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FÜNF

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Dröhnende Musik empfing Conny. Obwohl der Einlass soeben erst angefangen hatte, war es in dem begrenzten Raum stickig, wie in einem feuchten Zweimannzelt. Bislang war die Tanzfläche leer. Daneben standen einige Tischgruppen, wobei die meisten Plätze davon besetzt waren. Die Sitzgelegenheiten erwiesen sich als Objekte der Begierde und die Gäste steuerten diese regelmäßig zuerst an. In der Regel fingen die ersten Furchtlosen, nur nach Begrüßung und Aufforderung durch den Schallplattenunterhalter mit dem Tanzen an. Wenn aber alle in Fahrt gerieten, gab es kein Halten mehr. Da wurde gewippt, gehüpft und lautstark mitgegrölt. Am liebste zu englischsprachigen Liedern. Musik mit deutschen Texten war bei den Jugendlichen nicht wirklich beliebt. Westmusik zogen diese eindeutig dem Ostrock vor.

An der Theke im vorderen Raum des Klubs tummelten sich die ersten Trinkwütigen. Noch erstrahlte die reinste Festbeleuchtung. Bei gedämpftem Licht fiel die gesamte Atmosphäre schon etwas intimer aus. Mit einer völligen Abdunkelung war frühestens bei einer langsamen Tanzrunde zu rechnen. Es gab noch den einen oder anderen Jungen, der die Mädchen bei angesagten Schmusewalzern zum Tanzen aufforderte. Conny mochte es nicht sonderlich leiden sich mit Fremden, eng umschlungen im Kreis zu drehen. Einen Korb zu geben fiel ihr allerdings schwer, denn sie war nicht scharf darauf, die Couragierten vor den Kopf zu stoßen. Sie seufzte. Vielleicht rang sie sich doch mal zu einem nein durch. Zuerst würde sie sich jedoch ein Getränk gönnen. Sie schlenderte durch den Klub und stellte sich, an der mittlerweile anwachsenden Schlange, vor der Theke an. Conny schaute sich nach ihren Freunden um. Sie sah eben noch Hanna auf der Toilette verschwinden und auch die beiden Jungs tauchten in der wogenden Menge unter. Ein Jugendlicher in einem Fleischerhemd und einer kopierten Boxer Jeans rief Andreas lautstark meckernd hinterher. „Eh Kröte, halbe Flasche „Polar“ über den Kopf gegossen. Meinst wohl damit kannst du bei den Perlen punkten?“

Der Rest seines Zurufes verhallte im Getümmel und war nicht mehr zu hören. Sie grinste wegen der gehörten Bemerkung. Ihr war gar nicht geläufig, dass Andreas einen Spitznamen hatte. Na ja, keine Ahnung, wie das zustande kam. Er hatte eine Menge Bekannte auch außerhalb des Heimes. Durch seine unkomplizierte Art kam er mit den unterschiedlichsten Typen ins Gespräch und war mit einigen befreundet. Das Publikum im Klub war gemischt. Hier hingen Kinder aus dem „Clara Zetkin“ genauso wie die Jugendlichen aus der Umgebung rum. Von denen wurden sie oft überhaupt nicht beachtet und links liegengelassen. Vielleicht ein Vorurteil gegenüber Heimkindern, hervorgerufen durch die Eltern? Die meisten der Einheimischen gaben sich klein kariert und hielten Kinder, die ohne Mutter und Vater aufgewachsen sind, genauso wie Familien mit mehr als vier Sprösslingen, für Asoziale. Das empörte Conny regelrecht, denn natürlich waren alle aus ihrem Heim weder verwahrlost noch gesellschaftsschädigend.

Sie war der Meinung, dass sie bei Begegnungen mit den Ortsansässigen in deren Verhalten eine gewisse Unsicherheit und Verlegenheit erkannte. Vielleicht war denen nicht klar, dass es verschiedene Gründe gab, weshalb Kinder in einem Heim aufwuchsen. Die Mehrheit dieser Leute war sicher der Meinung, dass alle Schutzbefohlenen aus einem zerrütteten Elternhaus kamen und entsprechend auch heute noch absolut verwildert waren. Ob von denen bisher keiner davon gehört hatte, dass man Kinder ihren Eltern ebenso eigenmächtig wegnahm? Es gab Fälle, da war der Staat der Meinung, dass dieser Schritt besser für das Wohlergehen der jeweiligen Mädchen oder Jungen sei. Da hatte kein anderer ein Mitspracherecht. Beziehungsweise wie bei ihr selbst, wo das Elternpaar tödlich verunglückt war. So etwas suchte man sich doch nicht aus, erst recht nicht als Kind. Was würde jedes Einzelne von ihnen für ein eigenes Zuhause geben? Auch wenn die Erzieher sich täglich bemühten, kamen Liebe und Geborgenheit oft zu kurz und waren nicht vergleichbar mit der Zuneigung durch die leiblichen Eltern.

