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Ein Blick zurück in das Bernsteinzimmer von Zarskoje Selo

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Um nicht im Trubel und Palaver einer schnellen und kurzen Massenbesichtigung des Bernsteinzimmers zu ersticken, gehen wir unseren eigenen Gedanken nach und rekapitulieren in abstrakten Gedankengängen noch einmal die Schönheit dieser mit Bernstein bedeckten Wände. Wir erinnern uns dabei an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg als dieses Kunstobjekt Bernsteinzimmer noch nicht von deutschen Kunsthistorikern geschändet wurde.

Um einen umfassenden Blick über dieses Zimmer zu erreichen, stellen wir uns so in das Bernsteinzimmer, dass wir von der Westwand aus einen guten Überblick über den Raum gewinnen.

Rastrelli entwarf zunächst ein Projekt für die Verzierung der Fensterwand des Saals, die auf den Paradehof hinausging und keine Wandverkleidung aus Bernstein vorsah. Dadurch löste der Baumeister das Problem der nicht ausreichenden Bernsteinpanneaus. An die Pfeiler zwischen den Fenstern brachte er hohe Spiegel in prächtig geschnitzten und vergoldeten Rahmen an, die von ovalen Gemäldeeinsätzen gekrönt waren. Dadurch wurde der Raum einerseits visuell verbreitert und besser ausgeleuchtet, und andererseits – durch die völlige Abdeckung der Wandflächen mit Ausstattungselementen, die dem Dekor der anderen Säle der Goldenen Enfilade entsprachen – dem Gesamtbild angepasst.“ (1)

Wenn wir jetzt von der Westwand in den Raum sehen, fällt unser Blick direkt über die Replik (2) des in hoher Qualität gegossenen Reiterdenkmales Friedrich des Großen in seiner mattgrünen für Interieurbronzen charakteristischen Patina, zur Flügeltür in der Ostwand, über die eine barocke Supraporte angebracht wurde. Diese barocke Supraporte unterscheidet sich insofern von den zwei anderen vergoldeten Supraporten über die Flügeltüren in der Nord- und Südwand, weil sie nur aus Bernstein bestand. Es war eine Bernsteinsupraporte die gemeinsam mit den anderen barocken Teilen aus dem Bernsteinkabinett Friedrich I. nach Russland geliefert wurde. Um sie passfähig über die Flügeltür der Ostwand anzubringen, wurde sie durch Rastrelli erweitert.

Jetzt konzentrieren wir uns vorrangig auf die linksseitig liegende Nordwand und auf die rechtsseitig liegende Südwand. Beide Wände unterscheiden sich grundsätzlich von der Ostwand.

Uns fallen sofort die beidseitig großen drei Bernsteinpanneaus auf, die jeweils über einen Sockel aus Bernsteinpaneelen angebracht wurden. Die verspiegelten Pilaster, die zwischen den großen Bernsteinpanneaus zu sehen sind, wurden mit schmalen vergoldeten Leisten umrahmt. Beeindruckend sind in diesem Bereich die oberhalb der Spiegelpilaster angebrachten „Büsten schöner Mädchen aus verschiedenen Ländern der Welt“. In halber Höhe „schmücken“ dreiarmige Wandblaker (Leuchter) diese Pilasterspiegel. Auf jedem dieser Leuchter sitzt ein „Bronzepapagei“. Die Idee dort einen Papagei zu platzieren ist beeindruckend.

Es gab im Bernsteinzimmer 24 Pilasterspiegel sowie 24 Bronzepapageien und 24 vergoldete dreiarmige Bronzeleuchter. Die 24 Pilasterspiegel ruhten auf 24 Bernsteinpaneele.

Die drei beidseitigen großen Bernsteinpanneaus und die Pilasterspiegel an der Nord- und Südwand „werden oben von einem vergoldeten geschnitzten Karnies begrenzt“. Das Karnies hatte die Bedeutung nicht nur die mit Bernstein vertäfelten Wände sondern gleichsam die Spiegelpilaster von dem darüber liegenden breiten bernsteinartig bemalten Fries zu begrenzen. Das Karnies verlief oberhalb der Pilasterspiegel und zwar in der Höhe über die angebrachten Büsten mit den schönen Mädchen aus der ganzen Welt.

Dadurch ergab sich für das wahrnehmbare Auge des Betrachters ein kunsthistorisch einmaliger Übergang zum bemalten Fries der bis zum Deckenbogen reichte. Dieser Deckenbogen wiederum umrahmte den Plafond, das Deckengemälde.

Wenn wir diesen ersten Gesamteindruck gewonnen haben, lohnt es sich etwas näher auf die Einzelheiten, die wir in der Nord- und Südwand sehen können, einzugehen.

