruch, die Geographisierung des Denkens und die Kategorie der negativen Macht. Abschließend stellt er die Methode seines kontextuellen Kommunikationsmodells vor und formuliert das Konzept einer ablehnenden Anerkennung.

Christoph Böttigheimer thematisiert in seinem Beitrag die Idee der interreligiösen Toleranz aus christlicher Sicht. Für ihn ist dem christlichen Glauben der Gedanke einer friedvollen Begegnung mit Menschen anderer religiöser Überzeugungen keineswegs fremd. Doch in der Neuzeit war es vor allem die säkulare Vernunft, die die Lehre von den Menschenrechten, denen zeitlich wie auch ideengeschichtlich das Toleranzprinzip vorausgeht, auf den Weg gebracht hat. Begründet werden die Menschenrechte, insbesondere durch das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit mit der unveräußerlichen Würde, die jeder menschlichen Person zukommt. Erst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) fand nach Böttigheimer die katholische Kirche zur Billigung der modernen Menschenrechtsidee, verbunden mit einer Relativierung des eigenen Heils- und Wahrheitsanspruchs. Der Beitrag von Böttigheimer zeichnet die Entwicklungsstationen des liberalistischen Toleranzprinzips nach und fragt nach den theologischen Voraussetzungen für seine Anerkennung.

Die religionstheologische Begründung des christlich-islamischen Dialogs wird, wie Wolfgang Klausnitzer zeigt, aus der Offenbarungskonstitution „Dei Verbum“ des II. Vaticanums in einem von Georg Wilhelm Friedrich Hegel inspirierten dialektischen Dreischritt abgeleitet. Die johanneische und altkirchliche Logos-Theologie beschreibt jene Weise, wie sich Gott in der Schöpfung und in der (Heils-)Geschichte offenbart, bis er sich dann – „in Fülle“ – in Jesus von Nazaret inkarniert. Daraus ergibt sich eine Kritik an allen Religionen (einschließlich des Christentums), insoweit sie Versuche menschlicher Selbsterlösung oder Apotheosen geschöpflicher Wirklichkeiten darstellen. Religionskritik ist damit ein Wesensbestandteil des interreligiösen Dialogs. Klausnitzer zeigt, dass ein Weg zu einer Einheit der Religionen (und konkret der ‚Abrahamsreligionen‘) einerseits durch das Vertrauen auf die Wahrheitsfähigkeit der menschlichen Vernunft in der Annäherung an Gott gewiesen, andererseits in der Überzeugung grundgelegt ist, dass es auch Elemente der Offenbarung Gottes außerhalb der jüdisch-christlichen Tradition gibt, die ‚nicht selten‘ das Wirken des göttlichen Logos manifestieren.

Ausgehend von der Überzeugung, dass der Dialog sich lediglich dort fruchtbringend gestaltet, wo die Gesprächspartner ihre jeweilige Religion aus Überzeugung vertreten und durch sie zu einem neuen Identitätsbewusstsein gelangen, diskutiert Abdoldjavad Falaturi die Voraussetzungen des Dialogs aus islamischer Sicht. Während Theologie – ob christlich oder islamisch –, seiner Ansicht nach, bislang in der Hauptsache auf apologetischen Grundlagen basierte, d.h. auf dem Negativen bei dem Anderen und auf dem Positiven bei sich, könne und solle nun auf der Grundlage des Selbstverständnisses des Anderen eine neue Ära der Theologie eingeleitet werden. Daraus könnten viele neue Ansätze, Anregungen, Thesen, Theorien und sogar Interpretationen der eigenen Religionsgeschichte hervorgehen; eine gegenseitige positive Befruchtung zählt sogar noch zu einer der kleineren Folgen eines so gearteten Dialoges. Erfahrungsgemäß begehe man – vor allem bei christlich-islamischen Zwiegesprächen – jedoch den Fehler, erstens die Verhaltensweisen der Anhänger der christlichen und islamischen Lehre mit der Lehre selbst zu verwechseln und zweitens – und das sei schwerwiegender – alle die genannten Strömungen und deren faktische Erscheinungen als christlich oder islamisch zu bewerten. Der Dialog könne, so Falaturi, dann nur in eine Sackgasse geraten. Nur ein Dialog als ‚Versuch, den Anderen annähernd so zu verstehen, wie jener sich selbst versteht, und das Bemühen, von dem Anderen so verstanden zu werden, wie man sich selbst begreift‘, könne ein gegenseitiges Verständnis unter Bewahrung der eigenen Identität ermöglichen.