Conny hatte absolut kein Verständnis für die ablehnende Art, die ihnen ihre Mitmenschen entgegenbrachten. Natürlich hatten nicht alle Menschen ein Problem mit den Heimkindern.

Die Schulklassen waren gemischt. Sie bestanden sowohl aus ortsansässigen sowie aus Kindern aus dem Heim. In der Schule entwickelten sich mit der Zeit ganz normale Freundschaften. Dennoch hielten viele der alteingesessenen Familien Distanz. In den seltensten Fällen gab es deshalb auch Einladungen von Schulfreunden in deren Zuhause. Ob das nur ein Phänomen vom Land war? Conny rätselte, ob die Mentalität in der Großstadt eventuell eine andere sei. Aber das würde sie heute nicht mehr herausfinden. Jetzt hatte sie Lust zum Tanzen und Feiern. Zwischenzeitlich war sie am Tresen angekommen und Tobi der Barmann strahlte sie mit leuchtenden Augen an. Da Conny mittlerweile zu den Stammgästen im Klub zählte, kannten sie sich vom Sehen.

„Hallo, schön dass du da bist. Was kann ich dir zu trinken anbieten?“

„Die Frage ist ja wohl eher, was habt ihr auf Lager?“

„Na noch sieht´s erfreulich aus. Zu fortgeschrittener Stunde besteht die Gefahr, dass es eventuell zu Engpässen kommt. Unter den Umständen werde ich bei den Zutaten wieder improvisieren müssen und meiner Kreativität freien Lauf lassen. Dabei entstehen die wildesten Mischungen und die sind nicht die Schlechtesten. Also worauf hast du Lust?“

„Ich fange mal mit was Süßem an. Misch mir mal bitte das Getränk mit dem komischen Namen.“

Tobi schaute sie fragend an. „Na ja, es gibt so manche seltsame Bezeichnungen wie Grüne Wiese, blonder Engel oder Havanna Mädchen.“

„Keine Ahnung wie die Mixtur hieß. Du hast mir das letzte Mal Eierlikör mit Kirschlikör gemischt. Wie nennst du das noch mal?“

Wie Conny die Zutaten aufzählte, erhellte sich Tobis Gesicht und er nickte zustimmend.

„Ach so, du meinst ein Blutgeschwür. Das ist wirklich ein megasüßes Zeug. Ein echtes Mädchengetränk. Kommt sofort.“

Mit der linken Hand schnappte er sich ein bauchiges Glas mit Stil. Hinein kippte er fast bis zum Rand Eierlikör, der wie dicker gelber Mus aus der Flasche tropfte. Im Anschluss gab er darauf in ähnlicher Menge einen Schuss Kirschlikör. Mit einer routinierten Handbewegung und angedeuteter Verbeugung stellte er das Gemisch vor Conny ab.

Die strahlte über das ganze Gesicht und schob ihm das Geld auf den Tresen.

„Danke und bis später.“

Sie schnappte sich ihr Glas und steuerte auf den Tisch zu, an dem sie ihre Freunde entdeckt hatte. Andreas stach mit seiner Körpergröße von einem Meter neunzig selbst im Sitzen aus der Menge hervor.

„Da bist du ja endlich. Wo warst du denn?“, empfing Hanna sie fragend. Wie sie das Glas in Connys Hand entdeckte, verzog sie widerwillig das Gesicht.

„Bäh, das hätte ich mir denken können. Wie schaffst du es nur, dieses Gelabber zu trinken? Das klebt doch alles zusammen.“

Conny grinste und leckte genüsslich mit der Zunge an ihrem Eierlikörgemisch.

Andreas, Jörg und Hanna, die jeder ein Glas Helles vor sich stehen hatten, stießen mit ihr an.