Die beiden größten barocken Bernsteinpanneaus (3,6m hoch und 1,7 m breit) aus dem Bernsteinzimmer, die sich in der Süd- und Nordwand befanden, wurden jeweils mittig angebracht. Auf dem unteren Teil dieser beiden größten Bernsteinpanneaus sehen wir rechteckige reliefartige Bernsteinrahmen. Darin befinden sich vergoldete Bronzerahmen mit denen die Allegorien der florentinischen Steinmosaike umrahmt sind.

Das Mosaik mit der Allegorie vom „Sehen“ ist in dem größten mittig angebrachten Bernsteinpanneau der Nordwand und das Mosaik mit der Allegorie vom „Tast- und Geruchssinn“ in dem größten mittig angebrachten Bernsteinpanneau der Südwand zu finden.

Von den vier rechteckigen Rahmen, die es im Bernsteinzimmer gibt, sind die beiden Rahmen in der Nord- und in der Südwand weitaus reicher verziert als die anderen beiden Rahmen in der Ostwand. Keiner kann das besser beschreiben als der Kunsthistoriker Kedrinskij:

Beide Rahmen sind mit Ornamenten, Basreliefs und Skulpturen aus opakem Bernstein, sowie Kameen und Medaillons aus durchsichtigem Bernstein mit eingravierten Motiven geschmückt. Beachten Sie, wie durch die zusätzliche Einrahmung aus gebogenen und in Valuten auslaufenden Korallenzweigen mit jeweils einer Rosette in der Mitte der Volute für den Barock charakteristische Konturen geschaffen wurden, die einen stufenweisen Übergang vom hohen Relief des Rahmens zum flachen Hintergrundmosaik des Panneaus bewirken.“ (2)

Der zwei Meter hohe Wandfries im Bernsteinzimmers in Zarskoje Selo wurde mit Ölfarben in der Art eines Bernsteinmosaiks bemalt. Dieser Fries war mit geschnitzten und vergoldeten Rahmen verziert, in deren Mitte drei-, fünf- und siebenarmige Leuchter angebracht wurden. Zwischen diesen Leuchtern sind oberhalb des Karnies in der Mittelachse der darunter liegenden Spiegelpilaster Putten angeordnet.

Im Dezember 1941 gehörte diese kunsthistorische Betrachtung der Vergangenheit an. Sie wurde erst wieder möglich als im Jahre 2003 das alte Bernsteinzimmer aus Zarskoje Selo rekonstruiert wurde.

Stellen wir jetzt den Vergleich an und prüfen den Sachverhalt, wie und unter welchen Umständen sich die Schönheit des Bernsteinzimmers aus Zarskoje Selo veränderte, nachdem von dort 144 Teile in Zimmer 37 des Königsberger Schlosses zur Ausstellung gebracht wurden.

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1. Das Bernsteinzimmer. Drei Jahrhunderte Geschichte. Teilabschnitt: Das Bernsteinzimmer im Katharinenpalast von Zarskoje Selo, Seite 127. Autoren: A.A. Kedrinskij und N.S. Grigorowitsch.

2. Eine kunsthistorische Betrachtung von A.A. Kedrinskij in „Jantarnaja komnata tri veka“ und „Das Bernsteinzimmer - Drei Jahrhunderte Geschichte“. zum Thema „Der Triumpf der Kunst“.

Für einen kunsthistorischen Laien eine exakte Begriffsbestimmung, die nur im Vergleich mit einer genauen visuellen Betrachtung verständlich wird.

Anmerkung

Unter der Webadresse;

http://www.tzar.ru/a-e/content/images/1.1.jpg

ist in englischer Sprache „General view oft he Amber Room. Photo of 1910“ eine Aufnahme zu finden, die in Übereinstimmung gebracht werden kann mit einer gleichwertigen Aufnahme (dem Motiv entsprechend) die im Buch von Woronow und Kutschumow „Jantarnaja komnata“ , ISBN 5-7370-0176-8 in russischer Sprache aus dem Jahr 1917 klassifiziert wird und in dem Buch auf Seite 146 veröffentlicht wurde.

Das Besondere an diesen Aufnahmen ist die Tatsache, dass die Replik des Reiterdenkmals mit Friedrich dem Großen noch in vollkommener Größe mit Piedestal abgelichtet wurde. Die Ablichtung dieser Aufnahmen ermöglicht einen Blick auf die Südwand. Im Vergleich der Aufnahmen die einmal mit der Jahreszahl 1910 und einmal mit der Jahreszahl 1917 datiert wurden gibt es keinerlei Unterschiede. Das trifft auch im Vergleich dieser beiden Schwarz-Weiß-Aufnahmen für die Farbaufnahme zu, die um 1930 fotografiert wurde.

Das Schicksal des Bernsteinzimmers

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