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Kapitel 10

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Claude Crayont war von Concarneau aus, nachdem er Medernach und Ewen entsprechend informiert hatte in Richtung Le Havre aufgebrochen. Dort sollte am nächsten Tag das Containerschiff «Lan Shanghai», der Wang Shipping Line eintreffen. Mit diesem Schiff war der Container transportiert worden, in dem man das Falschgeld gefunden hatte. Crayont und seine zwei Kollegen hatten die Aufgabe übernommen, den Kapitän während der Ent- und Beladung zu observieren. Es gab keinerlei Hinweise, dass er in die Affäre verwickelt sei, aber sicherheitshalber sollte er beobachtet werden.

Das Schiff wurde bereits seit dem Verlassen des Hafens von Shanghai beobachtet. Im Zeitalter von Satelliten war es ein Kinderspiel, ein Schiff zu verfolgen und ständig über seine Position unterrichtet zu sein. Das Schiff war von Shanghai aus, ohne einen Zwischenaufenthalt und ohne Kontakt zu anderen Schiffen zu haben, auf direktem Weg nach Le Havre gefahren. Damit war klar, dass unterwegs keinerlei neue Fracht aufgenommen worden war. Von Frankreich aus würde der Rückweg von Saint-Nazaire wieder nach Shanghai führen, soviel wusste man bereits durch die Ermittlungen des chinesischen Geheimdienstes und der Direction Générale de la Sécurité Extérieure. Die DGSE, wie sie kurz genannt wurde, hatte Crayont beauftragt, den Kapitän ständig zu beobachten. Man wollte wissen, mit wem er sich treffen würde oder ob er vielleicht irgendwo geheime Nachrichten hinterlegte. Auch heute, im Zeitalter der absoluten Kommunikation gab es sogenannte «tote Briefkästen». Diese konnten nicht abgehört werden und waren den Geheimdiensten häufig wichtiger als die Kommunikation durch verschlüsselte Botschaften per Handy, Computer oder Smartphone.

Crayont war bereits im Hafen, als das Schiff aus Shanghai anlegte, es war noch früh am Morgen. Er bewunderte diese Riesen, solche Schiffe wären vor dreißig Jahren noch undenkbar gewesen. Dabei war die Lan Shanghai noch nicht einmal eines der größten Container-Schiffe. Crayont wusste, dass es noch sehr viel größere gab.

Das Anlegemanöver dauerte wenig mehr als eine halbe Stunde. Dann lag der Pot festvertäut am Pier. Praktisch unmittelbar danach bewegten sich bereits die großen Kräne entlang des Schiffes und das Entladen der Container begann. Zeit ist Geld in diesem Metier, dachte sich Crayont, als er sah, wie schnell man mit den Containern vom Schiff zur Lagerfläche und zurück fuhr. Crayont stand in der Nähe einer Lagerhalle, von der aus er die Gangway gut beobachten konnte. Sicherlich dauerte es eine Zeit lang, bis der Kapitän das Schiff verlassen würde.

Crayont hatte mit seinem Vorgesetzten noch überlegt, dass auch ein anderes Mitglied der Mannschaft mit dem Schmuggel des Falschgeldes in Verbindung stehen könnte, aber man war sich einig geworden, dass nur der Kapitän die Möglichkeit haben würde, die Route zu verändern, weitere Fracht an Bord zu holen oder sogar selbst das Falschgeld an Bord zu schmuggeln. Die Crew, so hatte man dem DGSE versichert, würde das Schiff nicht verlassen. Alle Matrosen und Offiziere mussten, laut den Anweisungen des Reedereibesitzers, an Bord bleiben. Es oblag dem Kapitän, in Ausnahmefällen der Mannschaft einen Landgang zu ermöglichen. Da aber beim Ent- und Beladen die Mannschaft gebraucht wurde, blieb dafür keine Zeit. Erst wenn das Schiff wieder zurück in Shanghai war, bekam die Mannschaft drei Tage Urlaub. Damit reichte es aus, den Kapitän zu beobachten, falls dieser das Schiff verlassen sollte. Crayont hatte sich auf eine längere Beobachtung, hier am Pier eingerichtet. Seinen Wagen stand direkt neben der Lagerhalle und so würde es kein Problem bereiten, den Kapitän zu verfolgen, falls dieser mit einem Taxi den Hafen verlassen sollte.