„Auf einen genialen Abend“, schrie Andreas, um die Musik zu übertönen. Nach einem eingehenden Blick an den Nachbartisch fügte er hinzu: „Und das ihr euch ohne mich nicht langweilt, denn ich habe es furchtbar eilig, muss mal kurz weg.“

Zügig trank er noch einen kräftigen Schluck aus seinem Glas und schon hatte er die kleine Blondine vom Nachbartisch, die er vorher einer ausführlichen Musterung unterzogen hatte, zum Tanzen aufgefordert, Mit der rebellischen Vokuhila Frisur und dem Bartflaum sah er aus wie ein Rockstar. Er war ein lustiger Vogel, jederzeit zu einem Spaß aufgelegt und bei den Mädchen durch seine unkomplizierte Art beliebt. Schwierigkeiten quatschte er einfach weg, was mitunter in einem Gesabbel in Endlosschleife endete und gewaltig an den Nerven zerrte.

Mittlerweile hielt es auch die anderen drei Freunde nicht mehr auf ihren Plätzen und die nächsten Stunden verbrachten sie gemeinsam mit tanzen, trinken, lachen und reden. Leider vergingen diese Abende jedes Mal viel zu rasch. Conny sah auf ihre Armbanduhr und seufzte. Es blieb ihnen nur noch eine halbe Stunde, bevor die Musik abgeschaltet und weitere zwanzig Minuten später der Klub schloss. Sie schaute sich um und sah Hanna und Jörg auf der Tanzfläche herumzappeln. Die beiden hatten wirklich viel Spaß miteinander.

Andreas hingegen saß mit seiner neuesten Eroberung am Tisch. Er hatte einen Arm um sie gelegt oder besser gesagt auf ihr abgelegt und redete, ohne Luft zu holen, auf sie ein. Das lag wohl an seinem etwas übermäßigen Bierkonsum. Die Blonde schien das nicht zu stören, denn die himmelte ihn aus glänzenden Kulleraugen an.

Allmählich leerte sich der Klub. Viele der Gäste waren auf den letzten Bus in die umliegenden Ortschaften angewiesen. Conny machte sich auf den Weg, um ein allerletztes Getränk zu holen. In dem Moment fing die abschließende Schmuserunde mit den langsamen Titeln an. Mist die hatte sie total verdrängt. Rasch legte sie einen Schritt zu, um sich am Tresen in Sicherheit zu bringen. Vor ihr standen zwei nicht mehr ganz so nüchterne Mädchen, die mit Tobi flirteten, als ob es dafür eine Medaille zu gewinnen gäbe. Er genoss das an ihm gezeigte Interesse und mischte dabei entspannt die bestellten Getränke. Fieberhaft versuchte Conny, auf sich aufmerksam zu machen, aber Tobi hatte kein Auge für sie.

In dem Augenblick passierte genau das, was sie hoffte, heute Abend nicht zu erleben. Ein angetrunkener Glatzkopf näherte sich ihr mit schlurfenden Schritten. Kurz vor Conny blieb er wie auf Knopfdruck stehen und wankte wie eine Fingerpuppe vor und zurück. Er strahlte sie an und versuchte seine zerknitterte Jacke, mit zerrenden Bewegungen glatt zu streichen. Wie er mitbekam, dass diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt waren, stellte er sie abrupt ein.

Conny lächelte ihn zuvorkommend, aber mit gemischten Gefühlen an. Hoffentlich ließ er sie direkt in Ruhe. Es käme ihr auch sehr gelegen, wenn Tobi endlich mit seinem Balzgehabe aufhören würde. Der Glatzkopf drehte sich um und Conny atmete erleichtert auf. Puh, zum Glück doch der Vertreter harmloser Trottel. Allerdings hatte sie da zu früh gejubelt. Denn im selben Moment kam der Kerl geradewegs zurück. Aber nicht einfach so. Sondern jetzt tanzte er sie beschwingt mit unrhythmischen Bewegungen an. Conny brachte es nicht fertig, sich ein Grinsen zu verkneifen. Das sah der Tanzbär wohl wie eine Art der Zustimmung.

„Komm Püppi, lass uns eine kesse Sohle aufs Parkett legen“, brabbelte er und versuchte mit schwitzigen Fingern ihre Hand zu fassen. Bei diesem hoffnungslosen Exemplar fiel es ihr absolut nicht schwer Nein zu sagen. Was sie trotz des Zustandes ihres Möchtegerntanzpartners, ihm taktvoll klarmachte. Die Absage prallte allerdings an ihm ab und er probierte erneut Conny am Ärmel zupfend mit sich zu ziehen. Langsam merkte sie, wie sie die Geduld verlor, und schubste ihn sanft von sich.