In seinem Beitrag geht Philipp Thull auf die Frage nach Blasphemie und Häresie aus christlicher Sicht ein. Im ersten Abschnitt erläutert er den Umgang mit der Gotteslästerung im Alten und Neuen Testament. Während dem Gottesfrevler in vorchristlicher Zeit noch die Todesstrafe drohte, verlagerte die junge christliche Gemeinde das Problem dem evangelischen Anspruch entsprechend auf die eschatologische Ebene und überließ das Urteil allein Gott. Der Zorn Gottes trifft aber, wie Thull aufzeigt, am Ende jenen Menschen, der sich in seiner Freiheit von der göttlichen Liebe abwendet. Im zweiten Abschnitt bespricht Thull schließlich die Häresie aus christlicher Sicht und analysiert beispielhaft die christlichen Häresien des Gnostizismus, des Marcionismus und Montanismus.

Elhakam Sukhni behandelt in seinem Beitrag die Frage nach Blasphemie und Häresie aus islamisch-koranischer Sicht. Er gibt einen allgemeinen Einblick in die Problematik der Häresie und Blasphemie im Islam. Dabei werden exemplarisch die bedeutendsten bzw. bekanntesten Fälle angeschnitten. Grundlegend sind die Aussagen im Koran zu dieser Thematik, wobei sich in vielen Fällen aus dem Koran nur indirekt ableiten lässt, was häretisch oder blasphemisch ist und tatsächlich zur Folge hat, dass jemandem der Glaube abgesprochen werden kann. So geht Sukhni exemplarisch auf Stellen im Koran ein, deren Auslegung unter Muslimen zu Meinungsverschiedenheiten geführt haben, ohne jedoch den Anspruch zu erheben, eine vollständige Analyse zu liefern.

In ihrem Beitrag zeigt Ulrike Elsdörfer, dass frühe Schichten der Bibel Vorstellungen vom Zusammenleben von Männern und Frauen beinhalten. Frauen haben ihre Rollen als Mutter und Ehefrau, manche treten öffentlich auf. Frauen sind Weggefährtinnen Jesu, sind Leiterinnen von Gemeinden – die Bibel beschreibt Frauen typologisch und als individuelle Personen. Elsdörfer weist nach, dass die frühe und mittelalterliche Kirchengeschichte durchzogen wird von spirituellen Bemühungen um eine jeweilige zeitnahe Interpretation der Botschaft Jesu: Die Welt durch eine bewusste geistliche Lebensweise vorbildhaft zu gestalten war ein Anliegen von Männern und Frauen. Katholische Orden prägten ihren religiösen Stil und ihre Theologie über Jahrhunderte. Frauen hatten und haben daran einen Anteil. In der Gegenwart gleichen Frauen in den Kirchen ihren Zeitgenossinnen in anderen gesellschaftlichen Umfeldern. Frauen arbeiten in den Kirchen oder sie gestalten sie ehrenamtlich mit. Fragen nach Rechten, Akzeptanz und Gleichstellung von Frauen in zahlreichen Rollen und Arbeitsfeldern prägen das Bild. Einen eigenen theologischen Ansatz bietet nach Elsdörfer die feministische Theologie mit ihren verschiedenen Ausprägungen. Im vorliegenden Beitrag werden Erkenntnisse aus der Frauen-Forschung zur Bibel aufgenommen.