Es dauerte fast drei Stunden, bis Crayont den Kapitän die Gangway herunterkommen sah. Der Mann trug einen kleinen Koffer bei sich. Fast gleichzeitig konnte er das Taxi sehen, dass sich der Gangway näherte.

Yussef Aziz ging geradewegs auf das Taxi zu und stieg ein. Als das Taxi losgefahren war, hatte auch Crayont bereits seinen Wagen gestartet und fuhr ihnen hinterher. Die Fahrt führte zum Bahnhof von Le Havre, an der Cours de la République. Kapitän Aziz stieg aus dem Taxi und ging geradewegs in das Bahnhofsgebäude. Crayont stellte seinen Wagen an einem Taxistand ab, wohlwissend, dass er auf dem Rückweg einen Strafzettel vorfinden würde. Aber er wollte auf keinen Fall Aziz aus den Augen verlieren. Als er hinter Aziz herging, telefonierte er mit seinem Kollegen. Er bat ihn, das Auto abzuholen und sich bereit zu halten, um damit eventuell nachkommen zu können, falls Aziz Le Havre mit der Bahn verlassen würde. Er selbst würde Aziz im Zug folgen und seinen Kollegen auf dem Laufenden halten. Yussef Aziz ging auf den Fahrkartenschalter zu und stellte sich in die kleine Schlange vor dem Schalter. Crayont trat genau hinter ihn. So konnte er hören, wohin er fuhr. Als Aziz an der Reihe war, bestellte er sich eine Fahrkarte nach Rouen und zurück. Er bezahlte und der Beamte reichte ihm die Karte. Aziz ging zu den Gleisen. Crayont trat an den Schalter und ließ sich ebenfalls einen Fahrschein nach Rouen aushändigen, dann folgte er Aziz.

Crayont informierte, wie abgesprochen seinen Kollegen. Sie wollten sich am Hauptbahnhof von Rouen treffen. Der Zug nach Rouen fuhr erst in etwa dreißig Minuten ab. Kapitän Aziz war in einen Zeitungskiosk gegangen und hatte sich eine Ausgabe der Ouest-France gekauft. Crayont beobachtete ihn von draußen und folgte ihm anschließend wieder.

Crayont hatte sich überlegt, dass sie die knapp 70 Kilometer von Le Havre bis nach Rouen in einer Stunde zurückgelegt haben müssten. Dem Fahrplan konnte er entnehmen, dass die Fahrt mit der Bahn etwas mehr als fünfzig Minuten dauern würde. Damit hatte sein Kollege genügend Zeit nach Rouen zu kommen, falls nicht etwas Unerwartetes passierte. Er stellte sich in einem gewissen Abstand zu Aziz auf den Quai und wartete mit ihm auf den Zug. Kapitän Aziz stieg nach der Einfahrt des Zuges ein und setzte sich in ein Abteil zweiter Klasse, Crayont ließ sich zwei Reihen dahinter nieder. Er konnte Aziz so genau beobachten.

Aziz schlug seine soeben gekaufte Zeitung auf und schien interessiert die Artikel zu lesen. Crayont hatte keine Ahnung, ob Aziz überhaupt französisch sprach. Dann fiel ihm ein, dass ein Großteil der Nordafrikaner die französische Sprache beherrschte, weil ihre Länder früher zu den Kolonien Frankreichs gehört hatten. Der Kapitän hatte durchaus ein nordafrikanisches Aussehen, stellte Crayont fest, so dass er davon ausgehen konnte, dass der Mann der französischen Sprache mächtig war.

Als der Zug in Rouen einfuhr, erhob sich Aziz und strebte dem Ausgang zu. Auch Crayont stand auf, blieb aber etwas weiter hinten stehen. Aziz verließ den Zug und ging in Richtung der Schließfächer. Der Kapitän stellte seinen Koffer in ein Schließfach und ging dann zum Ausgang. Sie verließen den Bahnhof und befanden sich nun auf dem Place Bernard Tissot.

