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Frankreichs Abstieg im reichsständischen Deutschland: das Beispiel Kurtrier

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Die durch die rücksichtslose Politik Ludwigs XIV. bedingte Abkühlung des französischen Verhältnisses zu den Reichsständen läßt sich exemplarisch am kurtrierischen Beispiel illustrieren. Der 1676 im strategisch wichtigen Trier an die Macht gelangte Kurfürst Johann Hugo von Orsbeck war anders als sein Vorgänger, Karl Kaspar von der Leyen90, Frankreich sehr zugetan91. Diese Neigung wurde ihm aber von Ludwig XIV. nicht mit gleicher Münze heimgezahlt. Denn der politische Stil, den Frankreich seinen Nachbarn gegenüber pflegte, hatte sich unter Kriegsminister Louvois grundlegend gewandelt: Die Politik der diplomatischen Einflussnahme war durch eine brüskierende Machtpolitik ersetzt worden. Die kurtrierischen und speirischen Besitzungen Orsbecks gerieten seit Januar 1680 in das Visier der Reunionspolitik Louvois’. Die Hauptansatzpunkte zur Forderung nach kurtrierischem oder stiftsspeirischem Besitz fand die französische Justiz in den gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen diesen Sprengeln und Metz und Verdun, die 1648 gegen den Protest der römischen Kurie zu voller Souveränität an Frankreich abgetreten worden waren. Der Regensburger Stillstand vom 15. August 1684 änderte nur die Logik der französischen Expansionspolitik, ohne ihr selbst das Ende zu bereiten. Der logische Bezugspunkt ihrer juristischen Argumentation war nun nicht mehr die Zugehörigkeit der reunierten Gebiete zu den Zessionen der Jahre 1648 und 1679, sondern die Abhängigkeit von den in Regensburg auf zwanzig Jahre reichs- und völkerrechtlich anerkannten Reunionen. Die nach August 1684 nicht eingestellte, sondern in bescheidenerem Stile fortgeführte französische Expansionspolitik im Rheinland und im Moselgebiet führte bis 1688 dazu, dass etwa die Hälfte des zwischen beiden Flüssen gelegenen Gebietes von Frankreich „reuniert“ wurde. Der Pfälzische Krieg trug dann jedoch zu einem Umschwung in der Politik des Trierer Kurfürsten Orsbeck bei. Der Kurfürst lehnte 1688 eine Neutralisierung von Ehrenbreitstein und Koblenz ab, und die Franzosen besetzten im Oktober das vier Jahre zuvor von ihnen entfestigte Trier. Das Resultat dieser aggressiven französischen Politik gegenüber Kurtrier, das in der Deutschlandpolitik Richelieus einen zentralen Platz eingenommen und die Legitimation zur französischen Intervention in den Dreißigjährigen Krieg geboten hatte, war dauerhaft: Während die Kurfürsten und ihre Ratgeber einst, abgesehen von der Parteinahme im Holländischen Krieg gegen Ludwig XIV., zu den wichtigsten Stützen der französischen Diplomatie im Reich gehört hatten, lehnte der Trierer Kurfürst nun jede Versöhnung mit Ludwig XIV. rundweg ab92. Auch nach der Rückgabe der reunierten Gebiete im Frieden von Rijswijk 1697 änderte Kurtrier seine Haltung nicht, trat im Spanischen Erbfolgekrieg auf die Seite der Seemächte93 und geriet nach der Abtretung der Spanischen Niederlande an die Wiener Habsburger vollends in das Fahrwasser der kaiserlichen Politik. Die Grundlagen dazu wurden jedoch von Ludwig XIV. selbst gelegt, nämlich in der Dekade von 1678 bis 1688.

WBG Deutsch-Französische Geschichte Bd. IV

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