Khola Maryam Hübsch beschäftigt sich mit dem Menschenbild im Islam und beschreibt, wie der Islam über die Entwicklung des natürlichen Zustands des Menschen zu einem moralischen Wesen eine Vervollkommnung des Menschen unabhängig seines Geschlechtes anstrebt. Es wird herausgearbeitet, dass der Koran immer wieder die Gleichwertigkeit von Mann und Frau betont und alle Menschen gleichermaßen auffordert, ein moralisch integeres Leben in Verantwortung vor Gott und der Schöpfung zu leben. Explizit werden Koranverse behandelt, die sich mit dem Verhältnis von Mann und Frau beschäftigen und deutlich machen, dass der Koran einen würdevollen, mitmenschlichen und respektvollen Umgang anmahnt. Betont wird die Wichtigkeit der historischen Kontextualisierung für die Interpretation bestimmter Koranverse, die als frauenfeindlich missverstanden werden. Argumentiert wird, dass die koranische Botschaft über die Egalität von Mann und Frau eine revolutionäre Umwälzung in der patriarchalischen Stammeskultur des Arabiens im 7. Jahrhundert darstellte und der Geist dieser progressiven Lehre der Geschlechtergerechtigkeit nicht vergessen werden darf, wenn man den Koran interpretiert. Abschließend wird auf die fruchtbare Bedeutung des islamischen Menschenbildes für den interreligiösen Dialog verwiesen, indem Koranverse und Überlieferungen des Propheten angeführt werden, die die Gleichheit und Verbundenheit aller Menschen herausstellen.

Thomas Schirrmacher geht in seinem Beitrag auf das Verhältnis des Christentums zu den Menschenrechten ein. Es würde vielen religiösen Menschen weltweit helfen, wenn sie weniger den säkularen, und damit für sie eher bedrohlichen Charakter der Menschenrechte sehen würden, als mit dem Juden- und Christentum bei der Autorisierung der Menschenrechte durch den Schöpfer und der Verankerung der Menschenrechte im Geschaffensein durch Gott einzusetzen. Menschenwürde und Menschenrechte sind im Wesen des Menschen als Geschöpf Gottes begründet. Der Staat schafft die Menschenrechte deswegen nicht, sondern er formuliert und schützt sie nur. Schirrmacher vertritt die Auffassung, dass das Christentum – mit einer gewissen Ausnahme der großen orthodoxen Kirchen – sich am leichtesten von allen Religionen mit dem über den Religionen stehenden und säkularen Charakter der Menschenrechte tut.

In drei Schritten thematisiert Mohammad Razavi Rad in seinem Beitrag die Frage nach den Menschenrechten aus islamischer Sicht. Während er zunächst die grundsätzliche Stellung des Menschen im Islam herausstellt, geht er in einem zweiten Abschnitt auf die Grundrechte des Menschen ein. Dabei analysiert er beispielhaft das Recht auf Leben, Freiheit und Bildung. Diese Rechte bilden seiner Ansicht nach die drei Säulen der Grundrechte insgesamt, die alle weiteren Rechte untermauern. Im letzten Abschnitt bespricht Razavi Rad schließlich das Wechselverhältnis zwischen Religion und Demokratie. Dabei vertritt er die Auffassung, dass beide, Religion und Demokratie, in einem dialogischen Verhältnis zueinander stehen und in Verbindung zu einem dialogischen Weg der Verständigung führen können.

Die Liebe aus biblisch-christlicher Sicht wird in dem Beitrag von Reinhard Kirste behandelt. Unter den Gesichtspunkten einer von Gott zugesagten Liebe geben die ausgewählten Texte nach Kirste einen Einblick in unterschiedliche Liebesverständnisse. Diese unterliegen durchaus zeitlichen und gesellschaftspolitischen ‚Gemengelagen‘. Das machen die jeweiligen biblischen Texte gerade in ihren jeweiligen Zuspitzungen deutlich. Bei aller Unterschiedenheit und großen zeitlichen Differenz aber gibt es eine gemeinsame Zielrichtung: Von Deuterojesaja bis zu den johanneischen Traditionen bedeutet ‚Liebe‘ einen grundlegenden Zusammenhang, eine intensive Korrelation von Gott und Mensch. Am deutlichsten wird das nach Kirste bei Johannes: „Wo die Liebe ist, da ist auch Gott“ (1 Joh 4,16). Diese Liebe gilt es zu üben, weil Gott zuerst geliebt hat und den Menschen herausruft aus seinem bisherigen Leben. Das daraus erwachsende Handeln verbindet sich nach Kirste mit der Forderung nach Gerechtigkeit und der Suche nach der Wahrheit. Es ist ein glaubendes Gottvertrauen auf einem Weg, der im Tun der Liebe sinnliche Erfahrungen von Freude, Geborgenheit und innigem Zueinander bewusst mit einschließt.

