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Kapitel 9

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Yussef Aziz stand auf der Brücke seines Containerschiffes und blickte durch sein Fernglas. Die See war die letzten drei Tage ruhig gewesen. Langsam näherten sie sich Le Havre, dort würden seine 4000 Container entladen werden und etwas mehr als 3000 neue kämen wieder an Bord. Von Le Havre aus, musste er dann nach Saint-Nazaire, wo die restliche Ladung an Bord kommen würde. Die Reise führte danach wieder den ganzen Weg zurück. Shanghai war das Ziel, wenn man von ein oder zwei Häfen absah, wo er einige Container entladen musste. Seit mehr als zehn Jahren fuhr er nun diese Route. Er pendelte stets zwischen Shanghai und der europäischen Westküste hin und her. Mal war es Frankreich, mal war es Deutschland. In England hatte er noch selten angelegt. Dieses Mal war es nun erneut Frankreich.

Yussef betrachtete die bretonische Küste, für ihn eine der gefährlichsten Strecken. Die Küste war gespickt von Riffen und kleinen Felseninseln. Man musste schon sehr genau auf die Route achten und die Leuchtfeuer beobachten.

Yussef gehörte noch der alten Garde an. GPS war selbstverständlich auf seinem Schiff installiert, aber er benützte es sehr ungern. Es erfordert kein seemännisches Können mehr so ein Schiff zu steuern, pflegte er immer zu sagen. Früher, ja früher, da brauchte es noch Erfahrung und Aufmerksamkeit, heute war alles beinahe vollautomatisch. Man gab den Kurs ein und brauchte nur noch darauf zu achten, dass einem keine Piraten in die Quere kamen.

Auch wenn der Kurs nicht wirklich so einfach war und ein GPS eine hilfreiche Errungenschaft, aber Yussef Aziz mochte diese Automatik einfach nicht.

Er blickte immer noch auf das Meer und die Küste als der erste Offizier ihm eine Meldung übergab. Yussef dankte ihm und nahm die Notiz zur Hand. Die Nachricht kam vom Reeder persönlich. Wang Lian schrieb, er solle noch weitere Container in Brest an Bord nehmen. Die Hafenmeisterei sei bereits informiert. Die Container enthielten Produkte aus der Bretagne und waren für ein großes Warenhaus in Shanghai bestimmt.

Bestimmt waren es wieder diese «Galettes Bretonnes». Die waren der letzte Schrei in Shanghai. Die Leute waren verrückt nach diesem kleinen bretonischen Gebäck. Aber auch die bretonischen Sardinenkonserven waren ein Renner in China. Die Bretonen hatten scheinbar ausgezeichnete Rezepte, die in China erfolgreich waren. Die Marke «La belle Iloise» war eine der Konservenfabriken, die er bereits kannte, weil er davon schon einige Container nach Shanghai gebracht hatte. Auch er hatte die eine oder andere Konserve probiert. Die «Sardines au Piment» hatten es ihm angetan. Sie waren scharf und schmeckten hervorragend. Daher verstand er durchaus, dass die wohlhabenden Chinesen diese Produkte schätzten.

Yussef Aziz steckte die Notiz ein und dachte nicht mehr lange darüber nach. In den letzten Monaten hatte er öfter Container in Brest laden müssen. Yussef war immer ganz froh, wenn er Station in Brest machen konnte. Die Bucht von Brest war für ihn die schönste Bucht der Welt. Sie war riesig und bei jedem Wetter gut anzusteuern. Geschützt durch die Halbinsel Crozon und durch die enge Einfahrt des «Goulet de Brest» bildete die Bucht einen hervorragenden Naturhafen. In der Bucht konnten tausende von Schiffen gleichzeitig ankern. Die Bucht erstreckte sich über eine Fläche von 180 km2 und zahlreiche kleine Inselchen lagen verstreut darin. Yussef wusste, dass Brest auch Kriegshafen für Frankreich war und dass einige von diesen kleinen Inseln militärisches Sperrgebiet waren. Vor längerer Zeit saß er für fast zwei Wochen in Brest fest, weil ein Motorschaden behoben werden musste. Er hatte damals die Zeit genutzt und sich die nähere Umgebung angesehen. Vor allem die Halbinsel von Crozon stand auf seinem damaligen Besuchsprogramm, weil er sich auch von dort aus, genauer gesagt, von der «Pointe des Espagnols» die Bucht ansehen wollte. Die war sein Ziel gewesen und er schwärmte heute noch von dem großartigen Blick, den man von dort auf die «Rade de Brest» hatte.

Wenn er wieder einmal längere Zeit in der Gegend wäre, würde er sich auch noch die anderen Sehenswürdigkeiten ansehen. Von dem kleinen mittelalterlichen Dorf Locronan hatte man ihm des Öfteren erzählt und auch von der Hauptstadt des Départements Finistère, Quimper. Aber auch Concarneau und seine «Ville Close» wären wunderbare Ziele bei einem entsprechenden Aufenthalt. Doch jetzt näherte er sich erst einmal Le Havre um die 4000 Container entladen zu lassen. Es würde nicht ganz zwei Tage lang dauern das Schiff zu entladen und dann brauchte es noch einmal fast zwei Tage um die neue Fracht aufzunehmen. In vier Tagen würde er dann in Brest sein und einen Tag später in Saint-Nazaire. Es blieben ihm also in Le Havre knapp drei Tage. Er wollte diesmal nach Rouen fahren und sich die Stadt und die Umgebung etwas näher ansehen. Das Ent- und Beladen des Schiffes würde der erste Offizier übernehmen.

Rouen kannte er noch nicht, aber er hatte viel von dieser Stadt gehört. Victor Hugo, einer seiner Lieblingsschriftsteller, soll die Stadt als Stadt der hundert Kirchtürme bezeichnet haben. Er hatte es in einem seiner zahlreichen Reiseführer gelesen. Obwohl zahlreiche Bauwerke, durch die Bombardements während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden waren, soll es heute noch immer an die 2000 Fachwerkhäuser geben.

In seinem Guide Michelin, den er sich für seinen Besuch von Rouen gekauft hatte, wurden eine ganze Reihe von Bauten hervorgehoben, die gotische Basilika Saint-Ouen, die mit ihren 130 Metern Länge sehr imposant sein soll und außerdem eine der größten Orgeln besitzt. Dann sollte er sich unbedingt die Kathedrale ansehen, die Claude Monet zu seinem berühmten gleichnamigen Bilderzyklus inspiriert hatte, mit ihrem imposanten Glockenturm von 151 Metern Höhe.

Yussef wusste jetzt nicht mehr, ob die Kirche Saint-Maclou zwei oder drei Sterne in seinem Guide hatte, aber das war auch nicht so wichtig. Er wusste, dass er sich das über 650 Jahre alte «L’aître Saint-Maclou» ansehen wollte. Dieses Pest-Beinhaus, das 1348 angelegt worden war und das hunderte von Schnitzereien diverser Totentanzszenen in der Holzgalerie enthielt, soll in seiner Art einmalig sein. Dann durfte ein Besuch der «Gros Horloge», einer großen astronomischen Uhr aus dem 14. Jahrhundert natürlich nicht vergessen werden. Sie befand sich unweit vom alten Markt, in der Fußgängerzone.

Es gab also mehr als genug zu sehen in dieser Stadt. Er hatte bereits ein Hotel gebucht und wollte eine Nacht in Rouen bleiben.

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