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Von Hunger zu Übergewicht

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Nach Jahrhunderten, in denen Nahrungsmittelknappheit eher die Regel als die Ausnahme war, leben zumindest die Bewohner der hoch entwickelten Industrieländer heute in einem realen Schlaraffenland, in dem Essen – für die allermeisten – jederzeit in jeglicher Variation zur Verfügung steht. Gebratene Hühner fliegen einem zwar immer noch nicht direkt in den Mund, werden aber von Lieferdiensten bis an die Haustür gebracht.


Erster Weltkrieg: Die Fotografie zeigt Sozialarbeiter bei der Essensausgabe an Kinder auf einem Schulhof in Berlin.


„Kleines Festessen“ beim Adel, ein Werk von Lucas van Valckenborch.

Die Ernährungsverhältnisse stehen im 21. Jahrhundert gewissermaßen auf dem Kopf: Ein ausgemergelter Körper ist zum Schönheitsideal der Überflussgesellschaft geworden. Zugleich zeigt die Volkskrankheit Übergewicht, dass die Wenigsten bereits verinnerlicht haben, dass sie nicht mehr auf Vorrat essen müssen. Die bittere Erfahrung des Mangels ist immer noch tief in die DNA der Menschen eingeschrieben, und ohne bewusstes Dagegenhalten greifen wir nach allem Essbaren, was an unserem Wege liegt.

Eine andere Umkehrung betrifft Speisen und Gerichte. Wenn alles, was einmal exklusiv war, jetzt für jeden zugänglich ist, wo ist dann die neue Exklusivität? Plötzlich werden ehemalige Armenspeisen zu Modegerichten, wie das Bircher-Müsli, die moderne Variante des einstigen Getreidebreis aus Haferschrot, Wasser und Salz. Auch dunkles Vollkornbrot aus Roggen oder Gerste, Renner in den Biobäckereien angesagter Stadtviertel, wurde einst von den besser Gestellten verschmäht. Sie bevorzugten weißes Weizenbrot oder gleich feines Gebäck, wie das der französischen Königin Marie Antoinette zugeschriebene Zitat erkennen lässt, die den darbenden, revolutionär gesinnten Massen zugerufen haben soll, sie sollten doch Brioche essen, wenn sie kein Brot hätten. Ob der in Rousseaus „Confessions“ zitierte Ausspruch authentisch ist oder nicht, sei dahingestellt.

Die Zukunft der Ernährung

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