Merdan Güneş thematisiert in seinem Beitrag die Frage nach der Liebe aus islamisch-koranischer Sicht. Dabei stellt er fest, dass die Liebe im islamischen Kontext immer einen Bezug zu Gott hat, dem Schöpfer, der alles mit Liebe und Barmherzigkeit erschaffen hat. Die Liebe sei daher die treibende Kraft und der Grund alles Seins im Universum. Güneş zeigt, dass das koranische Konzept den Anspruch hat, die gesamte Natur und die Beziehungen der Menschen unter den Gesichtspunkt der Liebe zu stellen. Nach Güneş ist die Liebe nicht nur ein zentraler Begriff im Koran und in der islamischen Glaubenslehre, sondern auch der Kern aller abrahamischen Religionen. In diesem Sinne ist Allah Gott der Liebe und Barmherzigkeit und Mohammad Prophet der Liebe und Barmherzigkeit. Seine Botschaft ist nach Güneş die Liebe, seine Aufgabe, den Menschen die Liebe zu Gott und seinen Geschöpfen nahe zu bringen. Im Islam sollen der Glaube und der Gehorsam demnach auf der Liebe basieren. Die Liebe ist daher nach Güneş nicht nur die Grundlage für die Beziehung zwischen Mensch und Gott, sondern für alle Beziehungen des Menschen. Der Vorrang von Respekt und Toleranz in jeder Lebenslage wird somit für den Verfasser als direkte Konsequenz aus einem solchen ganzheitlichen Konzept der Liebe angesehen. Dieser Ansatz trägt nach Güneş zum besseren Verständnis des Islams bei, bietet eine Orientierung im europäischen Kontext und leistet so einen Beitrag zum Dialog zwischen den abrahamischen Religionen.

Ahmad Ginaidi geht in seinem Beitrag der Frage nach Begriff und Inhalt des Dschihad nach. Er moniert, dass dieser Ausdruck in europäisch-westlichen Hemisphären und in vielen interreligiösen Debatten eine Interpretation erfährt, die den Islam als kriegerische Religion darstellt. Auf dieser Grundlage analysiert Ginaidi das Konzept des Dschihad aus der Sicht des Korans. Er zeigt auf, dass dieser dem Inhalt nach Ausdruck des Wahren und Guten auf dem Wege der Selbstüberwindung und innerer Anstrengung bedeutet. Ginaidis Meinung nach handelt es sich um die Verfeinerung der Sittlichkeit im menschlichen Leben. In diesem Schlüsselbegriff sieht Ginaidi die Möglichkeit eines echten christlich-islamischen Dialogs, wobei der Dialog voraussetzt, Konvergenzen wie Divergenzen gleichermaßen in Betracht zu ziehen, ohne sie gegeneinander ausspielen oder aufeinander reduzieren zu wollen.

Hermann-Josef Scheidgen führt in die Dimensionen des Fundamentalismus ein. Dabei zeigt er, dass Fundamentalismus nicht allein ein religiöses Phänomen darstellt, sondern eine anthropologische Verankerung besitzt. Er unterteilt den Begriff des ‚Fundamentalismus‘ in eine negative und eine positive Form, die sich ausschließen. Scheidgen zeigt, dass derartige Tendenzen in allen Wissenschaften und ihren Zweigen nachweisbar sind und ein erhebliches Hindernis der Kommunikation nicht nur innerhalb der Kulturen darstellen, sondern auch zwischen den Traditionen.