„Ich habe keine Lust, hast du mich gehört?“, zischte sie ihn an.

Der Kerl blieb ruckartig stehen, kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, was ihn regelrecht fies aussehen ließ. In dem Moment, wie er sich Conny wiederholt näherte, wurde er von zwei kräftigen Händen am Kragen seines zerknautschten Sakkos gepackt, herumgedreht und ausgiebig geschüttelt. Mit der Frage: „Was verstehst du nicht an einem Nein?“, und ohne eine Antwort abzuwarten, in Richtung Ausgang befördert.

Conny sog hörbar die Luft ein. Gespannt beobachtete sie die Szene. Wie ihr Retter sich nach seiner Heldentat umdrehte, sah sie in zwei leuchtende smaragdgrüne Augen, die von dichten Wimpern umgeben waren. Sein Alter schätzte sie auf Mitte Zwanzig. Er war mindestens so hochgewachsen wie Andreas, mit sportlicher Figur und einer schmalen geraden Nase in einem markanten Gesicht. Das volle schwarze Haar trug er locker zurückgekämmt. Allerdings hatte sich eine Strähne gelöst, die ihm nach der kurzen Auseinandersetzung mit Connys Kontrahenten, ungewollt in die Stirn gefallen war. Bei diesem für sie makellosem Gesamtbild blieb ihr schier die Luft weg. Ihr Held lächelte sie fürsorglich an und legte eine Hand auf ihren Unterarm. Die Berührung knisterte merklich und brannte sich, wie der Abdruck eines heißen Bügeleisens in ihre Haut. Gleichzeitig versetzte diese sie in eine Art Schockstarre.

„Alles in Ordnung mit dir? Geht es wieder?“

Conny fiel es schwer, sich von dem Anblick zu lösen, und schaute gebannt in seine grünen Augen, welche sie unheimlich faszinierten. Ihre Sprachlosigkeit verwirrten ihren Gegenüber. Nach kurzer Überlegung schlug dieser sich mit der Handfläche gegen die Stirn.

„Oh entschuldige. Ich hab mich ja überhaupt nicht vorgestellt. Also ich bin Lutz. Lutz Tischer.“

Conny ergriff wie in Trance die entgegengestreckte Hand und murmelte ebenfalls ihren Namen. Mittlerweile war Tobi mit seinen Flirtpartnerinnen fertig. Den restlichen Teil der Auseinandersetzung mit dem Betrunkenen war ihm nicht entgangen und er sah Conny besorgt an.

„Soll ich dir einen Schnaps einschenken? Vielleicht einen Wodka?“

Da sie nicht reagierte, übernahm Lutz kategorisch die Bestellung. Unterkühlt freundlich sah er Tobi an.

„Mach uns beiden doch bitte mal zwei Moulin Rouge.“

Der Barmann zog skeptisch eine Augenbraue nach oben und schielte zu Conny. „Bist du sicher, dass du das Getränk wirklich möchtest? Der knallt richtig rein und der Kater am folgenden Morgen ist vorprogrammiert.“ Conny antwortete noch immer nicht. Mit Ungeduld und einem scharfen Unterton in der Stimme sprach Lutz Tobi erneut an. „Bekomme ich bitte meine Bestellung? Gern auch heute noch.“

Der Barmann schaute kurz auf, bevor er emotionslos, aber professionell antwortete.

„Ja klar. Kommt sofort.“

Nachdem die Getränke auf der Theke standen und er bezahlt hatte, schob Lutz eines der beiden Gläser direkt vor Connys Nase.

„So, der hier wird dir guttun. Jetzt lass uns auf den Schreck anstoßen.“

„Na klar, unbedingt. Danke dir für dein hilfreiches Einschreiten. Der Kerl war absolut lästig.“ Scheu lächelte sie ihren Beschützer an.

„Kein Ding, hab ich gern gemacht. Ist doch Ehrensache einer schönen Frau zu helfen.“

Sie prosteten sich zu und Lutz ließ sie dabei nicht aus den Augen. Bei seinem intensiven Blick fingen ihre Knie an zu zittern, wie Wackelpudding in einer Schüssel. Nach einem kräftigen Schluck fand Conny endlich zu ihrer alten Form zurück. Der enthaltene Rotwein in dem Getränk rann ihr wärmend durch die Kehle und lockerte ihre Zunge.