Nachdem Aziz den Bahnhof verlassen hatte, sah Crayont, wie er auf einen Passanten zuging und ihn ansprach. Der Angesprochene drehte sich um und zeigte mit der Hand in Richtung der Innenstadt. Aziz bedankte sich und folgte nun der Rue Jeanne d´Arc. Crayont rief seinen Kollegen an, den er mit dem Wagen auf dem Parkplatz unmittelbar rechts neben dem Ausgang gesehen hatte an, während er gleichzeitig Aziz folgte. Er bat seinen Kollegen, sich möglichst hinter ihnen zu halten, falls Aziz in irgendein Fahrzeug oder Taxi einsteigen sollte. Crayont blieb mit ausreichendem Abstand hinter dem Kapitän. Doch Yussef Aziz machte keine Anstalten ein Taxi nehmen zu wollen. Er ging geradewegs ins Zentrum. Nach etwa achthundert Metern bog er in die Rue du Grand Horloge ein. Er benahm sich wie ein gewöhnlicher Tourist, sah sich die schöne astronomische Uhr auf dem Turm an, ging zurück zum Marktplatz, spazierte durch die Hallen und ging gemächlich zur Kathedrale und zu der Kirche Saint-Ouen. Danach spazierte er noch willkürlich durch die Innenstadt, bevor er sich am Marktplatz, in das Restaurant «La Couronne» setzte und etwas aß. Crayont kannte das Restaurant von zahlreichen früheren Besuchen, sowohl dienstlich als auch privat war er des Öfteren in Rouen gewesen. Es war das schönste und älteste Gebäude am Alten Markt von Rouen und gleichzeitig das älteste Gasthaus Frankreichs. Er spürte ein Hungergefühl und entschied sich, auch etwas zu essen. Er folgte Aziz in das Restaurant.

Es war inzwischen 16 Uhr geworden und es hatte sich nichts ereignet, was auf den Austausch von Informationen oder geheimen Treffen hindeutete. Der Tag verlief weiter in dieser Art. Nach dem Essen wanderte Aziz wieder durch die Straßen, sah sich die alten Fachwerkhäuser von Rouen an und ging dann wieder zum Bahnhof, holte seinen kleinen Koffer und ging erneut den Weg zurück in die Innenstadt, in das Hotel Mercure, nahe der Kathedrale. Er hatte dort wohl ein Zimmer reserviert.

Nachdem Aziz auf sein Zimmer gegangen war, trat Crayont an die Rezeption, zeigte seinen Ausweis und fragte den Portier nach der Buchung. Als er die Auskunft erhalten hatte, dass Monsieur Aziz nur eine Nacht hier verbringen wollte, entschloss sich Crayont, seine Kollegen anzurufen und die weitere Observierung rund um die Uhr zu veranlassen. Er konnte alleine nicht sicherstellen, dass er ihn stets im Auge behalten würde. Ein Wagen mit zwei Mitarbeitern des DGSE wurde vor dem Eingang postiert, ein weiterer sollte den Hinterausgang bewachen.

Die Aktion entpuppte sich aber als vollkommen überflüssig. Kapitän Aziz verließ das Hotel nicht mehr. Er war gegen 21 Uhr hinunter ins Restaurant gegangen und danach wieder auf sein Zimmer zurückgekehrt. Am nächsten Morgen verließ er das Hotel kurz nach 10 Uhr und ging erneut zu Fuß durch die Stadt. Diesmal ging er in die Rue Martainville und besuchte den Aitre Saint Maclou, nachdem er zuvor die Kirche Saint Maclou, in der Rue Damiette besichtigt hatte. Die nächsten Stunden spazierte er bis an die Seine, dann zurück zum Bahnhof und fuhr nach Le Havre zurück.

Crayont war sich sicher, dass Kapitän Aziz in Rouen keinerlei Kontakt zu irgendjemandem aufgenommen hatte. Wenn er etwas mit dem Falschgeld zu tun hatte, dann war der Kontakt jedenfalls nicht in Rouen erfolgt. Dennoch ließ er ihn überwachen, bis der Kapitän wieder auf seinem Schiff war.

Das Entladen war rasch vorangegangen und die neue Fracht schnell an Bord. Wie geplant, konnte das Schiff am Nachmittag des vierten Tages den Hafen wieder verlassen. Kapitän Aziz ließ Kurs auf Brest nehmen und die Reise zurück nach Shanghai nahm ihren Anfang.

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