Martin Tamcke beschäftigt sich mit dem Neben- und Beieinander christlicher und islamischer Mystik zunächst aus der Perspektive des beiden gemeinsamen Ursprungsraumes im Orient. Nach Benennung der bekannten parallelen Phänomene und gegenseitigen Wahrnehmungen, stellt er die Mystik beider Religionsgemeinschaften vor, die in vielfacher Weise die Tendenz zur Grenzüberschreitung entwickeln. Wie die Frage der Vereinbarkeit beider Wege sich stellte, so auch die, wie es beide Wege in ein und demselben Menschen miteinander aushielten, wenn etwa Thomas Merton in sein Lebenskonzept sowohl sufische als auch christlich-mystische Impulse aufnahm. Im Gegensatz dazu reagierten Vertreter beider Seiten ausgesprochen zurückweisend und die andere Seite herabsetzend, sofern sie deren Weg als in Konkurrenz zu dem eigenen empfand. Zuletzt zeigt Tamcke, dass sich der mystische Weg einerseits als Vertiefung exklusiv nur im Blick auf den religiösen Weg einer Seite erweist, andererseits auch als Beförderung der Gemeinsamkeit hinter dem Trennenden, also in der sowohl transkulturellen als auch interkulturellen Interaktion.

Wolfgang Gantke unternimmt den Versuch, verschiedene Wege von der Theorie zur Praxis der Toleranz aufzuzeigen, wobei der Schwerpunkt auf das Scheitern vieler Toleranzkonzeptionen in der Praxis gelegt wird. Angesichts des tiefen Grabens zwischen Theorie und Praxis in der Toleranzfrage, insbesondere vor dem Hintergrund der gewaltförmigen Wiederkehr der Religion, wird gefragt, ob all die gutgemeinten Toleranz- und Dialogbemühungen nicht doch zum Scheitern verurteilt sind. Es gibt mächtige Kräfte in allen Kulturen, die offenbar keinerlei Interesse am Dialog, an gegenseitiger Toleranz und am Verstehen anderer Kulturen haben. Ohne eine Auseinandersetzung mit der politischen Machtfrage dürfte eine Lösung des Toleranzproblems nicht möglich sein. Der sich gegenwärtig fundamentalistisch zuspitzende ‚Kampf der Kulturen‘ lässt die ‚Machtvergessenheit‘ vieler rationalistischer Dialog- und Toleranzkonzeptionen deutlich vor Augen treten. Aber auch Beiträge, die sich kritisch mit der Machtfrage auseinandersetzen, bleiben wirkungslos, solange sich das Bewusstsein der wenigen mächtigen Verantwortungsträger, die letztlich über Krieg oder Frieden entscheiden, nicht ändert. Die jüngsten Entwicklungen im interkulturellen Kontext, etwa der unselige Karikaturenstreit, in dem sich die Fronten weiter verhärten, geben wenig Anlass zur Hoffnung. Was aber wäre die Alternative zum Dialog der Religionen, der für einige Kritiker alltagspraktisch bereits gescheitert ist? Trotz der unerfreulichen Entwicklungen kann immer wieder daran erinnert werden, wie eine ideale Dialogsituation aussähe und dass es durchaus eine gemeinsame Basis aller Religionen gibt, die als Ausgangspunkt für einen gelingenden Dialog dienen könnte: die Anerkennung des Heiligen. Es ist diese Übereinstimmung im Grundsätzlichen, die gegenseitige Toleranz trotz der Anerkennung bleibender Differenzen ermöglichen könnte. Die interkulturelle Diskussion um das Heilige zeigt allerdings, wie schwierig es für Nichtgläubige ist, die Position von Gläubigen zu verstehen und umgekehrt. Hier könnte eine größere Toleranzbereitschaft einen Dialog ermöglichen, in dem nicht nur versucht wird, die eigene Position durchzusetzen.

Interreligiöse Toleranz

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