„Ich muss erst kurz verdauen, dass jemand wie du, sich so selbstlos für mich ins Zeug gelegt hat.“

„Was meinst du mit, so jemand wie ich?“ Lutz zog fragend eine Augenbraue hoch. Ja wie meinte sie das eigentlich? Was redete sie hier für Unsinn? Conny grübelte krampfhaft, wie sie aus dieser Nummer wieder herauskam. Lutz´ Anwesenheit brachte sie völlig durcheinander, dass sie nicht mehr klar im Kopf war und nur Blödsinn schwafelte. In solchen Augenblicken war es von Vorteil Freunde zu haben, denn Hanna rettete sie mit ihrem Auftauchen unbewusst aus dieser peinlichen Lage.

„Hab mir schon gedacht, dass ich dich hier finde. Wie ich sehe, bist du auch in überaus gut aussehender Gesellschaft.“ Voller Neugier schielte sie zu Lutz, der gelassen mit einem Arm auf dem Tresen lehnte. Hanna musterte ihn unbekümmert und er hielt dieser äußerlichen Überprüfung lächelnd stand. Das ungenierte Verhalten ihrer Freundin trieb eine zarte Röte auf Connys Wangen. Flugs knuffte sie ihr in die Seite.

„Hanna benimm dich mal. Das ist Lutz. Er hat mir eben einen überaus aufdringlichen Knaben vom Hals geschafft und darauf trinken wir gerade.“

„Ist es das, was ich denke, was ihr da im Glas habt?“ Conny zuckte unwissend die Achseln und schaute fragend zu Lutz.

„Das ist ein Moulin Rouge“, antwortete er.

Hanna schnappte sich Connys Plastiktrinkröhrchen und trank einen tiefen Zug. Dabei drehte sie vor Verzückung die Augen.

„Eh, lass mir noch was übrig“, sagte Conny lachend, da ihre Freundin beinahe das halbe Glas geleert hatte. Diese gab nur unfreiwillig den Trinkhalm frei.

„Der ist so was von lecker.“

„Hab ich gesehen, allerdings steigt der auch ganz extrem in den Kopf.“

„Ich merk nix. Übrigens hab ich mal in ´ner Westillustrierten gelesen, wie man echten Sangria zubereitet. Der Abklatsch hier ist zwar nicht übel, aber in den Originalen Spanischen kommt richtiger Rum rein, nicht so ein zuckriger Pfirsichlikör. Alle Zutaten hab ich nun nicht behalten, diese schon. Am meisten würde ich von dem frischen Obst futtern, welches man da hineinschneidet.“

„Äpfel kannst du auch hier essen“, meinte Conny trocken.

„Wer spricht denn hier von Äpfeln“, erwiderte Hanna genervt. „Einen Apfel gibt´s jeden Tag in der Schulküche. Das ist langweilig. Ich bin verrückt nach saftigen Pfirsichen, fleischigen Orangen oder anderen ausgereiften tropischen Früchten. Am liebsten würde ich mir diese in einem Land, wo die Sonne scheint schmecken lassen und den echten Sangria genießen. Spanien wäre affengeil dafür. Die Insel, die es da gibt, wie heißt die gleich noch mal?“

Fragend schaute sie Conny an. Diese schüttelte bedauernd den Kopf. „Keine Ahnung worauf du hinaus willst.“

„Ach jetzt fällt es mir wieder ein“, plapperte Hanna weiter. „Mallorca, ja genau die Insel, die würde ich mir gern mal ansehen. Sonne, Palmen, blaues Wasser und ´ne Menge schnuckeliger Jungs.“ Sie kicherte. „Hab gehört, da gibt es so eine Strandbutze, wo man Alkohol aus dem Eimer trinkt, mit überlangen Trinkhalmen. Das stell ich mir gerade komisch vor. Klingt aber abgefahren.“

Versonnen schaute sie erst Conny und hinterher Lutz an. Dessen Mundwinkel umspielte ein verhaltenes Lächeln, welches seine Augen allerdings nicht erreichte. Diese musterten sie ausdruckslos. Hanna achtete nicht weiter auf ihn. Auch Conny war durch das Erscheinen ihrer Freundin, von Lutz abgelenkt. Der nutzte den Zeitpunkt der Nichtbeachtung, leerte zügig sein Glas und verabschiedete sich von den beiden jungen Frauen.

„Habt noch einen schönen Abend. War nett, euch kennengelernt zu haben.“ Ohne sich umzudrehen, sich aber den musternden Augenpaaren der zwei Mädels im Rücken bewusst, schlenderte er zwanglos über die Tanzfläche davon.

Verräterische Zeiten

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